Ebay-Anzeige kostete Frau fast das LebenAngreifer aus Köln muss erneut vor Gericht
Köln – Als Maria S. im Sommer 2018 bei Ebay eine Anzeige einstellte, in der sie ein Kinderbett anbot, ahnte die 41-jährige Mutter von zwei Kindern nicht, dass sie dies fast das Leben kosten würde. Ein Mann meldete sich; es war Dietmar O., damals 59 Jahre alt. Sie vereinbarten, dass er das Bett am 31. August in ihrer Wohnung in Deutz abholen würde. Um 10 Uhr traf er ein. In einem Augenblick, als die Verkäuferin vor dem Bettchen hockte, nahm Dietmar O. sie in den Schwitzkasten. Es folgte ein Kampf, der zehn Minuten dauerte.
Maria S. (Name geändert) wehrte sich nach Kräften, immer wieder schrie sie. Einmal gelang es ihr, zu einem Fenster zu laufen, es zu öffnen und um Hilfe zu rufen, bevor Dietmar O. sie wieder packte.
Mit einem Taschenmesser, das er ebenso wie eine schwarze Nylonstrumpfhose und Kabelbinder mitgebracht hatte, stach er zu; ihre Lunge wurde lebensgefährlich verletzt. Sie entriss ihm das Messer und warf es aus dem Fenster. Schließlich schaffte sie es, mit einem Fuß die Wohnungstür zu öffnen. Davor standen ein Nachbar und zwei Passanten, die ihre Hilferufe gehört hatten. Einer überwältigte Dietmar O. im Treppenhaus. Bei der Polizei erklärte er, er habe Geld erbeuten wollen.
Tat in Köln war sexuell motiviert
Deshalb wurde das Verbrechen als Raubtat angeklagt. Am zweiten Verhandlungstag des Prozesses vor dem Kölner Landgericht, der im Februar 2019 begann, legte Dietmar O. ein entsprechendes Geständnis ab. Am achten Verhandlungstag ließ er eine zweite Einlassung folgen, die Neues zutage brachte: Die Tat war sexuell motiviert. Die Stimme des Opfers am Telefon habe ihn an diejenige seiner Mutter erinnert, die als Prostituierte gearbeitet hatte. Er habe Maria S. aufgesucht, um sie zu zwingen, sich die Strumpfhose anzuziehen, vor ihm zu posieren und zu stöhnen; dabei habe er masturbieren wollen. Die 14. Große Strafkammer verurteilte ihn wegen versuchter besonders schwerer sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung zu viereinhalb Jahren Haft.
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In diesem Januar entschied der Bundesgerichtshof (BGH), der Revision der Staatsanwaltschaft stattzugeben. Seit Donnerstag wird der Fall vor der 23. Großen Strafkammer des Landgerichts – auf das Strafmaß beschränkt – neu aufgerollt. Dietmar S. muss damit rechnen, höher bestraft zu werden. Die Staatsanwaltschaft hatte seinerzeit sieben Jahre und neun Monate Gefängnis gefordert, die Verteidigung auf zwei Jahre Haft auf Bewährung plädiert; auch sie war vor den Bundesgerichtshof gezogen, jedoch vergeblich.
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Der BGH beanstandet, die 14. Große Strafkammer habe fehlerhaft einen Täter-Opfer-Ausgleich angenommen und in Folge davon den Strafrahmen unzulässig verschoben. Vor Beginn der Hauptverhandlung hatte Dietmar O., vermittelt durch seinen Verteidiger, Maria S. zum Ausgleich für die immateriellen Schäden 5000 Euro angeboten, also Schmerzensgeld. Zu Beginn des Prozesses erhöhte er den Betrag schließlich auf 25000 Euro; dazu musste seine Lebensgefährtin ihre Lebensversicherung auflösen.
Mutter aus Köln kann nicht mehr arbeiten
Nebenklage-Vertreterin Monika Müller-Laschet nahm das Angebot an. Dabei betonte sie, dass Maria S., die nicht mehr fähig sei zu arbeiten, die Leistung nicht im Sinne eines Täter-Opfer-Ausgleichs anerkenne, aber in Höhe von 15.000 Euro auf die materiellen Schäden angerechnet wissen wolle. Ein Täter-Opfer-Ausgleich setze im Prinzip voraus, dass das Opfer die Leistungen des Täters als „als friedensstiftendes Angebot akzeptiert“, heißt es im Urteil des BGH. Erforderlich sei jedenfalls, dass der Täter im Bemühen, einen Ausgleich zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht habe, zumindest „dieses Ziel ernsthaft erstrebt“. Um dies prüfen zu können, müssten „hinreichende Feststellungen“ zum Umfang der materiellen und immateriellen Schäden getroffen werden. Das habe das Landgericht seinerzeit unterlassen.
Am Donnerstag ging Dietmar O. erneut auf das problematische Verhältnis zu seiner Mutter ein. Zurzeit mache er eine zweite Psychotherapie; sie sei „intensiver“ als die erste. Für den Prozess sind vier Verhandlungstage vorgesehen.