Events, Richter-Fenster und FrauenSo tickt der neue Kölner Dompropst Guido Assmann
- Guido Assmann wird am 20. September als neuer Kölner Dompropst eingeführt.
- Die offizielle Verabschiedung seines Vorgängers Gerd Bachner findet an diesem Sonntag statt.
- Was denkt Assmann über Events im Dom? Über Kardinal Woelki und Frauen in der Kirche? Wir haben nachgefragt.
Monsignore Assmann, schon seit dreieinhalb Jahren gehören Sie „nicht residierend“ dem Domkapitel an. Kann die Überraschung, dass Sie zum Propst gewählt worden sind, da so groß gewesen sein? Assmann: Sie können den Bekannten fragen, mit dem ich gesprochen hatte, kurz bevor die Nachricht kam, dass die Wahl auf mich gefallen sei. Dem habe ich gesagt: „Es gibt so wenige Priester im Bistum. Warum sollte man einen aktiven Pastor aus der Gemeindeseelsorge heraus an den Dom holen?“
Gute Frage! Warum eigentlich?
Da bin ich jetzt natürlich der Falsche das zu sagen. Ich war ja an den Überlegungen und an der Wahl nicht beteiligt.
Aber Sie hätten sie ablehnen können.
Ich habe um Bedenkzeit gebeten. Ich war gerne Pastor. Von meiner eigenen Zeit als Messdiener an bin ich in der Pfarrseelsorge groß geworden, die mir vertraut ist und wo ich gern noch manche Projekte fortgesetzt hätte. Jetzt kommt eine Aufgabe auf mich zu, die ich nicht kenne. Andererseits ist es schon etwas Besonderes, wenn das Kapitel als ein Kreis von Priestern des Bistums, die am Dom und im Erzbistum wichtige Aufgaben haben, mir das zutraut.
Also?
Das ist vielleicht das Gute in der katholischen Kirche: Ich habe dem Bischof bei der Priesterweihe Gehorsam versprochen. Vor jedem Stellenantritt habe ich meine Bedenken oder Einwände offen formuliert. Aber der letzte Satz war immer: „So, und nachdem ich das alles gesagt habe, entscheiden jetzt Sie, und dann mache ich das.“ So auch jetzt.
Dessen ungeachtet, bleibt die Lücke in der Pfarrseelsorge bestehen.
Ich kann noch nicht einschätzen, wie ausgelastet wir Domkapitulare mit den priesterlichen Aufgaben ausschließlich für den Dom sind. Vielleicht ist es künftig nicht mehr richtig, dass wir – abgesehen von den Weihbischöfen, dem Generalvikar und dem Offizial – einzig an die Kathedrale gebunden sind. Vielleicht sollten wir zusätzlich einen größeren Bereich und andere Aufgaben in den Blick nehmen. Bei all den Veränderungen in der Kirche und der Gesellschaft lohnt es sich womöglich, auch die Definition eines „residierenden Domkapitulars“ zu überprüfen. In den Pfarreien geschieht so etwas ja schon permanent: Ich war Pfarrer von vier Pfarreien, mein Nachbar in Grevenbroich hat sogar 21 Pfarreien. Bislang hieß es immer: Ein Pfarrer soll in seiner Pfarrei wohnen. Dafür spricht ja auch vieles. Aber wenn er 21 Pfarreien hat – wie soll er das machen?
Sie wollen sagen: So kann es nicht mehr weitergehen?
Wir können die Zukunft der Pfarreien jedenfalls nicht mehr an der Zahl der Priester festmachen. Viele Aufgaben müssen künftig in der Verantwortung engagierter Laien liegen – in der Katechese, aber auch in den Gremien. Wichtig ist dafür das gegenseitige Vertrauen.
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Bedeutet das auch echte Leitungskompetenz, also Entscheidungsbefugnis?
