Aidshilfe KölnOliver Schubert wird neuer Geschäftsführer
- Am 1. Dezember übernimmt Oliver Schubert die Geschäftsführung der Aidshilfe Köln.
- Er ist, genau wie der bisherige Geschäftsführer, der Ansicht, das HIV-Positiven und Aidskranken nach wie vor ein Stigma anhaftet.
- Die Aufklärung über Aids/HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten gehört zu den Kernaufgaben der Aidshilfe.
Köln – „Aids – Wege aus der Angst“ heißt das Buch, das Rita Süssmuth (CDU), seinerzeit Bundesgesundheitsministerin, 1987 veröffentlichte, mitten in der „Aids-Krise“. Der Titel ist programmatisch für die liberale, aufklärerische Linie, die sie im Umgang mit der Immunschwächekrankheit verfolgte. Dagegen stand eine Haltung wie die von Peter Gauweiler (CSU), damals Staatssekretär im bayerischen Innenministerium; er schürte die Panik und schlug öffentlich vor, Zwangstests anzuordnen und Schwule abzusondern. Zwar setzte sich der Süssmuth-Kurs mit Aufklärungskampagnen wie „Gib Aids keine Chance“ durch, doch die Horrorszenarien hinterließen kräftige Spuren. HIV-Positiven und Aidskranken haftete ein Stigma an.
Das Stigma wirkt weiter
Viel hat sich seitdem geändert. Doch aus der Sicht von Michael Schuhmacher, der seit 1994 die Geschäfte der Aidshilfe Köln führt und sich Ende November in den Ruhestand verabschiedet, wirkt das Stigma weiter. Darin ist sich der 63-Jährige mit Oliver Schubert einig, der am 1. Dezember die Geschäftsführung übernimmt. Das Stigma werde etwa in dem moralisierenden Vorwurf wirksam, Schwule würden sich bei ihren Sexualkontakten „zu sorglos“ verhalten – obwohl Studien belegten, dass die Kondomnutzung in den letzten Jahren nicht zurückgegangen sei, sagt der Nachfolger.
Die Stigmatisierung zeige sich beispielsweise auch dann, wenn in Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen oder Kindergärten bekannt werde, dass jemand HIV-positiv sei. Vielfach sei Unwissenheit im Spiel. So wüssten die wenigsten, dass HIV-Infizierte bei erfolgreicher Therapie niemanden anstecken können. Längst bedeutet eine Infektion kein Todesurteil mehr; und je früher sie entdeckt wird, umso besser lässt sie sich mit Medikamenten behandeln. Wegen jenes Stigmas scheut sich laut Schuhmacher aber manch einer, sich testen zu lassen, auch wenn er Anlass dazu habe, und versäume es, sich behandeln zu lassen, bevor das Immunsystem geschädigt werde und sich Krankheitssymptome zeigen würden.
Aufklärung über Aids/HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten gehört zu den Kernaufgaben der Aidshilfe; ebenso die Unterstützung und Beratung von Betroffenen, die Vertretung ihrer Interessen in der Öffentlichkeit und die Prävention. Als Schuhmacher, der gelernter Bankkaufmann ist, für die Aidshilfe Bonn und dann für die Deutsche Aidshilfe in Berlin gearbeitet hat, 1994 von Georg Roth die Geschäfte der Kölner Aidshilfe übernahm, hatte sie weniger als zehn Mitarbeiter und nutzte nur einen Teil des mehrstöckigen Hauses in der Beethovenstraße, wo sie noch immer ihren Sitz hat. Heute zählt sie 36 hauptamtliche und rund 200 ehrenamtliche Kräfte. Das Jahresbudget beläuft sich auf rund 2,1 Millionen Euro. Es setzt sich zusammen aus öffentlichen Mitteln, Spenden und Einnahmen.
