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Urteil für KölnLuftreinhalteplan rechtswidrig – Baldige Fahrverbote wahrscheinlich

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(Symbolbild)

Köln – Max-Jürgen Seibert hat an alles gedacht. Sogar die Sitzordnung im Saal I des Oberverwaltungsgerichts in Münster habe er „ein bisschen verändert. Vielleicht lernt man ja mal jemanden anderen kennen“, sagt der Vorsitzende Richter des 8. Senats angesichts der Tatsache, dass es wieder mal um Diesel-Fahrverbote, Luftreinhaltepläne und eine Berufungsverhandlung im Streit der Umwelthilfe gegen 14 NRW-Städte geht. Diesmal geht es um Köln. Man kennt sich. Die Juristen, die Fachleute von Land und Bezirksregierung, die Vertreter der Stadt Köln als Beigeladene.

Zwei Tage lang hat man das Thema schon im Frühsommer erörtert, es gibt seit kurzem ein Grundsatzurteil zur Stadt Aachen und auch im Fall Köln geht es um ähnliche Fragen. Sind Fahrverbote verhältnismäßig? Lassen sich die Grenzwerte von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft nicht auch irgendwie anders erreichen als immer gleich die Fahrverbotkeule zu schwingen?

Das Horrorszenario Fahrverbotszone ist schnell vom Tisch

Nach zweieinhalb Stunden Verhandlung ist eine Tendenz erkennbar, den Vertretern des Umweltministeriums und der Bezirksregierung Köln steht die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Das Horrorszenario einer Fahrverbotszone für Euro 5-Diesel und älter, die der bereits bestehenden Umweltzone entspricht, ist vorerst vom Tisch.

Die hatte das Verwaltungsgericht Köln im November 2018 in seinem Urteil angeordnet und damit einer Klage der Deutschen Umwelthilfe stattgegeben. Dagegen hatten das Land Nordrhein-Westfalen und die Bezirksregierung Köln Berufung eingelegt.

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Gisela Walsken (r), Regierungspräsidentin der Bezirksregierung Köln und Horst Büther, Leitender Regierungsdirektor bei der Bezirksregierung Köln stehen zusammen im Gerichtssaal beim Oberverwaltungsgericht in Münster.

„Wir müssen vier Straßen in den Blick nehmen“, sagt Max-Jürgen Seibert, bevor er die Verhandlung für eine Stunde unterbricht. Der Neumarkt (47 Mikrogramm im Jahr 2018), der Clevische Ring in Mülheim (59 Mikrogramm), die Luxemburger Straße (48 Mikrogramm) und die Justinianstraße in Deutz (48 Mikrogramm) seien laut Luftreinhalteplan auf längere Zeit problematisch – mindestens bis 2022. „Bei der Aachener Straße sehen wir weniger Probleme. Sie wird nach der Prognose mit 41 Mikrogramm den Wert im Jahr 2020 nur knapp überschreiten und 2021 einhalten. Da kommt ein Fahrverbot nicht in Betracht.“

Seibert stellt zu Beginn der Verhandlung aber auch klar, dass es bei der Anordnung streckenbezogener Fahrverbote keine langen Schonfristen geben wird. „Sie wird gegen Null gehen. Bei einem Zonenfahrverbot wären es auch höchstens zwei oder drei Monate.“ Das Gericht sieht es aber auch als erforderlich an, bei der Entscheidung „einen stärkeren Wert auf die tatsächlich gemessenen Werte und weniger auf die Prognosen zu legen.“

Die Prognosen beruhten auf vielen Annahmen, die sich ständig in andere Richtungen bewegen. So hat das Bundesumweltamt am Mittwoch in der neuen Ausgabe des „Handbuchs für Emissionsfaktoren“ festgestellt, dass die tatsächlichen Abgaswerte bei Euro 3- und Euro 6-Dieseln um ein Vielfaches über den Grenzwerten liegen, die im Labor ermittelt wurden. Eine Ausnahme sei lediglich der Diesel der neuesten Generation. Wie sich das langfristig auf die Grenzwerte auswirke, lasse sich derzeit überhaupt nicht abschätzen.

Wie wirken Fahrverbote sich auf andere Straßen aus?

Bei Streckenfahrverboten müsse die Stadt aber auch in den Blick nehmen, welche Folgen das für den Verkehr habe. „Da müssen Untersuchungen angeordnet werden, wie sich das auf anderen Straßen auswirkt. Und zwar nicht nur für den Grenzwert beim Stickstoffdioxid, sondern auch beim Lärm und anderen Umweltwerten“, sagt Richter Seibert.

Die Anmerkung der Vertreter der Bezirksregierung, dass sich auch auf der Luxemburger Straße durch neue Ampelanlagen und intelligente Leitsysteme der Wert Ende des Jahres unterhalb von 40 Mikrogramm eingependelt haben wird, kommentiert der Richter mit den Worten: „Das scheint sich positiv zu entwickeln und Sie haben ja vor, weitere Verflüssigungen mit Lichtzeichenanlagen vorzunehmen.“

Gericht schreibt regelmäßige Kontrollen der Schadstoffwerte vor

Den Vertretern der Deutschen Umwelthilfe geht das nicht weit genug. Die Stadt Köln müsse nach dem Vorbild anderer deutscher Kommunen ein Rechenmodell erstellen, das berücksichtige, wie sich der Ausweichverkehr auf die Luftqualität in anderen Straßen auswirkt. „Wo geht denn der Verkehr hin, wenn die Werte am Clevischen Ring wegen der Sanierung der Mülheimer Brücke sinken? Oder an der Justinianstraße? Die werden doch nicht alle aufs Fahrrad umgestiegen sein?“, argwöhnt Umwelthilfen-Anwalt Remo Klinger.

Was am Ende stutzig macht, dass sich alle als Sieger fühlen. Die Bezirksregierung Köln, weil sie voller Optimismus auf die aktuellen Werte verweist, die auch an den vier von Fahrverboten bedrohten Zonen eine klare Tendenz nach unten zeigen. Die Umwelthilfe, die zwar nicht glaubt, dass Köln die Grenzwerte ohne Fahrverbote 2020 erreicht. „Aber das spielt für uns keine Rolle, wir wären ja froh, wenn das gelänge, halten das nur für unrealistisch“, sagt Geschäftsführer Jürgen Resch.

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Und Kölns Regierungspräsidentin Gisela Walsken (SPD) betont immer wieder, dass das Gericht immerhin keine Fahrverbote angeordnet habe. „Das können wir gar nicht“, sagt die Sprecherin der Oberverwaltungsgerichts. „Wir können nur feststellen, dass die bisherige Luftreinhalteplanung unzureichend ist.“ Und Vorgaben machen, was der neue Luftreinhalteplan enthalten muss: eine regelmäßige Kontrolle der Luftschadstoffwerte und Fahrverbote für den Fall, „dass die Grenzwerte entgegen der Prognose-Erwartung mit den bisherigen Maßnahmen doch nicht schnellstmöglich eingehalten werden“.

Und noch etwas: Die Bezirksregierung müsse den Plan unverzüglich und ohne schuldhaftes Zögern fortschreiben. „Was das bedeutet, wissen die Juristen“, sagt Seibert. Eine Gnadenfrist von einem halben Jahr – vielleicht.