Per Klick mit Allah verbundenSo erleben Muslime aus Köln den Ramadan in der Krise
- Seit dem 9. Mai haben die Moscheen in der Corona-Krise eingeschränkt und unter strengen Hygiene-Auflagen wieder ihren Betrieb aufgenommen.
- Dennoch erleben viele Muslime den Fastenmonat Ramadan, er am 23. April begonnen hat und kommendes Wochenende im Fastenbrechen-Fest „Id al Fitr“ gipfelt, deutlich anders.
- Wie genau die Gläubigen mit der Krise umgegangen sind und immer noch umgehen, erfahren Sie hier.
Köln – Auf dem meerblauen Teppichboden der Ehrenfelder Zentralmoschee markieren Klebestreifen die Stellen, an denen die Gläubigen ihre Gebetsteppiche auslegen dürfen. Der Muezzin ruft und füllt das lichtdurchflutete Gebäude mit seinem Gesang aus. Er trägt eine Maske: So wie die rund 40 betenden Männer, die sich hier zum Mittagsgebet versammelt haben. Die Frauen knien in einem separaten Bereich. Alle richten den Blick konzentriert auf die Fensterwand – in Richtung Mekka. „Verehrte Geschwister, bitte halten Sie zwei Meter Abstand“, sagt Muezzin Gökhan Uygur ins Mikro.
Seit dem 9. Mai haben die Moscheen eingeschränkt und unter strengen Hygiene-Auflagen wieder ihren Betrieb aufgenommen. Der Koordinationsrat der Muslime, ein Zusammenschluss der sechs größten islamischen Verbände in Deutschland, hat für die schrittweise Öffnung einen detaillierten Maßnahmenkatalog erarbeitet.
Rituelle Waschungen in den Sanitäranlagen sind verboten
Am Eingang der Ditib-Moschee stehen daher Spender mit Desinfektionsmitteln. Formulare liegen zur Erfassung von Kontaktdaten aus. Die rituellen Waschungen in den Sanitäranlagen sind zunächst verboten. Für die Muslime ist im diesjährigen Fastenmonat Ramadan, der am 23. April begonnen hat und am kommenden Wochenende im Fastenbrechen-Fest „Id al Fitr“ gipfelt, alles anders: „Normalerweise besucht man alte Menschen, die alleine sind. Das ist wegen Corona weggefallen, genauso wie die Versammlungen in der Moschee oder im familiären Kontext“, sagt Ditib-Sprecherin Ayse Aydin.
Traditionell wird abends, wenn die Sonne untergeht, reichhaltig mit Freunden und Familie gespeist. „Das Fastenbrechen ist eigentlich das Non-Plus-Ultra im Ramadan“, sagt Zekeriya Altuğ, Ditib-Abteilungsleiter für Außenbeziehungen. Auch die Nachtgebete in der Moschee seien sehr beliebt, da eine besonders emotionale Atmosphäre herrsche. Das habe den Menschen sehr gefehlt.
Gotteshäuser zunächst nur drei statt fünf Mal täglich zugänglich
Statt traditionell fünf Mal, waren die Gotteshäuser zunächst nur drei Mal täglich zugänglich. Auch besondere Gebete wie das Freitagsgebet sind bisher entfallen und erst ab kommendem Freitag wieder „unter Beibehaltung der Auflagen“ möglich und „wenn die lokalen Verhältnisse dies ermöglichen“.
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Es ist ein Ramadan, „der stärker in die Familien hineinverlegt worden ist, was auch etwas Positives hat, gerade für die Kinder“, findet Sprecherin Aydin.
Eine Chance in der sozialen Enthaltsamkeit
Das kann auch eine 30-Jährige alleinerziehende Muslimin aus Köln bestätigen, die anonym bleiben möchte. „Kinder sind beim gemeinsamen Fastenbrechen zwar willkommen. Da es aber relativ spät ist, ist mein Kind schon müde. Daher habe ich die Moscheen nicht erheblich vermisst.“ Also sei sie auf Online-Angebote ihrer Islamschule ausgewichen.
„Man klickt und ist verbunden. Die Verbindung zu Allah braucht keinen Umweg über die Moschee“. In der sozialen Enthaltsamkeit sieht sie eine Chance: „Die Krise hat die Menschen in meinem Umfeld in zwei geteilt. Eine kleine Gruppe hat ständig nur gejammert. Die andere ist aufgeblüht und hat die Zeit genutzt, um in sich zu kehren. Ich bin eine von denen.“ Sie habe auf einmal mehr darüber nachgedacht, wie sie ihr Leben zukünftig leben möchte.
Digitale Ersatzangebote wie Online-Koranrezitationen
Wie in anderen Bereichen, florieren auch in den muslimischen Gemeinden digitale Ersatzangebote wie Online-Koranrezitationen, die laut Altuğ ein wenig Moschee-Feeling erzeugen konnten. In der Gemeinde des Liberal-Islamischen Bundes führe der digitale Notbehelf sogar dazu, dass ältere Mitglieder, die sonst den Weg quer durch die Stadt scheuten, wieder häufiger am Gemeindeleben teilnehmen, erzählt Imamin Rabeya Müller. Die kleine Gemeinde trifft sich normalerweise in der Lutherkirche in der Südstadt. „Der Raum ist nicht groß genug, deswegen haben wir uns bisher nicht wieder versammelt“.
Für die 63-Jährige sei die Nachricht, dass man keine Präsenzgottesdienste mehr durchführen dürfe, ein Schock gewesen. „Wir sind alle froh, wenn wir es geschafft haben, die Fastenzeit unter diesen besonderen Umständen hinter uns zu bringen“. Nun aber freue sie sich auf das Fest am Wochenende im engen Kreise ihrer Familie.