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Preisaufschlag für Coffe to go?Kölner Rösterei will die Flut an Pappbechern eindämmen

Lesezeit 4 Minuten
Kaffeebecher im Müll

Ein Kölner Mülleimer quillt über vor Kaffeebechern.

Köln – Leicht zu verstehen sind sie nicht, diese Deutschen. Sie benutzen für Rotwein andere Gläser als für Weißwein und wieder andere für Schnaps, Wodka oder Gin. Sie würden Pils und Weizen nicht aus einer Kölsch-Stange akzeptieren und Sekt aus keinem Limonadenglas. Bei ihrem absoluten Lieblingsgetränk indes scheint ihnen das Behältnis wurscht zu sein. Kaffee aus Pappbechern wird offenbar genauso gern genommen wie aus einer Porzellantasse, obwohl der Geschmack nicht derselbe ist.

„Das Aroma verändert sich“, betont ein Kölner, der es wissen muss. Michael Gliss ist Kaffeesommelier und hat die unterschiedlichen Behälter einem Test unterworfen. „Pappe, Kunststoff – geschäumt oder nicht geschäumt – Edelstahl, aber auch Keramik. Das Ergebnis hat den Experten wenig überrascht. „Sobald Kaffee mit seinen über 1000 Aromen, die man entdecken kann, auf ein anderes Material als Porzellan trifft, habe ich Reaktionen.“ Reaktionen dahingehend, dass der Kaffee den Geschmack des Materials annimmt.

Man trinkt den Pappgeschmack mit

Ganz extrem sei es bei weichem Plastik oder Silikon, sagt Gliss und bezieht sich auf Deckel in nahezu gummibärchenartiger Beschaffenheit. Man dürfe nicht vergessen, so Gliss, dass der Erstkontakt, den unsere Sinneszellen haben, nie der Kaffee ist, „sondern immer zuerst das Material“. Und weil das so ist, vertritt der 57-jährige die Auffassung: „Ein guter Kaffee hat das Recht auf eine Tasse.“

Kaffee to go

Kaffeesommelier Michael Gliss schwört auf Porzellan.

Diesen Satz würde auch ein anderer Kölner Kaffee-Experte unterschreiben. Beim Coffee to-go gebe es „den Pappgeschmack, den man mittrinkt“, findet auch Moritz Eylandt. Gleichwohl ist der Gründer der Heilandt-Rösterei froh, dass nicht zuletzt aufgrund der To-go-Kultur „ein Teil des Umsatzes“ während des Lockdowns erhalten bleibt.

Mit Kaffeebechern vollgestopfte Papierkörbe

Anders als Gliss, der in seinem seit 20 Jahren bestehenden „Caffee Contor“ in der Sankt-Apern-Straße keinen Ausschank betreibt, bietet Eylandt ähnlich wie andere Röster oder Espressobar-Betreiber das Getränk zum Mitnehmen an. Wohin das führt, kann man immer wieder im Stadtbild sehen: Müllbehälter, die mit Coffee-to-go-Bechern vollgestopft sind. Aktuelle Erhebungen fehlen, aber bereits 2017 bezifferte die Stadt die Zahl der Becher mit etwa 180.000 am Tag.

Laut Angaben von Cordula Beckmann, Sprecherin der Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB), hat sich während der Corona-Phase das Abfall-Volumen bei der gelben Tonne, nicht aber beim Straßenkehricht erhöht, worunter auch die Papierkörbe im Stadtgebiet fallen. Hierbei sei 2020 sogar ein leichter Rückgang zu verzeichnen gewesen. Da die Pandemie im Allgemeinen und die Lockdown-Monate im Speziellen jedoch deutlich weniger Menschen in die City locken, muss es sich laut Einschätzung der Sprecherin um viel Verpackungsmüll gehandelt haben.

Gesellschaftlicher Druck in der Schlange

„Das ist die unschöne Seite der Medaille“, räumt Moritz Eylandt ein. Die Rösterei mache sich jedoch nicht erst seit Corona Gedanken zu dem Thema. Allerdings seien sämtlich Ansätze wie etwa der, den Kaffee im Mehrwegbecher mit einem Rabatt zu versehen, durch Lockdown zunichtegemacht worden.

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Vorher hätten 20 bis 25 Prozent der Café-Heilandt-Kundschaft ihr Getränk in Pappbechern verlangt. Tendenz sogar sinkend. „Wir haben festgestellt, dass es so was wie einen gesellschaftlichen Druck in der Schlange gibt.“ Dazu reicht es, dass der Barista an der Maschine laut fragt: „Hast Du keinen Becher dabei?“

Man bewegt sich in einer Grauzone

Angesichts der vielen Pappbehälter, die im Müll landen, seien sie dazu übergegangen, den Kaffee wieder in das vom Kunden mitgebrachte Gefäß zu füllen, „ohne dieses anzufassen“. Das sei nie so richtig verboten worden, gleichwohl bewege man sich da wohl in einer Grauzone.

Im Gegensatz zur Deutschen Umwelthilfe, die schon länger ein bundesweites Pfandsystem für Mehrwegbecher fordert, überlegt man bei Heilandt, für den Kaffee aus dem Pappbecher einfach mehr Geld zu verlangen. „Unter den momentanen Bedingungen ist das jedoch nicht darstellbar.“

Abbaubare Kaffeekapseln aus Holz

Eylandt, eigentlich „ein großer Fan“ von Mehrweg-Behältnissen, empfindet eine „unglaubliche Dankbarkeit“ darüber, dass die Leute gefühlte Ewigkeiten vor den Cafés warten, bis sie an der Reihe sind.

Kaffeesommelier Michael Gliss hingegen will „keine Pappe anbieten“ – wegen des entstehenden Mülls. Da der bekanntlich nicht nur durch weggeworfene Becher entsteht, sondern auch durch den immensen Gebrauch von Kapselmaschinen in privaten Haushalten, bietet der Kölner seit kurzem Holzkapseln an, die ein schwäbisches Unternehmen entwickelt hat. Diese biologisch komplett abbaubaren Kapseln lässt Gliss mit derzeit fünf seiner Kaffeesorten füllen.

„Man geht davon aus, dass pro Jahr in Deutschland 3,5 Milliarden Aluminium- oder Plastikkapseln auf dem Müll landen“, betont der 57-Jährige. Im Corona-Jahr mit viel Homeoffice dürfte die Zahl noch höher liegen. Denn von ihrem Lieblingsgetränk (166 Liter pro Kopf 2019 und damit deutlich höher als der Mineralwasserkonsum) wird das Virus die Menschen in Deutschland nicht weggebracht haben. Dafür spricht auch eine Zahl, die Moritz Eylandt nennt. „Bei uns ist der Verkauf von Röstkaffee um 15 Prozent gestiegen.“