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Kölner Ordnungsamt„Wir werden täglich beschimpft, beleidigt und bespuckt“

Lesezeit 5 Minuten
Katharina Nowicki

Katharina Nowicki ist täglich im Kontroll-Einsatz – schwerpunktmäßig im Rechtsrheinischen.

Köln – 18 körperliche Attacken auf Mitarbeiter des Ordnungsamtes gab es seit dem Frühjahr in Köln, auch die Polizei berichtet von Übergriffen. Als Reaktion wirbt die Stadt nun auf Plakaten für Respekt gegenüber Einsatzkräften. In unserer Serie „Helfer in Bedrängnis“ berichten Einsatzkräfte von ihren Erlebnissen. In dieser Folge: Katharina Nowicki, Dienstgruppenleiterin des Ordnungsdienstes in Mülheim, die selbst auch Teil der städtischen Plakatkampagne ist. Seit 15 Jahren ist Nowicki beim Ordnungsdienst und da seit einigen Monaten unter anderem für die Corona-Kontrollen verantwortlich.

Frau Nowicki, Sie sind mit dem Ordnungsdienst an vorderster Front bei den Corona-Kontrollen. Merken Sie, dass die Leute es satt haben?

Nowicki: Eine Mehrheit hält sich immer noch an die Regeln. Aber eine wachsende oder zumindest präsentere Minderheit hat offenbar nicht nur die Pandemie selbst satt, sondern auch die Maßnahmen. Die Nerven liegen bei diesen Menschen zum Teil blank. Mein Eindruck ist, dass sich die Widerstände immer in dem Moment besonders gehäuft haben, an dem die Corona-Regeln nochmals verschärft wurden. Diese Korrelation gibt es, ob sie begründet ist, kann ich nicht beurteilen. Viele Menschen scheinen immer noch zu glauben, dass die Regeln vom Kölner Ordnungsamt aufgestellt werden. Es sind aber Regeln, die das Land NRW mit der Coronaschutzverordnung für alle Kommunen landesweit angeordnet hat. Und die Ordnungsbehörden – landauf, landab – müssen dies kontrollieren.

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Hat sich die Stimmung verändert?

Klar ist: In den vergangenen Monaten ist die Stimmung definitiv rauer geworden – die Hemmschwelle für Beleidigungen und körperliche Angriffe ist stark gesunken.

In welchen Situationen?

Häufig zum Beispiel bei Maskenkontrollen. Da werden wir immer wieder angeschrien, bespuckt oder beleidigt. Die übelsten Kraftausdrücke der letzten Wochen habe ich notiert: „Ihr Pisser“, „du hässliches Stück“, „du Wichser“, „du Stück Scheiße“… Das ist nur ein kleiner Ausschnitt von dem, was wir jeden Tag hören. Ich könnte das beliebig so fortführen.

Tangieren Sie solche Beleidigungen persönlich?

Je nachdem, wie oft ich das am Tag höre. Wenn es nicht so oft vorkommt, kann ich das ausblenden. Aber wenn man das zum hundertsten Mal hört, reagiert man schon mal. Aber der Bürger meint ja nicht mich persönlich, sondern die staatliche Autorität oder die Maßnahme. Wir werden auch geschult, damit wir so etwas nicht an uns heran lassen.

Muss ich mir das so vorstellen wie im Film, dass sich dann ein Kollege im Training vor Ihnen aufbaut, Sie beschimpft und Sie still daneben stehen und deeskalieren müssen?

Nicht ganz, nein. (lacht) Wir nennen das Einsatz- und Lagetraining. Da wird anhand von Rollenspielen geübt, wie wir in solchen oder ähnlichen Situationen reagieren sollen. Aber, dass da ein Kollege steht und uns beschimpft, so etwas machen wir eher nicht.

