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Kölner Polizist über Respekt„...und dann trat er mir mit dem Fuß mitten ins Gesicht“

Lesezeit 6 Minuten
Markus Ballentin

Markus Ballentin, Leiter des Einsatztrupps Präsenz in der Polizeiinspektion Innenstadt.

  1. Die Einheit von Polizeihauptkommissar Markus Ballentin ist für die innerstädtischen Brennpunkte in Köln zuständig, etwa den Ebertplatz, den Neumarkt und die Ringe.
  2. Im Interview berichtet er davon, dass Übergriffe gegen ihn und seine Kollegen inzwischen an der Tagesordnung sind und der Respekt vielfach verloren gegangen ist.

Köln – 18 körperliche Attacken auf Mitarbeiter des Ordnungsamtes gab es seit dem Frühjahr in Köln, auch die Polizei berichtet von Übergriffen. Die Stadt wirbt nun auf den Plakaten für Respekt gegenüber Einsatzkräften.

„Wir mussten in den vergangenen Monaten feststellen, dass der Umgang mit den städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Respekt vermissen lässt – und sie sogar körperlicher Gewalt ausgesetzt waren und sind“, sagt OB Henriette Reker. „Es sind herausfordernde Zeiten für uns alle, aber wir sollten uns mit Anstand begegnen – das wünsche ich mir.“

Jacob: „Respekt ist kein Privileg“

Schon 2015 nach der verheerenden Silvesternacht hatte die Stadt eine ähnliche Aktion gestartet – gemeinsam mit der Polizei. Deren Präsident Uwe Jacob sagt: Mein Respekt gehört denen, die sich beruflich für friedliches, sicheres und soziales Miteinander einsetzen. Mein Respekt gehört auch allen, die das Grundprinzip des respektvollen, wertschätzenden Umgangs im Privaten pflegen. Das macht jede Form sozialer Bindung stark gegen Angriffe. Ich bin davon überzeugt, dass Respekt generell ein wichtiger Schlüssel für unser Zusammenleben in Frieden und Sicherheit ist. Solange Respekt sinnbildlich am starken Ring unserer Gesellschaft befestigt ist, ist die Gefahr gering, dass sich dieser Schlüssel löst und verloren geht. „Mein Respekt gehört denen, die sich beruflich für friedliches, sicheres und soziales Miteinander einsetzen. Mein Respekt gehört auch allen, die das Grundprinzip des respektvollen, wertschätzenden Umgangs im Privaten pflegen. Das macht jede Form sozialer Bindung stark gegen Angriffe.“ Er sei davon überzeugt, dass Respekt generell ein wichtiger Schlüssel für Zusammenleben in Frieden und Sicherheit sei. „Solange Respekt sinnbildlich am starken Ring unserer Gesellschaft befestigt ist, ist die Gefahr gering, dass sich dieser Schlüssel löst und verloren geht.“ Jacob ergänzt: „Respekt ist kein Privileg, sondern eine Selbstverpflichtung – es ist ein Recht aller und funktioniert wie ein Spiegel.“ Es gehe nicht darum, zu Maßnahmen des Staates „Ja und Amen“ zu sagen, Vorgaben und andere Meinungen klaglos hinzunehmen. Aber Freiheitsrechte und Wehrhaftigkeit in einer Demokratie hätten Grenzen, sagt Jacob.

„Wenn Menschen diese Grenze überschreiten und es ihnen auch noch gelingt, ein Bild des Staates zu vermitteln, den man angreifen kann, um vermeintlich individuelle Freiheitsrechte durchzusetzen, dann nimmt die Gemeinschaft Schaden. Alle sind aufgerufen, diese Gefahr zu erkennen und sie nicht zu akzeptieren.“

Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichten Einsatzkräfte von ihren Erlebnissen auf der Straße. Den Anfang macht Polizeihauptkommissar Markus Ballentin, Leiter des Einsatztrupps Präsenz in der Innenstadt.

Herr Ballentin, Sie sind mit Ihrem Team täglich an den Brennpunkten in der Stadt unterwegs. Sie kennen die Straße. Wie ist da gerade der Ton?

Ballentin: Gegenüber der Polizei ist er auf jeden Fall rauer geworden. Meine Einheit ist fast jeden Tag mit verbalen oder körperlichen Angriffen konfrontiert. Wir haben ja besonders viel mit der Bekämpfung der Drogenkriminalität zu tun. Viele Leute wehren sich gegen polizeiliche Maßnahmen, andere wollen lautstark mit uns diskutieren. Grundsätzlich ist das ja nicht verkehrt. Aber eine rechtmäßige Personalienfeststellung ist keine Aufforderung für eine Gruppendiskussion mit Menschen, die den Grund für die Maßnahme gar nicht kennen, sich einmischen und sich mit den Betroffenen solidarisieren.

