Köln – Ein Strafverfahren um gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und Widerstand gegen einen arbeitslosen Gebrauchtwagenhändler (28) am Amtsgericht hat am Dienstag womöglich ein schweres Dienstvergehen eines Kölner Polizisten aufgedeckt.
Der Beamte hatte im Januar 2021 bei einer Verkehrskontrolle in Bilderstöckchen drei Schüsse aus seiner Dienstwaffe auf einen Audi A6 abgegeben, nachdem ein Fahrer einfach weggefahren war. Der Beamte hatte eine Bedrohungslage als Rechtfertigung angegeben. Doch diese lag womöglich gar nicht vor.
Die Staatsanwaltschaft hatte dem Audifahrer ohne gültigen Führerschein vorgeworfen, bei der Kontrolle an der Escher Straße gezielt auf den Beamten zugefahren zu sein, um ihn zu verletzen. Der Polizist habe eine Kollision nur dadurch vermeiden können, dass er „reaktionsschnell zur Seite gesprungen“ sei, so heißt es in der Anklageschrift. Danach hätten vier Polizisten in zwei Streifenwagen die Verfolgung aufgenommen. Auf der Inneren Kanalstraße hätte ein Polizeiwagen den Audi A6 touchiert, letztlich habe der Angeklagte im schnelleren Auto flüchten können.
Bonner Polizei hat Ermittlungen übernommen
„Es ist interessant, dass der schillerndste Sachverhalt in der Anklage gar nicht vorkommt“, merkte Richter Bernhard Krieg zu Beginn der Verhandlung in Saal 29 an, nämlich dass einer der Beamten sich nicht nur in Sicherheit gebracht, sondern auch auf das Auto des Angeklagten geschossen habe – und sich deswegen auch einem eigenen Strafverfahren wegen Sachbeschädigung stellen musste.
Das Verfahren, das aus Neutralitätsgründen von der Bonner Polizei geführt wurde, wurde jedoch mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.
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Die Ermittler waren damals zu dem Ergebnis gekommen, dass der Schusseinsatz gerechtfertigt gewesen war, da der Beamte das „subjektiv drohende Überfahren“ habe abwehren wollen, indem er auf die Reifen des zur Flucht angesetzten Audis geschossen habe. Richter Krieg sprach bereits an dieser Stelle von einer Ungereimtheit. Es erschiene nicht lebensnah, wie man einerseits sich in Lebensgefahr wähnend zur Seite springen, gleichzeitig aber aus seiner Dienstwaffe feuern könne. In diesem Punkt wackelte die Anklage der Staatsanwaltschaft.
Im Zeugenstand bekräftigte der Beamte (38) seinen Vorwurf, äußerte sich aber widersprüchlich. Er habe seinen Kollegen bei der Verkehrskontrolle helfen wollen, nachdem diese Geruch von Marihuana im Audi wahrgenommen hätten. „Der ist frontal auf mich zu“, beschrieb der Beamte den Moment, als der Audifahrer einfach Gas gegeben habe. Zweifel an der Aussage kamen auf, da der Polizist beschrieben hatte, zuvor eher am Straßenrand gestanden, sich dann aber selbst in Richtung Fahrbahnmitte bewegt zu haben.
Kölner Verteidiger übt Kritik
Verteidiger Gottfried Reims kritisierte, dass der schießende Beamte von seinen Kollegen gar nicht als Zeuge vernommen worden sei – offenbar, um ihn zu schützen, da er aufgrund des Waffengebrauchs auch als Beschuldigter gegolten habe. „Das hat System“, echauffierte sich Reims und warf den Beamten vorsätzliche Falschaussagen vor, um den Waffeneinsatz letztlich zu legitimieren. Die Kugeln hatten die Motorhaube und den linken Kotflügel getroffen. Allein das zeige, dass der Polizist eben nicht frontal vor dem Auto gestanden haben könnte. „Wir sind doch hier nicht im Wilden Westen“, sagte der Verteidiger.
Am Ende sah Richter Krieg ein vorsätzliches Zufahren auf den Polizisten des Angeklagten als nicht erwiesen an, der Audifahrer sei vom Fluchtgedanken getrieben gewesen. Ein Opfer sei dieser aber nicht, durch seine rasante Flucht vor der Kontrolle habe er Menschenleben gefährdet. Und dafür sei der 28-Jährige zu bestrafen: Zehn Monate Haft auf Bewährung setzte der Richter fest und folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Dem schießenden Beamten drohen nun weitere Ermittlungen.