Kölner Siedlung gerettetStreit um Häuserabriss trotz Wohnungsnot nach Jahren beendet
Köln – Das Ende eines langen Streits war ähnlich kurios wie die Auseinandersetzung der vergangenen Jahre: Der Liegenschaftsausschuss des Stadtrates fand zu einem glasklaren Beschluss, wie man ihn nur selten im politischen Geschäft erlebt.
Zwei unzweideutige Sätze wurden mit breiter Mehrheit – nur die FDP war dagegen – beschlossen: Die Mieter der Stammheimer Siedlung Egonstraße können „die Wohngebäude auf Basis der geltenden Mietvereinbarungen weiterhin unbefristet nutzen“. Und noch klarer: „Es werden keine weiteren Wohngebäude niedergelegt.“
Abstimmung Satz für Satz
Keine „Wenns“ und „Abers“ mehr, kein neues Rechtsgutachten, wie es CDU und Grüne wollten, und kein neues Planverfahren, wie es SPD und Linke riskieren wollten. Weil am Ende nicht nur, wie oft üblich, über jede Forderung , sondern über jeden einzelnen Satz eines Beschlussvorschlags abgestimmt wurde, kam es zu einer Entscheidung, wie sie vor der Sitzung kaum keiner für möglich gehalten hatte. Bewohner der Siedlung, die seit Jahren für den Erhalt streiten, waren bei ihrer kleinen Demonstration vor dem Rathaus von Ratspolitikern noch mit vagen Aussichten vertröstet worden. Am Ende wurde mit Kölsch in einem Lokal am Rathaus angestoßen.
Die nach Kölns erstem Ehrenbürger, Egon Graf zu Fürstenberg-Stammheim, benannte Siedlung am Stammheimer Schlosspark ist gerettet. Auch wenn wieder Häuser nach einem Auszug eines Mieters von der Stadt als baufällig eingestuft würden, dürften sie nicht abgerissen, sondern müssten repariert und saniert werden.
Das war in den vergangenen Jahren nicht so. Trotz Wohnungsnot riss die Stadt in Stammheim Häuser ab – gegen den Willen der Menschen, die in der Siedlung wohnen. Die Siedlung sollte einer Grünfläche weichen. Die Kölner Anwältin Petra Lenz-Voß hat das in einem Gutachten als Verstoß der Stadt gegen ihre eigene Wohnraumsatzung kritisiert, weil sie vorhandenen Wohnraum vernichte.
Zu wenig Abstand zum Klärwerk?
Nicht nur der Abriss von Häusern, die zwar sehr einfach, aber deshalb auch sehr preiswert waren, ließ Nachbarn wie Beobachter stauen. Es war auch die Begründung, die viele nicht nachvollziehen konnten. Die Stadt argumentierte unter anderem mit der Vorschrift, dass Wohnhäuser 500 Meter vom städtischen Großklärwerk entfernt liegen müssen. So will es die landesweit geltende Abstandsregel. Doch in Stammheim waren die Häuser vor dem Klärwerk da. Und niemand störte sich am neuen, über die Jahre größer werdenden Nachbarn.
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Eine weitere Begründung bezog sich auf die baurechtliche Unterscheidung von Innen- und Außenbereich. Obwohl die Siedlung seit 90 Jahren als Teil Stammheims angesehen wird, wurde sie als „Außenbereich“ – also als nicht zur zusammenhängenden Siedlungsstruktur gehörend – definiert und ihr so das Bestandsrecht abgesprochen. Noch kurioser: Die Stadt ist selbst die Eigentümerin der Häuser, verdiente demnach also seit Jahrzehnten mit der Vermietung von Gebäuden Geld, die sie selbst als illegal einstuft.
Bürger hatten es schwer
Der lange Streit, der nun ein Ende gefunden zu haben scheint, ist aber nicht nur eine kuriose Geschichte im Zusammenhang mit städtischer Bau- und Wohnungspolitik. Für viele steht sie auch als Beispiel für das nicht immer einfache Verhältnis von Verwaltung, Politik und Bürgern. In der Egonstraße wohnen Menschen, die Protestformen wie Hausbesetzungen wählten, die ihnen eigentlich völlig fremd sind, und denen das Geld für ein Rechtsgutachten fehlte, das schließlich mit Hilfe der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM) erstellt wurde und zur Wende beitrug.
Sich im Entscheidungsprozess Gehör zu verschaffen, ist für Menschen, die nicht in bürgerliche Netzwerke eingebunden sind, schwierig. Und selbst als nach viel Überzeugungsarbeit alle großen Ratsparteien und die komplette Mülheimer Bezirksvertretung für einen Stopp des Häuserabrisses war, blieb die Stadtverwaltung bei ihrer Linie, dass die 90 Jahre lang geduldete Siedlung nicht legalisiert werden könnte.
Behelfssiedlungen erwiesen sich als beständig
Von den ehemals 80 kleinen Häusern hat die Stadt mittlerweile 30 abgerissen. Sie waren in Zeiten der Krise und Wohnungsnot gebaut worden. Genau wie in der Zollstocker Indianersiedlung wurden hier vor und nach dem Krieg Menschen in so genannten Behelfssiedlungen untergebracht. Sie haben sich als recht beständig erwiesen. Die Mietverträge in der Egonstraße werden in der Regel „vererbt“, weil die Bewohner das Leben in den einfachen und sehr preiswerten Häusern schätzen.