Und das ist ein Phänomen, das Sie erst seit kurzem beobachten?

Ja, das gibt es noch nicht so lange und hat sicher auch mit den sozialen Medien zu tun. Immer häufiger kommt es nämlich auch vor, dass Schaulustige einen Polizeieinsatz filmen. Zum Beispiel vor kurzem auf dem Ebertplatz, der ja ein allseits bekannter Drogen-Hotspot ist. Die Dealer, die dort Marihuana verkaufen, sind fast ausschließlich schwarzer Hautfarbe. Wir kontrollieren sie genauso wie die meist weißen Käufer. Die kommen häufig aus der Gegend oder steigen am Ebertplatz um. Wenn wir gegen Schwarze einschreiten, werfen uns Passanten immer wieder Racial Profiling vor oder beschimpfen uns sogar als Rassisten. Neulich lief uns ein Dealer zunächst Richtung Eigelstein weg, wurde aber von vier meiner Kollegen gestellt und fixiert, weil er sich auch noch gewehrt hat. Im Nu standen drei Leute drumherum, die das Ganze gefilmt haben.

Und warum haben Sie damit ein Problem?

Weil wir dann oft mehr Kräfte einsetzen müssen, die die Kollegen vor potenziellen Übergriffen von außen absichern. Wie letztens am Rudolfplatz, als wir am Wochenende nachts eine gemeinsame Kontrolle mit der KVB in der U-Bahn-Station hatten. Da kam das junge Partyvolk aus der Bahn und hat uns zum Teil die Kameras direkt vors Gesicht gehalten. Das stört ungemein, weil wir dann schauen müssen, ob es bei Handyaufnahmen bleibt oder ob jemand handgreiflich wird. Es ist schlichtweg eine Frage der Eigensicherung. Einige meiner Kollegen sind in solchen Einsätzen zuletzt auch immer wieder körperlich angegriffen worden. Dazu kommen aktuell Diskussionen über den Abstand zu meinen Kolleginnen und Kollegen.

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Sie sind selbst schon gewaltsam attackiert worden?

Ja, der gravierendste Fall liegt zwar schon ein paar Jahre zurück, schlug aber große Wellen. Wir wollten nach einer Schlägerei am Friesenplatz Personalien feststellen. Wir hatten eine Person fixiert, ich saß am Boden und einer von außen – ich glaube es war der Bruder des Delinquenten – versuchte ihn zu befreien und trat mir mit dem Fuß mitten ins Gesicht. Die beiden sind zunächst geflüchtet, konnten aber drei Straßen weiter gestellt werden. Ich habe das angezeigt und ein Schmerzensgeld bekommen. Bei einem anderen Einsatz in einem Park haben drei Kollegen meiner Einheit Platzwunden davon getragen. Inzwischen sind solche Übergriffe beinahe an der Tagesordnung.

Also hat sich die Ablehnung Ihnen gegenüber in den vergangenen Jahren verstärkt?

Ohne Zweifel. Die Gewalt gegenüber den Einsatzkräften hat definitiv zugenommen. Ich bin seit 1991 bei der Polizei, seit 1994 in Köln bei unterschiedlichen Dienststellen. Seit etwa 15 Jahren stelle ich einen Rückgang des Respekts gegenüber der Polizei fest, dass insbesondere das junge Partypublikum in die Innenstadt kommt und regelrecht nach einem Räuber-und-Gendarm-Spiel sucht. Wir haben in Köln darauf reagiert. Unser Einsatztrupp ist an den Brennpunkten inzwischen immer mindestens zu viert unterwegs. Das ist auch nötig, um mit solchen Situationen umgehen zu können. Erfreulich ist, dass sich auch bei der Ausrüstung vieles zum Besseren verändert hat.

Was ist der Schlüssel, um diese Entwicklung zu stoppen?

Ich glaube, wir können das Rad gesellschaftlicher Entwicklungen nicht einfach wieder zurückdrehen. Appelle an den Respekt sind nötig, aber helfen alleine nicht weiter. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem die Polizei zeigen muss, dass bei solchem Verhalten konsequent ein- und durchgegriffen wird. Das tun wir in Köln seit 2016 unter anderem mit einem Präsenzkonzept und Videobeobachtung. Unsere Einheit ist 16 Mann stark, inklusive Teamführer. Wir könnten noch einmal genau so viel gebrauchen und wären immer noch nicht arbeitslos. Das ist aber im Moment ein Problem. Wir sind an vielen Stellen gefordert.