Die Frage nach der Gemeindeleitung muss sicher beantwortet werden. Aber verstehen auch alle das Gleiche darunter? Ich würde „Gemeinde“ gern von dem Ort her definieren, an dem Christen sich zur Messfeier versammeln. Und ich bin überzeugt, es werden sich immer Menschen finden, die dort für diese Gemeinschaft Verantwortung übernehmen möchten. Die muss nicht immer an einen Priester gebunden sein. Man sollte auch danach fragen, was dem Einzelnen liegt. Nicht jeder Priester kann gut predigen, nicht jeder Priester kann gut leiten. Aber wer es kann, dem sollte man die Leitung dann auch nicht ohne Weiteres wegnehmen.
Wenn es stimmt, dass mancher Laie besser predigen kann als mancher Priester – bekommen wir das bald auch am Dom zu hören?
Das ist außerhalb der Messfeier denkbar, ja. Wir brauchen vielfältige Formen der Ansprache. Da ist längst noch nicht alles ausprobiert. In der Messe allerdings ist die Personaleinheit von Vorsteher der Eucharistie und Verkünder des Wortes schon wesentlich. Aber diese Verbindung macht den Zelebranten nicht automatisch zum besseren Prediger – das ist auch ganz klar.
Ihr Vorgänger hat den Dom für ungewöhnliche, auch spektakuläre Veranstaltungsformate geöffnet. Werden Sie diesen Kurs fortsetzen?
Zunächst ist der Dom ein Gotteshaus, das man dem Profanen entzogen und Gott geschenkt hat. Aber der Dom ist von Menschen gebaut. Er muss von Menschen gefüllt, gepflegt und geprägt werden. Und nicht jeder muss unsere Vorstellung von diesem Raum teilen. Es kommen bestimmt Menschen in den Dom, die sagen: „Ich verstehe nicht alles hier, manches lehne ich sogar explizit ab. Aber was ich gehört und gesehen habe, fand ich interessant.“ Oder, vielleicht noch besser formuliert, „glaubwürdig“. Das ist eine große Chance, die ich nutzen möchte. Ohne uns zu verbiegen oder klein zu machen, können wir vieles ausprobieren – und schauen, was davon klappt. Aber nur ein Event, um die Leute in den Dom zu holen – das wäre mir zu wenig.
Stört es Sie, wenn auch Nicht-Katholiken von „unserem Dom“ sprechen?
Im Kleinen kenne ich das vom Quirinusmünster in Neuss auch so. Eine evangelische Pfarrerin sagte zur 800-Jahr-Feier der Grundsteinlegung 2009: Das ist auch unsere Kirche, einmal als prägendes Element der Stadtsilhouette, aber auch, weil diese Kirche schon Jahrhunderte stand, bevor es zur Kirchenspaltung kam.“ Das ist ein schöner Gedanke. Ich finde, es tut auch der säkularen Gesellschaft gut, Räume zu haben, die nicht verzweckt werden. Deshalb steht der Dom allen offen. Niemand wird beim Hereinkommen nach seinem Glaubensbekenntnis gefragt.
Worin sehen Sie zum Amtsantritt Ihre größte Herausforderung?
Ich hoffe, dass ich nicht nur am Schreibtisch sitzen muss, sondern Seelsorger bleiben kann – im Dom und am Dom und um den Dom herum. Ich bin gewiss nicht „der Pastor des Doms“. Aber wenn ich das Pastor sein aufgeben müsste, dann wäre das für mich nicht gut.
Wird es weiterhin Domschweizerinnen geben?
Klar! Wieso denn nicht? Ich sehe keinen Grund, das wieder abzuschaffen.
Haben Sie einen Lieblingsort im Dom?
Die Stelle, an der ich vor 30 Jahren, am 1. Juni 1990, zum Priester geweiht worden bin, hat für mich etwas Besonderes. Ich kniete und lag rechts vom Altar, der damals noch anders aussah, auf einem Teppich, der heute auch ein anderer ist. Ich kann das gar nicht so genau erklären. Aber hier hat es mich immer hingezogen, wenn ich in den Dom gekommen bin. Mit der Zeit wird sich jetzt sicher auch ein Plätzchen finden, wo ich mich gern hinsetze und zur Ruhe komme.
