Schüsse am HauptbahnhofKölner Rocker-Boss narrt die Justiz und flüchtet vor dem Knast
Köln – Der ehemalige Boss der Rockergruppierung „Bandidos MC Cologne“ hat offenbar die Kölner Justiz genarrt. Aykut Ö. (34) hätte eigentlich längst eine Gefängnisstrafe antreten müssen. Er hatte im Januar 2019 im Bereich des Kölner Hauptbahnhofs um sich geschossen.
Mit teils kuriosen Entschuldigungen hatte er den Termin zum Haftantritt aber immer wieder nach hinten schieben können. Nun ist Ö. auf der Flucht. Die Aktion könnte sich allerdings als Bumerang erweisen.
Den Haftantritt immer wieder verzögert
Zweieinhalb Jahre Gefängnis hatte der Rocker im September 2020 vor dem Landgericht für das unerlaubte Führen einer Schusswaffe erhalten. Knapp ein Jahr hatte er durch Untersuchungshaft bereits abgesessen. Den Rest sollte Aykut Ö. im offenen Vollzug in der JVA Euskirchen verbringen. Als der Haftantritt näher rückte, hatte sich ein Verteidiger des Verurteilten mit mehreren schriftlichen Anträgen an die Kölner Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde gewandt.
Seine Ehefrau sei schwanger, er sei an Corona erkrankt, er müsse sein Haus in der Türkei verkaufen, ließ Aykut Ö. laut einem Bericht der „Bild“ jeweils über seinen Anwalt als Gründe übermitteln, warum er die Haft noch nicht antreten könne. Der Aufschub wurde genehmigt, bis die Staatsanwaltschaft nach einem weiteren Antrag – Aykut Ö. gab einen Hexenschuss als Hinderungsgrund an – auf den festgesetzten Antrittstermin Anfang Juni bestand.
Als „nicht akzeptabel“ hatte die Behörde den letzten Antrag bewertet. In der JVA tauchte Aykut Ö. dann einfach nicht auf. Die Staatsanwaltschaft erließ daraufhin einen Vollstreckungshaftbefehl. „Wir prüfen, ob wir Herrn Ö. europaweit zur Fahndung ausschreiben“, so Ulrich Bremer, Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln, auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. So gebe es Gerüchte, dass der Rocker sich in der Zwischenzeit nach Spanien abgesetzt haben könnte.
In Köln herrschte ein Rockerkrieg
Als „Bandidos“-Boss hatte Aykut Ö. vor zweieinhalb Jahren für Schlagzeilen gesorgt, nachdem er sich auf der Altenberger Straße ein Schussduell mit einem verfeindeten Rocker der „Hells Angels“ geliefert hatte. Verletzt wurde dabei niemand. Beide Männer erhielten dafür Haftstrafen ohne Bewährung. Demonstrativ hatten sich Aykut Ö. und sein Kontrahent bei einem Prozesstermin wieder versöhnt.
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Zum damaligen Zeitpunkt herrschte in Köln ein regelrechter Rockerkrieg. „Mitten auf Kölner Straßen wird mit hochkarätigen Waffen geschossen“, sagte Polizeipräsident Uwe Jacob, „als wären wir hier im Wilden Westen.“ Nur Stunden nach dem Vorfall in der Nähe des Hauptbahnhofs hatten „Bandidos“-Mitglieder ein Stammlokal der „Hells Angels“ in Buchheim mit Maschinenpistolen überfallen.
Ehefrau wegen Betrugs an Geschäftsmann verurteilt
Das Urteil gegen Aykut Ö. wurde am 18. März diesen Jahres rechtskräftig, bereits fünf Tage später hatte er die erste Ladung zum Haftantritt, eigentlich binnen einen Monats, im Briefkasten. Zuvor hatte der Rocker-Boss mit seiner Familie in einer Wohnung im Rheinauhafen gelebt. Finanziert wurde der gehobene Lebensstil durch Betrug.
So soll die Ehefrau von Aykut Ö. eine Scheinbeziehung mit einem Geschäftsmann aus der Schweiz geführt und diesen um 315.000 Euro erleichtert haben. Der Schweizer soll gezahlt haben, weil er darüber getäuscht wurde, Vater von Zwillingen geworden zu sein. In Wirklichkeit handelte es sich um die Kinder von Aykut Ö. Die Ehefrau erhielt zwei Jahre Haft auf Bewährung.
Die Ermittler bewerten die jetzt erfolgte Flucht des 34-Jährigen dem Vernehmen nach als „kurzsichtig“. Der offene Vollzug hätte dem Verurteilten Freiheiten eingeräumt, so hätte er die Haftanstalt tagsüber zum Arbeiten verlassen können. Dieses Privileg habe Aykut Ö. nun sehr wahrscheinlich verspielt, sagt Ulrich Bremer. Sollte der Verurteilte geschnappt werden, „dann ist davon auszugehen, dass er seine Haftstrafe im geschlossenen Vollzug verbüßen muss.“