Mit der Erderwärmung steigt das Risiko von Unwetterkatastrophen – Forscher gestalten in Köln die Zukunft der Feuerwehrarbeit mit.
Stürme, Starkregen, StromausfallSo bereitet sich die Feuerwehr auf den Klimawandel in Köln vor
Starkregen, Erdbeben, Chemieunglücke, Pandemien, tagelange Stromausfälle – auf Katastrophen wie diese müssen sich die Feuerwehren verstärkt einstellen, weltweit, auch in Köln. „Der Klimawandel führt in jeder Region auf der Erde zu Veränderungen“, sagt Kölns Feuerwehrchef Christian Miller. „Wir fragen uns also: Was konkret passiert in Zukunft im Rheinland? Was passiert in Köln?“ Und vor allem: Wie können sich Retter und Bevölkerung auf solche Ereignisse vorbereiten?
Dazu hat die Kölner Berufsfeuerwehr vor vier Jahren ein eigenes Forschungszentrum gegründet: das „Institut für Schutz und Rettung“ (ISR). Ähnliche Einrichtungen gibt es bundesweit nur noch in Dortmund und Berlin. Das ISR ist eine Art Denkfabrik, in der Feuerwehrleute und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen gemeinsam in die Zukunft blicken. Je nach Fragestellung und Forschungsprojekt sind Ingenieure dabei, Ärzte, Geografen, Psychologen, Soziologen oder Ethnologen. Sie antizipieren Bedrohungsszenarien speziell für Köln, treffen Vorkehrungen für den Bevölkerungsschutz und entwickeln neuartige Einsatzmethoden.
Köln: Feuerwehr und Wissenschaftler forschen gemeinsam an Institut
Häufig hilft den Forscherinnen und Forschern dabei ein Blick ins Ausland, in Regionen, die Erfahrung haben mit jährlich wiederkehrendem Hochwasser, mit Vulkanausbrüchen oder tropischen Zyklonen. Nach Asien zum Beispiel, auf die Philippinen und nach Myanmar. „Wir schauen uns an: Wie gehen die Menschen dort, die regelmäßig mit Katastrophen zu tun haben, damit um?“, sagt Miller. „Wie sorgen sie vor? Wie helfen sie sich untereinander? Was retten sie zum Beispiel als erstes, wenn ein Zyklon angekündigt ist?“ Diese Erkenntnisse sammelt das Kölner ISR und überträgt sie in die Rahmenbedingungen einer europäischen Millionenstadt.
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Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat mit Feuerwehrchef Miller, mit Institutsleiter Stefan Martini und der wissenschaftlichen ISR-Mitarbeiterin Angelika Schweimnitz über künftige Herausforderungen und die Feuerwehrarbeit der Zukunft gesprochen. Hier sind sieben Beispiele:
1. Was rette ich als erstes?
Ein Starkregen mit Hochwasser, Straßen wurden überflutet, Häuser stehen unter Wasser. „Und dann kommt die Feuerwehr und sagt: Ihr könnt nur eine Sache retten, maximal ein mal ein Meter groß und höchstens fünf Kilo schwer – was wäre das? Was braucht ihr, um nach der Katastrophe schnell weitermachen zu können?“, fragt Stefan Martini und bezieht sich dabei vor allem auf kleine und Kleinstbetriebe, die oft eine ganze Familie ernähren.
„Bei einem Restaurant wäre das Wichtigste womöglich das besondere Rezept, weshalb die Kunden das Lokal schätzen“, sagt Martini. Bei einem Dienstleiter vielleicht die Kundendatenbank, die auf externen Festplatten oder in einer Cloud gesichert sein sollte. Untersuchungen zufolge müssen drei von vier Firmen in den ersten fünf Jahren nach einem Brand Insolvenz beantragen. „Als Feuerwehr möchten wir einen Beitrag leisten, um die Überlebensdauer von Betrieben, gerade von kleinen Unternehmen, nach einem Schadensereignis zu verlängern“, sagt Miller. Gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer geht die Kölner Feuerwehr daher mit Tipps zur Vorsorge auf Kölner Betriebe zu.
2. „Know your community“
Auf den Philippinen, sagt Stefan Martini, handeln die Behörden nach der Devise: „Know your community“, also: Kennt euer Veedel. Übertragen auf Köln heißt das: Um in einem Notfall zum Beispiel auch türkisch sprechende Menschen optimal warnen zu können, identifizieren Stadtverwaltung, Feuerwehr und Polizei in den Veedeln Multiplikatoren, die Informationen zusätzlich zu behördlichen Warnungen schnell und zielgruppengerecht weitergeben können.