„Run of Colours“
Bis 2015 fand alljährlich die Aids-Gala im Hotel Maritim statt, dann erwies sich der Aufwand, das Benefiz zu organisieren, für die Aidshilfe und ihre Lebenshaus-Stiftung als zu groß. Geblieben ist der „Run of Colours“, den die Lebenshaus-Stiftung seit 2008 zugunsten der Aidshilfe Köln veranstaltet.
Zum Angebot der Aidshilfe zählen unter anderem Wohnprojekte, die Gesundheitsagentur „Checkpoint“, ein Frauen- und Familienzentrum, Gruppentreffen, die Selbsthilfe, Jugendarbeit und Hilfen für Drogenabhängige. Das Angebot ist an die Corona-Situation und entsprechende Hygienestandards angepasst worden. So kann man im Checkpoint zurzeit nicht einfach vorbeikommen und sich anonym testen lassen, sondern muss sich anmelden; daher ist die Zahl der Tests um die Hälfte zurückgegangen.
Der neue Geschäftsführer tritt seine Arbeitsstelle also unter besonderen Bedingungen an. Oliver Schubert, 45 Jahre alt, hat Sozialwesen studiert, war sieben Jahre bei der Aidshilfe Bonn beschäftigt und zuletzt stellvertretender Geschäftsführer der Aidshilfe NRW. Der Corona-Krise mit ihren Einbrüchen bei den Spenden sei geschuldet, dass im Jahreshaushalt der Kölner Einrichtung noch 100000 Euro ungedeckt seien, sagt er und setzt darauf, dass Unterstützer Abhilfe schaffen.
HIV In Deutschland
Ende 2018 lebten in Deutschland rund 87900 Menschen mit HIV, davon 10600 ohne eine Diagnose der Infektion. Dies geht aus dem Epidemiologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts vom November 2019 hervor. Nach Schätzungen des Instituts infizierten sich 2400 Menschen neu; 2017 waren es 2500. Etwa 32 Prozent der HIV-Infektionen wurden erst mit einem fortgeschrittenen Immundefekt und circa 15 Prozent mit dem Vollbild Aids diagnostiziert. 93 Prozent der Menschen mit einer HIV-Diagnose nahmen Medikamente; 94 Prozent dieser Therapien verliefen erfolgreich. Geschätzt 440 Menschen starben 2018 an Aids.
Gesetzlich Krankenversicherte mit einem „substanziellen HIV-Infektionsrisiko“ haben seit September 2019 einen Anspruch auf die sogenannte HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP). Dabei wird eine HIV-Infektion verhindert, indem man täglich eine Tablette mit zwei antiretroviralen Wirkstoffen einnimmt. (cs)
Spenden sind auch für das nächste große Projekt der Kölner Aidshilfe willkommen: Läuft alles nach Plan, zieht sie im August 2021 in ein Haus in der Pipinstraße in der Nähe des Heumarkts um; das Mietverhältnis ist auf 25 Jahre angelegt. Die GAG ist dabei, das Gebäude – nach Vorgaben des Denkmalschutzes – herzurichten. Hauptgrund für den Umzug ist, dass das Haus in der Beethovenstraße nicht barrierefrei ist. Die Aidshilfe muss 1,5 Millionen Euro aufbringen; davon kommt eine Million von der Aktion Mensch und der Stiftung Wohlfahrtspflege zur Förderung der Barrierefreiheit. Der alte und der neue Geschäftsführer rechnen damit, dass zusätzlich zu den 500000 Euro Eigenmitteln weiteres Geld nötig ist, um das Haus einzurichten, etwa mit einer Küche, um einen Mittagstisch für Menschen mit HIV anbieten zu können.
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Mit Schubert sei der passende Nachfolger gefunden, sagt Schuhmacher. Er bringe viel einschlägige berufliche Erfahrung mit und habe eine „vergleichbare Haltung“. Er selber freue sich nach 40 Jahren Berufstätigkeit darauf, kürzer zu treten. Seine Wohnung in Köln werde er behalten, aber viel Zeit in seinem Bauernhaus im Hunsrück verbringen.