Schwiegervater vergiftet?Kölnerin spricht über ihre Kinder: „Es ist so schlimm“
Köln – Einer Kölner Immobilienmaklerin droht eine lebenslange Haftstrafe, nachdem sie ihren Schwiegervater mit einer Überdosis Insulin vergiftet haben soll. Die Indizienlage scheint erdrückend, doch die Angeklagte streitet beim Prozess vor dem Landgericht alles ab. „Ich sage hier die Wahrheit“, äußerte die zweifache Mutter und gab einen Einblick in ihr Seelenleben. Sie strahlte, als sie von ihrer Familie sprach und lobte ihren Ehemann, der sich aufopferungsvoll um die Kinder kümmere.
„Es ist so schlimm, dass man einfach weg ist“
In ihrer Kindheit habe sie unter ihrem gewalttätigen Vater gelitten, sagte die Angeklagte, besonders ihre Brüder seien immer wieder geschlagen worden. Als sie zwölf Jahre alt war, habe ihre Mutter sich getrennt. Seitdem habe sie, heute 41, keinen Kontakt mehr zum Vater. „Es ist so schlimm, dass meine Kinder das jetzt auch durchmachen müssen, dass man einfach weg ist“, sagte die Angeklagte, die seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft in der JVA Köln sitzt.
Sie sei so stolz auf ihren Ehemann, einen Arzt mit eigener Praxis, der alles für die beiden Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter tue. „Er schreibt mir jede Woche Briefe und gibt mir das Gefühl, ich wäre bei ihnen“, so die 41-Jährige. „Ich bin sehr froh, meinen Kindern diesen Vater geschenkt zu haben.“ Doch dass die Angeklagte selbst daran schuld ist und durch ihr Handeln das vermeintliche Familienidyll im Kölner Westen zerstört hat, davon zeigt sich die Staatsanwaltschaft überzeugt.
Staatsanwalt appellierte: „Denken Sie an Ihre Kinder“
„Denken Sie an Ihre Kinder“, hatte Oberstaatsanwalt Bastian Blaut zum Prozessauftakt an die Angeklagte appelliert. Würde sie kein Geständnis ablegen, dann würde der Richter die drohende Strafe kaum abmildern können. Dann würde sie im für sie schlechtesten Fall bis zu 19 Jahre in Haft verbringen, ihren Sohn und ihre Tochter nicht aufwachsen sehen. Würde sie alles zugeben, dann wäre mit einer Bewährungsregelung eine Haftstrafe von etwa sieben Jahren möglich.
Doch das Angebot des Staatsanwaltes, mit ihm zu sprechen, statt unbedingt auf die Freispruch-Strategie der Verteidiger zu vertrauen, hat die Angeklagte nicht angenommen. Sie habe sich ja nichts vorzuwerfen. Am Tattag, so berichtete sie, sei sie mit ihrer Tochter zum Schwiegervater gegangen. Man habe Muffins dabei gehabt, wollte eigentlich den Geburtstag der verstorbenen Oma feiern und deren Grab besuchen. Doch der Schwiegervater habe sich schlecht gefühlt, der Ausflug fiel aus.
Den Schwiegervater mit Insulin vergiftet?
Dass die Haushälterin den alten Mann am nächsten Tag in einem Dämmerzustand aufgefunden und dieser nur mit schwersten Hirnverletzungen überlebt habe, damit habe sie nichts zu tun, meinte die Angeklagte. Allerdings erinnerte sie sich daran, dass der Schwiegervater, ebenfalls Mediziner, einmal davon gesprochen habe, dass Insulin eine tödliche Wirkung habe. Und er habe geäußert, nicht als Pflegefall enden zu wollen. „Manchmal muss man es beenden, bevor es zu spät ist“, habe er gesagt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Nun ist der 80-Jährige, den Freunde und Bekannte bis zu dem Vorfall im Juli vergangenen Jahres im Zeugenstand als „topfit“ bezeichneten, tatsächlich ein Pflegefall. Laut Anklage soll die Schwiegertochter den Senior mit dem Medikament Tavor ruhiggestellt und ihm dann Insulin gespritzt haben. Als Ehefrau eines Arztes habe sie leichten Zugriff zu den Mitteln gehabt. Doch die Frage nach dem Warum ist nicht geklärt. Ein Motiv konnte die Staatsanwaltschaft bisher nicht ausmachen.
Google-Suche belastet die Angeklagte schwer
Als Hauptindiz gilt, dass die Angeklagte im Vorfeld des Geschehens eindeutige Suchbegriffe bei Google eingegeben hat, etwa „Perfekter Mord durch Insulin“. Erklären konnte sie das nicht. Sie habe zu der Zeit alles Mögliche gegoogelt, so ihr Verteidiger Jürgen Graf. Die Verteidigung sieht unsaubere Arbeit der Rechtsmedizin – so deute ein gemessener Koffeinwert darauf hin, dass der Senior noch am Morgen nach dem Besuch der Schwiegertochter Kaffee getrunken habe.
Die Angeklagte berichtete von einer langen Krankheitsgeschichte, Lähmungserscheinungen durch eine Meningitis, viele Operationen am Knie. Sie sei mehrfach in der Psychiatrie gewesen, habe Selbstmordversuche hinter sich. Eine Psychiaterin verfolgt den Prozess, sie soll ein Gutachten zum Geisteszustand der 41-Jährigen erstellen. Die Persönlichkeit der Mandantin lasse eine solche Tat gar nicht zu, sagt Verteidiger Graf. Das muss der Prozess, der noch auf viele Tage angesetzt ist, zeigen.