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Rechts oben von dem Ort Ihrer Priesterweihe kam 2007 noch etwas Neues hinzu: das Richter-Fenster. Mögen Sie es?
Als Fenster sagt es mir nicht viel. Aber es lohnt nicht mehr, sich noch darüber aufzuregen. So wird es immer sein, wenn sich etwas ändert. Denken Sie nur an die Diskussionen nach dem Brand von Notre-Dame in Paris. Das Richter-Fenster ist jetzt da. Es gibt ein wunderschönes Licht, wenn die Sonne hindurchscheint. Und viele Menschen kommen, um es sich anzusehen.
Wie gut kennen Sie den Dom schon?
Bestimmt noch nicht gut genug. Deshalb freue mich darauf, mir von den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihre Lieblingsstellen oder ihre Geheimtipps zeigen zu lassen.
Werden Sie auch einmal auf die Kreuzblume klettern?
Nein, es war ja schon ein Dompropst oben. Da muss der neue einen anderen Ort finden, an dem noch keiner war (lacht).
Ihre Vorgänger waren allesamt selbstbewusste Persönlichkeiten, auch gegenüber dem jeweiligen Erzbischof. Wie verstehen Sie Ihre Rolle im Verhältnis zu Kardinal Woelki?
Ich kenne Kardinal Woelki seit vielen Jahren, auch schon aus seiner Zeit als Weihbischof, und ich hoffe auf ein auch weiterhin vertrauensvolles Verhältnis. Aus meiner Zeit in der Pfarrei weiß ich, wie wichtig es ist, Menschen um sich zu haben, die einem unter vier Augen offen sagen, was sie nicht gut finden, und mit denen man auch mal etwas „ins Unreine“ diskutieren kann. Natürlich kann ich von mir aus nicht sagen, ob ich für den Erzbischof derjenige sein werde. Letztlich muss ja er das wissen, und es wäre Selbstüberschätzung, das zu beanspruchen. Aber ich glaube, generell ist solch ein Gegenüber umso wichtiger, je höher die Position ist, die jemand bekleidet.
Dass die Kirche in einer Krise ist, ist unübersehbar. Woran liegt das?
Wir schaffen es oft nicht, das Schöne am Glauben so zu transportieren, dass es bei einer großen Zahl von Menschen noch ankommt. Die Sprache, die Art des Auftretens, die Uneinigkeit und der Streit untereinander – das macht es schwer, den Menschen etwas von gemeinsamen Überzeugungen zu vermitteln. So verlieren wir auch an Relevanz in der Gesellschaft. Der Glaube wird zunehmend privater. Persönlich sollte der Glaube immer sein. Aber privat ist noch mal etwas anderes.
Wie glauben Sie, das ändern zu können?
Ich kann verstehen, dass es heutzutage manchen schwerfällt, sich öffentlich zum Glauben und zur Kirche zu bekennen, wenn sie dafür schief angeguckt werden oder abschätzige Bemerkungen zu hören bekommen. Aber schade ist das. Umso mehr ist es mir ein Anliegen, diejenigen in ihrem Selbstbewusstsein als gläubige Katholiken zu stärken, die noch die Gottesdienste besuchen und am Gemeindeleben teilnehmen.
Mangelt es an Zeugnisfähigkeit oder an Möglichkeiten der Identifikation mit der Kirche?
An beidem. Allerdings finde ich, dass so etwas wie Stolz in den Gemeinden durchaus noch vorhanden ist: bei den Jugendlichen, die das Wort „Messdiener“ auf T-Shirts drucken lassen, ebenso wie bei den Ehrenamtlichen, die nach dem Pfarrfest den Erlös an ein karitatives Ziel überweisen.
Sie sagten, es gebe zu viel Streit. Aber muss um die Kirche der Zukunft nicht auch gerungen werden, so wie das derzeit auf dem „Pastoralen Zukunftsweg“ des Erzbistums oder auch auf dem „Synodalen Weg“ der ganzen deutschen Kirche versucht wird?