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Beleidigungen sind das eine, körperliche Angriffe sind im Zweifel deutlich bedrohlicher…

… aber auch die haben zugenommen. Bei einer Maßnahme zum Beispiel am Kölnberg wurden Kollegen absichtlich angehustet. Unter der Zoobrücke wurde einem Kollegen von einer Frau ein Stück Fleisch aus dem Unterarm gebissen, als dort eine illegale Ansammlung aufgelöst wurde. Das alles ist binnen weniger Wochen passiert. Manche Leute demolieren unsere Autos, verwickeln uns in Handgemenge. Einige Kollegen mussten nach Einsätzen krankgeschrieben werden. Wir machen uns inzwischen mehr Sorgen, ob wir noch gesund nach Hause kommen.

Haben Sie Angst, zum Einsatz zu gehen?

Nein, prinzipiell fühle ich mich schon sicher. Die Unterstützung im Ordnungsdienst untereinander ist groß, wie in einer Familie. Wir sind über Funk verbunden, im Notfall steht jeder für den anderen ein, so dass andere Teams zu einem stoßen. Außerdem haben wir zur Abwehr Reizstoffsprühgeräte und einen Teleskopabwehrstock. Das sind defensive Einsatzmittel, die nur zur Verteidigung dienen, damit wir einen Angreifer außer Gefecht setzen können, wenn er aggressiv wird. Außerdem sind wir in größerer Mannstärke unterwegs als früher, aus Eigensicherungsgründen.

Ordnungsamtsmitarbeiter werden oft als Möchtegern-Polizisten verunglimpft und nicht ernst genommen. Haben Sie mit solchen Vorurteilen zu kämpfen?

Definitiv. Was uns die Bürger häufig entgegenhalten, ist der Vorwurf, dass wir ja nur auf Provisionsbasis arbeiten und deshalb die Leute kontrollieren. Auch sprechen uns viele Bürgerinnen und Bürger die Befugnisse ab, zum Beispiel bei Kontrollen von Personalien – viele Menschen glauben, dass wir das nicht dürfen. Aber da irren sie. Was sich zuletzt auch gehäuft hat, sind Rassismus-Vorwürfe. Uns wird vorgehalten, dass wir Bürger nur ansprechen, weil sie augenscheinlich nicht deutscher Herkunft sind. Vor ein paar Tagen hat mir das jemand so gesagt.

Trifft Sie so ein Vorwurf?

Ja, das trifft mich sehr. Der Ordnungsdienst der Stadt ist multikulturell . Und wir behandeln alle gleich. Unsere Mitarbeiter werden selbst Opfer von Rassismus: Vor wenigen Tagen wurden eine Kollegin und ein Kollege, beide mit türkischen Wurzeln, im Kölner Süden als „Kanaken“ beschimpft. Sie hatten nicht genehmigte Baumfäll-Arbeiten auf einem Grundstück unterbunden.

Werden Sie als Frau anders behandelt als Ihre männlichen Kollegen?

Das kommt darauf an, wo ich mich gerade aufhalte. Ich meine das nicht abwertend, aber ich bin viel in Mülheim unterwegs und wenn ich da in ein türkisches Café gehe, wird es schwierig, weil da das Rollenbild oft ein anderes ist. Da übergebe ich dann stellenweise an meine männlichen Kollegen, wenn ich merke, dass ich nicht weiterkomme. Aber alltäglich ist das nicht.

Als die Corona-Pandemie in Köln losging, war viel von Solidarität gegenüber den Einsatzkräften die Rede. Das passt nicht ganz mit Ihren Erfahrungen zusammen.

Anfangs war es ja auch noch etwas anders. Die Kollegen kamen teilweise zu Einsätzen, bei denen wirklich von den Balkonen geklatscht wurde. Das war toll. Aber dieser Respekt ging auch schnell wieder verloren. Ich erwarte nicht, dass man uns beklatscht. Aber auch, dass wir nicht direkt angeschrien, bepöbelt, beleidigt, bespuckt oder angegriffen werden. Das wäre viel wichtiger.