3. Wo finde ich im Notfall Hilfe?
In Myanmar, wo die Menschen an Wirbelstürme und Unterbrechungen der Strom- und Wasserversorgung gewohnt sind, trage fast jeder eine solarbetriebene Powerbank für das Handy bei sich, weiß Miller. Das empfehle er auch den Kölnerinnen und Kölnern, aber darüber hinaus müssten auch Land und Bund im Notfall bereit sein. Die Feuerwehr Berlin hat das Konzept der „Katastrophenschutz-Leuchttürme“ entwickelt. Gemeint sind Anlaufstellen für die Bevölkerung, wenn etwa anhaltend der Strom ausfällt und das Handynetz zusammengebrochen ist. In Köln würden dann die Gerätehäuser der Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr zu kleinen Notfallzentren, „Leuchttürmen“ eben – „hellen Punkten auf der Landkarte“, wie Miller sagt. Hier gäbe es medizinische Hilfe, Notstromaggregate und ein Funknetz.
4. Wo finden Evakuierte Unterschlupf?
„Wie bringt man die Bevölkerung am sichersten unter, wenn ein Hochhaus einstürzt?“, fragt Angelika Schweimnitz. Sie hat sich auf den Philippinen umgesehen, einer besonders erdbebengefährdeten Region, zudem mit einem aktiven Vulkan, und sich auf einem Workshop mit Experten unter anderem aus Jordanien und Somalia ausgetauscht. Behilft man sich hierzulande vor allem mit kurzfristigen Lösungen wie Turnhallen, gebe es auf den Philippinen große Evakuierungszentren. „Man kann sich das vorstellen wie ein Hochhaus mit verschiedenen Ebenen für die Unterbringung von Menschen, auch mit einem separaten Kinderbereich“, sagt Schweimnitz. Statt Feldbetten würden Pop-up-Zelte genutzt. „Die bieten mehr Intimsphäre.“ Und dennoch: In Köln seien solche Zentren wohl nicht eins zu eins umzusetzen, sagt Schweimnitz. Der Bedarf auf den Philippinen sei zudem höher.
5. Wie ist die optimale Warnmeldung?
40 Liter Regen pro Quadratmeter in einer Stunde. 186 gefüllte Badewannen pro Minute. Ein Wirbelsturm mit 120 Kilometern pro Stunde. Kaum jemand kann sich plastisch vorstellen, wie viel oder wie schnell das ist. Trotzdem hört man diese Angaben im Wetterbericht und in behördlichen Warnmeldungen. „Da können wir von anderen lernen, von den USA zum Beispiel, die geben den Leuten passende Bilder dazu“, sagt Stefan Martini. Da heißt es dann zum Beispiel: So reißend wie der Mississippi. Oder: So stürmisch, dass Dächer wegfliegen können. Das Warnsystem in Deutschland ist bundeseinheitlich geregelt, lokale Ausnahmen sind also schwierig umzusetzen. Dennoch arbeite man derzeit daran, zum Beispiel in Abstimmung mit Radio Köln, Hörfunk-Warnungen in einfacherer, verständlicher Sprache zu entwickeln, sagt Miller.
6. Menschenrettung mit Drohnen
In Südkorea nutzt die Feuerwehr seit kurzem Drohnen, die Menschen retten, zum Beispiel aus Hochhauswohnungen, die mit Leitern nicht erreicht werden können. Auch hierzulande setzen Polizei und Feuerwehr Drohnen und Roboter ein, allerdings bislang nur, um gefährliche oder schwer zugängliche Bereiche zu kontrollieren. Personentransportdrohnen gibt das Luftverkehrsrecht in Deutschland (noch?) nicht her.
7. Wohin zieht eine Schadstoffwolke?
Es ist ein Worst-Case-Szenario: Nach einem Chemieunglück breitet sich eine Schadstoffwolke über Köln aus, Häuser müssen evakuiert werden. Aber weil nicht exakt vorhergesagt werden kann, wie schnell und wohin die Gase und Dämpfe ziehen, schicken die Retter die Menschen versehentlich mitten in die Giftwolke. Künftig soll künstliche Intelligenz genutzt werden, um noch genauere Prognosen zu erhalten über die Ausbreitung von Schadstoffen in der Luft. „Solche leistungsfähigen Modelle haben wir heute noch nicht“, sagt Miller. „Aber wir haben die Idee, dass wir das, was weltweit an Forschung dazu betrieben wird, sammeln und für uns nutzbar machen.“ Auch Forschung, die aus einem ganz anderen Bereich kommt, zum Beispiel Windsimulationen, um Gebäudefassaden zu optimieren.