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Bündnis mit tiefen DifferenzenWie Grüne und CDU Verkehrspolitik in Köln aneinander vorbei machen

Lesezeit 4 Minuten
Radfahrer und Fußgänger bewegen sich über die Deutzer Freiheit.

Die Deutzer Freiheit ist autofrei. Im Veedel führt das auch zu Empörung, im Stadtrat auch.

Die Verkehrspolitik ist die große Kontroverse im Ratsbündnis. Wie gelingt es Grünen und CDU trotzdem, Entscheidungen durchzusetzen und welche Projekte stagnieren wegen der Uneinigkeit? Eine Analyse.

Trifft Asterix in seinen Comics auf die Piraten, schlagen diese regelmäßig ihr eigenes Schiff ein und versinken. Denn sie wissen: Machen wir es nicht selbst, dann wird es der kleine Gallier tun. So ähnlich verhält es sich mit den Grünen, der CDU und der Verkehrspolitik. Als das Ratsbündnis nach der Wahl 2020 geschmiedet wurde, stellte man sofort klar: Bei der Frage, ob unter Neumarkt und Heumarkt ein Tunnel entstehen soll, werden wir uns nicht einigen: Wir werden nicht im Bündnis, sondern gegeneinander abstimmen.

Ob diese frühe Erkenntnis helfen wird, die Entscheidung – egal, in welche Richtung sie fallen wird – gemeinsam der Öffentlichkeit zu verkaufen, bleibt abzuwarten.

Das Ringen um die Ost-West-Achse

Im geheimen Begleitgremium zur Erweiterung der Ost-West-Achse, in dem eben jene Frage diskutiert wird, wittert die CDU jedenfalls, dass der von den grünen ausgesuchte Verkehrsdezernat Ascan Egerer die grüne, oberirdische Variante insgeheim präferiert und deswegen die Pläne hierzu vor den Tunnel-Plänen präsentiert.

Bei den Grünen hingegen ist man besorgt, dass die CDU mit SPD und FDP eine Verkehrs-Mehrheit am Bündnis vorbei etabliert, mit der die Verdrängung des Autos aus zentralen Stadtbereichen verhindert wird.

Das war beispielhaft zu beobachten, als die drei Parteien gemeinsam im Verkehrsausschuss verhinderten, die Kitschburger Straße in Lindenthal zu einer autofreien Straße umzugestalten. Die Verkehrspolitik ist der zentrale Streitpunkt im Ratsbündnis.

Opposition im Kölner Stadtrat freut sich über Differenzen im Bündnis

Die Grünen jedenfalls bringen sich mit vielen kleineren Projekten in Stellung, der autofreien Ehrenstraße etwa. Ein Verkehrsversuch, der zwar von vielen kritisch beäugt, nie aber zum großen Politikum wurde. Anders die Deutzer Freiheit: Die Abschaffung von 55 Parkplätzen und die Verdrängung der Autos von der Straße sorgte im Veedel für große Empörung, bei Einwoherinnen, Gewerbetreibenden und eben auch bei CDU, SPD und FDP. Mit der Linksfraktion, die verkehrspolitisch meist auf Linie der Grünen ist, ist für die andere Seite keine Mehrheit zu holen.

Eine ähnliche Diskussionstemperatur ist zu erwarten, wenn die Venloer Straße bald einspurig wird. Alles spricht dafür, dass die Grünen den Verkehrsversuch werden fortsetzen wollen – und sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, sich mit Versuchen der Verwaltung, die in Dauerzustände überführt werden, an der Notwendigkeit vorbeimogeln, Mehrheiten für ihre Projekte zu finden.

In der Opposition reibt man sich die Hände. Das Vorgehen der CDU sei löblich, heißt es etwa von der FDP, es sei richtig, Mehrheiten jenseits der Grünen zu suchen, wenn man inhaltlich nicht übereinkomme. Das eigene Programm sei wichtiger als Loyalität im Bündnis. Ein Lob, über das man sich bei Grünen und CDU kaum wird freuen können. Die Frustration ist inzwischen groß, auf beiden Seiten: Die CDU ist genervt von der Selbstverständlichkeit, mit der die Stadtverwaltung inzwischen den Umstieg vom Auto auf das Rad proklamiert.

Man übersehe viele Kölnerinnen und Kölner, die auf ihr Auto angewiesen sind, es werde oft nur eine Seite gehört, heißt es. Die Grünen hingegen sehen sich in vielen Fragen gewissermaßen der Gnade der CDU ausgeliefert, weil sie ohne ihren Bündnispartner keine Mehrheiten schmieden können. Das Abstimmungsverhalten wird öffentlich kritisiert. Doch das Bündnis will niemand platzen lassen: Für die CDU ist es die einzige Machtoption und die Grünen sehen die SPD als nicht kooperationsfähig an, schon gar nicht in Verkehrsfragen.

Kölner Tunnel-Entscheidung wird wohl verschoben

Und so mussten die Grünen zuletzt etwa darauf verzichten, die Deutzer Drehbrücke dauerhaft autofrei zu machen. Das große gemeinsame Projekt, das Grundnetz für den motorisierten Individualverkehr, soll Klarheit und auch wieder mehr Einheit bringen. Die Verwaltung wurde beauftragt, es umzusetzen. Sodass klar ist, welche Verkehrsachsen die CDU ihrer Basis als verlässliche Achsen des Autoverkehrs präsentieren kann – und die Grünen wissen, wo sie sich mit Experimenten austoben können. Die Verwaltung arbeitet daran, es fertigzustellen.

Durch die vielen Konflikte im Kleinen kommt der Rat derzeit überhaupt nicht dazu, große verkehrliche Veränderungen, die Erweiterung des Bahnnetzes etwa oder die Umgestaltung des Barbarossaplatzes, ernsthaft ins Auge zu fassen. Auch die Randbereiche der Stadt werden vom Ratsbündnis oft übersehen, es geht viel um all das, was in der Nähe des Doms passiert. Die finanziell schwierige Lage der Stadt macht es nicht einfacher. Ein Umstand, von dem niemand profitiert.

Aus dem Bündnis ist bereits zu hören, dass die Entscheidung, ob es den Tunnel geben soll oder nicht, nun doch erst im Jahr 2024 fällt – und nicht wie bis zuletzt versprochen im Jahr 2023. Auch Egerer schließt eine Verschiebung nicht mehr aus. Ob sich Grüne und CDU anschließend, ob mit oder ohne Tunnel, darauf werden beziehen können, dass ein unterschiedliches Abstimmen schon immer eingepreist war? Wer sich in den Fraktionen umhört, dem scheint auch denkbar, dass das Bündnis letztlich doch an der Verkehrspolitik zerbricht. Und dass es andernfalls keine gemeinsamen Großprojekte mehr über die Bühne bringen wird.

Hinweis: In einer vorherigen Version dieses Artikels ist die Zahl der weggefallenen Parkplätze auf der Deutzer Freiheit falsch angegeben worden, die Angabe ist nun korrigiert.