Es stimmt. Vielfalt der Meinungen ist an sich nichts Schlechtes. Einigkeit braucht es im Bekenntnis des Glaubens, in den Sakramenten.
Was erwarten Sie vom Synodalen Weg?
Miteinander zu sprechen, ist immer gut. Dann kann man immer noch auseinander gehen und sagen: „Wir sind nicht übereingekommen. Aber wir haben zumindest voneinander verstanden, was uns bewegt und warum jeder von uns denkt, wie er denkt.“ Schön wäre es, wenn Themen des Glaubens so angesprochen würden, dass die Menschen wieder Geschmack daran finden. Meine Sorge jedoch sind zu hohe Erwartungen, die am Ende nicht erfüllt werden. Wenn die Enttäuschung hinterher größer ist als vorher, ist das Gegenteil von dem erreicht, worum es auf dem Synodalen Weg gehen soll. Der Schaden, der entstünde, wäre dann größer als der Nutzen.
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Die Frauen in der Kirche tun sich zunehmend schwer damit, dass über ihre Rolle oder eine Öffnung der Weiheämter – wenn überhaupt– nur geredet wird, aber nichts passiert.
Wenn dieses eine theologische Thema alles überlagern und an der Frage, ob Frauen künftig zu Diakoninnen oder Priesterinnen geweiht werden dürfen, die gesamte Wahrnehmung des Synodalen Weges hängt, dann ist er eine Totgeburt. Zur Rolle der Frauen in der Kirche habe ich als Pfarrer einmal den Frauenanteil in Leitungsfunktionen unserer Gremien abgefragt. Das ist zwar etwas im Sande verlaufen, aber als Zwischenergebnis habe ich herausbekommen: In zwei von vier Kirchenvorständen sind Frauen die geschäftsführenden Vorsitzenden, und auch im Katholikenrat ist eine Frau die Vorsitzende. Das sind wichtige und einflussreiche Stellungen.
Warum sagt die Kirche nicht einfach: Männer und Frauen sind gleichberechtigt?
Die Lehre der Kirche lautet, dass sie keine Vollmacht hat, Frauen zu weihen. Ich sehe aber sehr wohl, dass diese Position nicht von allen geteilt wird. Es muss uns gelingen, ohne Ablenkung vom Thema über die gleiche Würde aller Menschen zu sprechen. Diese Würde erhält man nicht durch ein Amt oder eine demokratische Wahl. Vielmehr kommt sie unverbrüchlich und unwiderrufbar von Gott selbst. Da gibt es dann kein „besser“ oder „schlechter“ qua Geschlecht oder qua Funktion.
Gleiche Würde, aber nicht die gleichen Rechte?
Auch als Staatsbürger habe ich nicht in allem die gleichen Rechte. Zum Beispiel durfte ich bis jetzt in Neuss den Bürgermeister wählen, aber nicht in Köln. Und was nun die Priesterweihe betrifft, so hat auch ein Mann kein Recht darauf.
Aber die Möglichkeit.
Nicht aus eigenem Antrieb, sondern kraft göttlicher Berufung und ihrer Bestätigung durch die Kirche.
Zum Schluss noch einmal zurück zum Dom. Wie halten Sie es mit den Diskussionen über den Dom als Teil der Altstadt?
Zum einen finde ich es schade, dass nicht alle den Respekt an den Tag legen, den der Dom verdient. Dass Schutzgitter gebaut werden mussten wie jetzt auf der Nordseite, ist im Grunde traurig – auch wenn das Gitter künstlerisch schön ist. Zum anderen muss ich mich in ein so wichtiges Thema wie die „Historische Mitte“ noch einarbeiten. Erster Schritt: Ich ziehe in eine Wohnung im Kurienhaus am Roncalliplatz, das auf dem Gebiet der geplanten Historischen Mitte liegt, und schaue mir das Ganze mal von oben an – mit einem der schönsten Blicke auf den Dom.