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In KölnSchüsse bei Verkehrskontrolle – Polizisten droht großer Ärger

Lesezeit 4 Minuten
Polizist Anklage Gericht

Dieser Kölner Polizist gab die Schüsse auf den Audi A6 ab.

Köln – Ein Polizist schießt bei einer Verkehrskontrolle dreimal auf ein anfahrendes Auto, zwei Projektile schlagen in der Motorhaube, eine Kugel kurz vor der Fahrertür ein. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt danach nicht wegen eines versuchten Tötungsdeliktes, sondern wegen Sachbeschädigung. Das Verfahren gegen den Beamten wird eingestellt, der Einsatz der Waffe sei gerechtfertigt gewesen.

Was womöglich nicht stimmt, wie ein Strafprozess gegen den Autofahrer offenbart hat, über den der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete. Nachdem nun das schriftliche Urteil des Verfahrens vorliegt, wurden die Ermittlungen gegen den Beamten wieder aufgenommen und sogar ausgeweitet. Rechtsanwalt Gottfried Reims klagt an, der Schütze und dessen Kollege hätten vor Gericht gelogen.

Köln: Polizist schießt dreimal auf anfahrenden Audi

Der Fall beginnt am 26. Januar 2021 gegen 22.15 Uhr im Einmündungsbereich Escher Straße/Am Bilderstöckchen. Autohändler Sam G. landet mit seinem Audi A6 in einer allgemeinen Verkehrskontrolle der Polizei. Ein Beamter will die Personalien des Fahrers kontrollieren und nimmt dabei Geruch von Marihuana aus dem Inneren des Autos wahr.

Der Polizist ruft Verstärkung, da fährt Sam G., der gar keinen gültigen Führerschein hat, schnell an. Er manövriert den Audi um einen vor ihm stehenden Streifenwagen herum, dann fallen die Schüsse aus der Polizeiwaffe. Schütze Thorsten J. (38) wird später angeben, sich gegen ein drohendes Überfahren zur Wehr gesetzt zu haben.

Kollision auf Innerer Kanalstraße in Köln

Audifahrer Sam G. (28) legt eine rasante Flucht hin, zwei Streifenwagen verfolgen ihn. Auf der Inneren Kanalstraße kommt es zur Kollision mit einem Polizeiauto, G. fährt aber unbeeindruckt weiter. Er setzt seine „wilde Fahrt“, wie es der Richter später formuliert, in Richtung Zoobrücke fort. Hinter dem Kalker Tunnel beschleunigt G. so stark, dass die Polizei ihre Verfolgung abbricht. „Die wollten mich von der Brücke drängen“, erklärt der Angeklagte beim Prozess im Amtsgericht theatralisch.

Verteidiger Reims bremst seinen Mandanten, letztlich wird das Fehlverhalten eingeräumt. Richter Bernhard Krieg verhängt wegen Fahren ohne Führerschein und Unfallflucht zehn Monate Haft auf Bewährung. Das Urteil ist rechtskräftig, Staatsanwalt und der Audifahrer haben es akzeptiert. Der Fall könnte nun erledigt sein, wären da nicht die neuen Vorwürfe gegen die Polizisten.

Kölner Richter sieht kein Zufahren auf Polizisten

Richter Krieg zeigt sich in der Verhandlung erstaunt darüber, „dass der schillerndste Sachverhalt in der Anklage gar nicht vorkommt“. Nämlich, dass Polizist Thorsten J. laut Staatsanwaltschaft nicht nur „reaktionsschnell zur Seite gesprungen sei“, sondern auch noch auf den anfahrenden Audi geschossen hat. Der Richter spricht bereits zu Prozessbeginn von einer Ungereimtheit an dieser Stelle. Denn es erschiene nicht unbedingt lebensnah, wie man einerseits sich in Lebensgefahr wähnend zur Seite springen, gleichzeitig aber noch dreimal aus seiner Dienstwaffe feuern könne.

„Der ist frontal auf mich zu“, bekräftigt der Beamte J. jedoch den Vorwurf gegen den Audifahrer. „Ich habe mich springend wegbewegt und gleichzeitig Schüsse auf die Reifen abgegeben“, erklärt der Polizist. Ein 49-jähriger Polizeibeamter bestätigt die Version im Zeugenstand: „Der ist voll auf den Kollegen zu.“ Im Sprung seien dann auch die Schüsse gefallen.

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Doch die Schilderungen der Beamten treffen offenbar nicht zu. „Dass der Angeklagte auf ihn zu gefahren war, konnte nicht festgestellt werden“, heißt es im schriftlichen Urteil des Amtsgerichts zum Aktenzeichen 612 Ls 48/21. Richter Krieg hatte im Prozess bereits bemerkt, dass es sich eher so darstelle, als habe sich Polizist J. in Richtung des Autos bewegt. Wahrscheinlich, um den Fahrer an der Flucht zu hindern.

Den dem Audifahrer ursprünglich zur Last gelegten und von zwei Polizeibeamten beschriebenen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr hat es demnach nicht gegeben. Man könnte nun mit unterschiedlichen Wahrnehmungen argumentieren. Oder, und das macht Verteidiger Reims, schwere Vorwürfe erheben: „Das ist ein Fall von Falschaussage“, sagt er dem „Kölner-Stadt-Anzeiger“. Schon im Prozess hatte Reims geäußert, dass der Beamte J. mit einer „Fantasiegeschichte“ eine Lebensgefahr konstruiert habe, um den Schusswaffengebrauch im Nachhinein zu legitimieren. Denn die Waffe darf nur im äußersten Notfall eingesetzt werden.

Kölner Polizisten droht juristisches Nachspiel

Dem Schützen und seinem Kollegen droht nun ein sehr unangenehmes Nachspiel. „Die Wiederaufnahme der Ermittlungen oder die Einleitung von gesonderten Ermittlungsverfahren wegen sonstiger Straftaten wird derzeit geprüft“, erklärt der Kölner Oberstaatsanwalt und Behördensprecher Ulrich Bremer auf Anfrage. Neben dem Vorwurf der Falschaussage könnte auch die Verfolgung Unschuldiger zum Tragen kommen. Ein Verbrechenstatbestand, der in nicht minderschweren Fällen mit einem Jahr Mindeststrafe belegt ist. Das könnte das Ende der Beamtenlaufbahn bedeuten.

"Wir sind hier nicht im Wilden Westen"

Für den Schützen könnte es sogar noch schlimmer enden. Da die Staatsanwaltschaft die gefallenen Schüsse nun noch einmal genau analysieren wird, könnte auch ein Sachverständigengutachten zum Schusskanal und der Gefährlichkeit in Auftrag gegeben werden. Ohne weiteres hätten Menschen von den Kugeln getroffen werden können, hatte Verteidiger Reims erklärt.

Ein versuchtes Tötungsdelikt hatte ein Bereitschaftsstaatsanwalt in der Tatnacht verneint. Zum einen aufgrund der niedrigen Einschusshöhe, aber laut Oberstaatsanwalt Bremer auch „mit Blick auf die Angaben der vor Ort befindlichen Polizeibeamten in Bezug auf das Ausweichen“. Und die waren ja offenbar nicht richtig. Anwalt Reims hatte den Fall so zusammengefasst: „Wir sind doch hier nicht im Wilden Westen!“