Ein lauter Knall war im Kölner Landgericht zu hören. Kurz zuvor hatte ein Richter eine Schussabgabe in einer öffentlichen Verhandlung veranlasst. Nun wird der Vorfall untersucht.
Lauter Knall im Kölner LandgerichtRichter veranlasst Schussabgabe im Saal – nun droht Ärger
Mit einer kuriosen Schießübung hat sich ein Vorsitzender Richter vom Landgericht Köln womöglich großen Ärger eingehandelt. Die Schussabgabe mit Platzpatronen erfolgte bei laufender Hauptverhandlung und mit Publikum im Gerichtssaal, ausgeführt von einem Polizisten. Bei der Waffe handelte es sich um einen Schießkugelschreiber. Hiermit hatte ein Mann mehrere Obdachlose verletzt – ihm droht beim laufenden Prozess die dauerhafte Psychiatrie-Unterbringung.
Köln: Richter ordnete Schießübung im Saal an
Das sei ja eine ungewöhnliche Waffe, hatte Richter Harald Helmes in der Hauptverhandlung bekundet, daher wollte er diese in Augenschein nehmen. Ein Experte von der Polizei Köln sollte den Schießkugelschreiber daher mit ins Landgericht bringen. Laut Gericht wurden die Wachtmeister im Vorfeld informiert. Der Beamte konnte mit der Waffe und der Munition daher durch die Sicherheitsschleuse. Für gewöhnlich müssen Polizeibeamte ihre Waffen im Gericht abgeben.
In Saal 13 des Justizgebäudes erläuterte der Polizist die Funktionsweise der Taschenpistole mit Kaliber 22, die man wohl eher aus Spionagefilmen kennt. Die Waffe wurde herumgereicht, auch Verteidiger Sven Nelke nahm sie in die Hand. Dann soll Richter Helmes die Prozessbeteiligten gefragt haben, ob Interesse bestehe, die Waffe einmal abzufeuern. Niemand wehrte sich dagegen, daher drückte der Hauptkommissar ab – noch auf dem Gerichtsflur war der laute Knall zu hören.
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Kölner Landgericht untersucht den Schuss-Vorfall
„Die Schussabgabe wird bestätigt“, erklärt Landgerichtssprecher Jan Orth auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der Vorsitzende Richter habe im Rahmen der Beweisaufnahme die Gefährlichkeit und Lautstärke des Schießkugelschreibers überprüfen wollen. Eine Belästigung und Gefährdung Dritter sei aber ausgeschlossen worden. So sei vor dem Schuss auf dem Flur und im Saal gewarnt worden. Im Gerichtssaal hielten sich Prozessbeteiligte dem Vernehmen nach die Ohren zu.
Um die Gefährlichkeit von Waffen zu prüfen werden normalerweise Gutachten erstellt, auch Ortstermine außerhalb des Gebäudes bieten sich hier an. Zu Schießübungen im Gerichtssaal kam es noch nie. Zu möglichen Konsequenzen für den Richter wollte sich das Landgericht nicht äußern. „Der Vorgang wird untersucht“, so Sprecher Orth. Damit ist davon auszugehen, dass sich Helmes im Rahmen einer dienstlichen Stellungnahme gegenüber dem Landgerichtspräsidenten erklären muss.
Schussabgabe am Tag des Drach-Prozesses
Ob der Polizist eine Erlaubnis der Polizeibehörde hatte, im Gerichtssaal eine Waffe zu benutzen, wieso er den Schießkugelschreiber überhaupt selbst ins Gerichtsgebäude brachte, wie die Sicherheit gewährleistet wurde und wie die Behörde insgesamt den Vorfall bewertet, dazu gab die Kölner Polizei am Dienstag trotz frühzeitiger Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ keine Stellungnahme ab. Es scheint, als müsse die erfolgte Schussabgabe auch hier zunächst intern aufgearbeitet werden.
Brisanz birgt der Vorfall auch, da am Tag der Schussabgabe der Prozess um den Reemtsma-Entführer Thomas Drach lief. SEK-Beamte sichern hierfür das Gebäude mit Maschinenpistolen – auf den Schuss im Sicherheitsbereich hätten sie womöglich reagiert. Das Drach-Verfahren war aber außerplanmäßig früh beendet, das SEK bereits abgezogen. Schüsse fielen im damals noch wenig gesicherten Gericht zuletzt vor knapp 30 Jahren – ein Mann hatte den mutmaßlichen Mörder seines Sohnes erschossen.