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Leiterin der Graphischen Sammlung„Wandelndes Köln-Lexikon“ Rita Wagner geht in den Ruhestand

Lesezeit 4 Minuten
Die Leiterin der Graphischen Sammlung, Rita Wagner, hält ein Schwarz-Weiß-Bild des Kölner Doms in der Hand und schaut in die Kamera.

Die Leiterin der Graphischen Sammlung, Rita Wagner, geht in Ruhestand. Die Graphische Sammlung des Stadtmuseums ist im Zeughaus untergebracht.

Das Zeughaus war 40 Jahre die Wirkungsstätte von Rita Wagner, 16 davon die Graphische Sammlung. Jetzt hört sie auf.

Seit längerer Zeit stehen große Teile des Zeughauses wegen Baufälligkeit leer. Das Kölnische Stadtmuseum, das hier 1958 einzog, macht demnächst im ehemaligen Modehaus Sauer weiter. Doch so ganz ausgestorben ist das altehrwürdige Backstein-Gebäude aus dem 16. Jahrhundert noch nicht. Neben einer Halbtagskraft für Papierrestauration ist im zweiten Stock Rita Wagner anzutreffen. Seit 2006 leitet sie die Graphische Sammlung des Stadtmuseums. Die Sammlung bleibt dem Zeughaus noch ein Weilchen erhalten, bis sie in ein Depot ausgelagert wird.

Köln: Das Zeughaus war 40 Jahre Wirkungsstätte für Rita Wagner

Rita Wagner allerdings geht Ende des Jahres in den Ruhestand. Dann muss sie sich von den rund 100.000 Zeichnungen, Fotos und Druckgrafiken trennen, die in alten Holzregalen in Kartons lagern. Damit verabschiedet sich eine Institution des Stadtmuseums. Rita Wagner gilt im Haus als „wandelndes Köln-Lexikon“. Wohl niemand kennt sich so gut aus in der Stadtgeschichte wie sie.

Die Heimat der Sammlung wirkt in die Jahre gekommen, so wie der Rest des Zeughauses. „Man hat es verkommen lassen“, sagt Rita Wagner über ihre Wirkungsstätte, der sie nun seit fast 40 Jahren verbunden ist: „Es gibt hier Fenster, da ist kein Kitt mehr drin.“ Eine Klimaanlage sucht man in Rita Wagners Reich ebenfalls vergeblich. Doch die dicken Ziegelwände geben Temperaturschwankungen immerhin nur mit zeitlicher Verzögerung nach innen weiter, was dem Papier zuträglich ist.

Auch die Gemälde-Sammlung zählte zum Aufgabenbereich

Der Teil des Stadtgedächtnisses, der hier lagert, gibt sich auch sonst ziemlich verschlossen. Wer forschen möchte, muss sich vorher anmelden. Außer der Chefin ist nämlich niemand da. Die Datenbank pflegen, Ausstellungen begleiten, Bestände sichten, Wissenschaftler betreuen – Rita Wagner macht alles allein. Auch die Gemälde-Sammlung des Stadtmuseums liegt in ihren Händen. Sie befindet sich in einem Depot außerhalb der Stadt.

Theoretisch kann jeder seinen Dachbodenfund bei Rita Wagner abgeben. Aber es müssen schon außergewöhnliche Darstellungen sein, damit die 67-Jährige „neues“ Material einpflegt – und ein Bezug zu Köln und dem Rheinland ist sowieso Pflicht. Die gebürtige Brühlerin zieht eine großformatige Zeppelin-Luftaufnahme von Köln aus dem Jahr 1912 aus einer Schublade. Die Hohenzollernbrücke ist gerade neu gebaut, aber Mülheim und Deutz sind nur über schwankende Schiffbrücken zu erreichen. Von Zoo- oder Severinsbrücke noch keine Spur. Im Vordergrund breitet sich das Bürgerhospital aus, das es längst nicht mehr gibt. Es ist ein Köln von oben, das untergegangen ist.

Rita Wagner bewarb sich eigentlich beim Presseamt der Stadt Köln

Auch August Sanders Mappenwerk „Köln wie es war“ zeigt die Stadt vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs. Die Abzüge und Negative, von der Stadt in den 1950er Jahren angekauft, gehören zu den wertvollsten Beständen der Sammlung. Ebenso wie die Nachkriegs-Fotografien von Chargesheimer oder die Aufnahmen von Wilhelm Scheiner, der Ende des 19. Jahrhunderts Köln ablichtete, als die mittelalterliche Stadtmauer noch existierte.

Der Job bot auch Überraschungen

Manchmal erlebte sie in ihrem Job echte Überraschungen. Vor ein paar Jahren zum Beispiel, als dem Stadtmuseum ein besonderes Gemälde zum Kauf angeboten wurde. Es war eines der vier so genannten Gerechtigkeitsbilder aus dem späten Mittelalter, die früher im historischen Rathaus hingen.

Bei der Räumung des Rathauses im Zweiten Weltkrieg habe eines der Gemälde „Beine bekommen“, sagt Rita Wagner: „Keiner weiß, was wirklich passiert ist.“ Viele Jahre später meldete sich ein Mann, der behauptete, er habe es von seinem Vater geerbt, der es wiederum auf dem Dachboden gefunden habe. Die Stadt kaufte es für viel Geld an. „Das ist natürlich super, wenn so etwas wieder auftaucht“, sagt Rita Wagner.

Dem Zeughaus werde sie nachtrauern, trotz seines prekären Zustands. Auch ihrem ruhigen Arbeitsplatz, der in den vergangenen zwei Jahren noch ruhiger geworden ist, da fast alle Kollegen längst umgezogen sind. „Manchmal ist es auch schön, wenn man alleine ist, man wird nicht gestört“, sagt Rita Wagner. Nur im Winter, wenn es früh dunkel ist, sei die Atmosphäre im alten Gemäuer speziell: „Jemand, der Angst hat, ist hier schlecht aufgehoben.“