Erdogans Propaganda-Arm?Kölner Stiftung lenkt Bau türkischer Schulen in Deutschland
- Die Türkei plant, Schulen in deutschen Großstädten zu eröffnen – auch in Köln.
- Der Plan löste eine Debatte und Besorgnis aus. Kritiker sprechen von einem bildungspolitischen Propaganda-Instrument Erdogans.
- Unsere Recherche zeigt, dass eine Stiftung mit Sitz in Köln den Aufbau der türkischen Schulen vorbereiten soll.
- Jetzt alle exklusiven Hintergründe lesen.
Köln – Die Adresse zählt zu den besten Lagen in Köln. Oppenheimstraße 7. Zwischen Zoo und Rhein. In der ehemaligen denkmalgeschützten Zapf-Villa auf dem markanten dreieckigen Grundstück zwischen der Oppenheimstraße, der Elsa-Brandström- und der Riehler Straße hat seit April 2019 der neue Europa-Ableger einer höchst umstrittenen Stiftung seinen Sitz: die Maarif Europe gGmbH.
Von der Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen rückt der Ableger der türkischen Maarif-Stiftung im Zuge der Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und der Türkei über ein Abkommen, das die Gründung türkischer Auslandsschulen in Deutschland ermöglichen soll, in den Fokus.Die Türkei will zunächst drei Schulen ins Leben rufen – in Köln, Berlin und Frankfurt/Main, den Städten mit dem höchsten Anteil türkischstämmiger Menschen in der Bundesrepublik.
Kontrolle über Gülen-Schulen sichern
Ein Entwurf des geplanten Abkommens liegt derzeit den Ländern zur Prüfung vor. Die haben zahlreiche rechtliche Bedenken, befürchten, dass die Türkei über die Schulen ideologischen Einfluss auf Schüler mit Migrationshintergrund nehmen könnte. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sieht das anders, verweist auf die Schulaufsicht als Kontrollinstanz. Er will das Abkommen, um damit die Existenz der drei gefährdeten deutschen Auslandsschulen in der Türkei – in Ankara, Istanbul und Izmir – zu sichern.
Der Druck Ankaras, mit Hilfe der Maarif-Stiftung im Ausland die Kontrolle über die Schulen zu gewinnen, die zur Bruderschaft des islamischen Predigers Fethullah Gülen gehören, ist immens. Staatspräsident Recep Tayip Erdogan macht seinen ehemaligen Verbündeten für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Auch in Deutschland und anderen westlichen Ländern hat Ankara immer wieder versucht, die Gülen-Schulen, für die Erdogan bei seinem Deutschland-Besuch vor zehn Jahren noch geworben hatte, zu übernehmen. Ohne Erfolg.
Die Maarif-Stiftung
Die Maarif-Stiftung wurde im Juni 2016 kurz vor dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei gegründet, für den Staatspräsident Erdogan den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen verantwortlich macht. Die Stiftung hat die Aufgabe, weltweit die Kontrolle über die Gülen-Schulen im Ausland zu übernehmen. Bislang ist das bei knapp 200 Schulen gelungen. Überdies hat die Stiftung bisher rund 70 eigene Schulen gegründet, unterhält Bildungseinrichtungen in 21 Ländern, die meisten in Afrika, auf dem Balkan und in Zentralasien. Der neue Europa-Ableger mit Sitz in Köln will nach eigenen Angaben auch Kindertagesstätten betreiben, die Maarif-Europe Kids genannt werden und „mindestens dreisprachige Angebote“ (Deutsch, Englisch, Türkisch) mach sollen.
Jetzt also der Maarif-Europa-Ableger. Seit ihrer Gründung in der Türkei vor knapp vier Jahren hat die Stiftung von der Gülen-Bewegung mehr als 200 Schulen mit über 10.000 Schülern in 28 Ländern übernommen. Auf der Website ist heute von 315 Bildungseinrichtungen in 41 Ländern die Rede. Zuletzt erhielt sie die Erlaubnis, in der ungarischen Hauptstadt Budapest eine Grundschule und ein Gymnasium zu eröffnen, das mit 240 Schülern im Schuljahr 2020/21 starten soll. Nach einem Bericht der „Neuen Zürcher Zeitung“ ist die Stiftung auch in dem von der Türkei besetzten „Sicherheitsstreifen“ in Nordsyrien präsent. Offiziell sei lediglich von logistischer Unterstützung der dort nach dreijährigem IS-Terror wiedereröffneten Schulen die Rede, so die Zeitung. „Auf deren Eingangsschildern prangt aber neben der syrischen auch die türkische Fahne – und einen türkischen Namen haben sie auch schon, über dem zuweilen auch das Stiftungslogo steht.“
Der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck, inzwischen als Lehrbeauftragter am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (Ceres) der Ruhr-Universität Bochum tätig, ist angesichts der Maarif-Offensive alarmiert. „Ob die Berichte über die Verhandlungen zu geplanten türkischen Schulen in Deutschland den letzten Stand wiedergeben, scheint fraglich“, sagt er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Die Türkei stehe mit der deutschen Maarif-Tochter in Köln längst in den Startlöchern. „Die Bundesregierung darf hier nicht naiv an die Sache herangehen: Die Türkei will über Moscheen, Schulen, das Amt für Auslandstürken und die SETA- Stiftung ihre Diasporapolitik betreiben, Integration torpedieren und türkeistämmige Europäer an der nationalistischen Propaganda der AKP ausrichten“, so Beck. Eine türkische Schule unter staatlicher deutscher Aufsicht könne zwar reguliert werden, „aber der Konflikt ist von Anfang an angelegt. Die nationalistischen Intentionen der AKP-Türkei passen nicht zu den Grundlagen des deutschen Schulrechts.“
Was genau der deutsche Maarif-Ableger vorhat, geht aus dem Handelsregister-Eintrag hervor. Danach ist es das Ziel der Gesellschaft, „Kinder und Jugendliche von der frühen Kindheit bis hin zum Übergang in Ausbildung, Beruf oder Studium in ihrer Bildung und Entwicklung zu begleiten“. Das soll unter anderem durch die Einrichtung von Kindertagesstätten geschehen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Maarif-Geschäftsführerin Ece Sarisaltik-Aydin hat Politikwissenschaft und Pädagogik studiert und seit dem Jahr 2000 hauptamtlich beim Verein „Coach e.V.“ gearbeitet, einer Kölner Initiative für Bildung und Integration junger Migranten, und sich unter anderem mit Bildungsprojekten befasst.Viel Beachtung fand das sogenannte „Rucksackprojekt“ vor knapp sechs Jahren, bei dem fast 200 Mütter in mehr als 20 Kitas und einem Dutzend Grundschulen in wöchentlichen Treffen den Unterrichtsstoff ihrer Kinder kennenlernten – in ihrer eigenen Sprache. Für eine Stellungnahme war die Geschäftsführerin am Sonntag nicht zu erreichen.
Ersatzschulen stehen unter Aufsicht
Klar ist laut Gesellschaftszweck der Maarif Europe gGmbH auch: Sollte es zur Gründung türkischer Schulen in Köln, Berlin und Frankfurt/Main kommen, wird das unter ihrer Federführung geschehen. Es gehe um „die Errichtung, Erhaltung und den Betrieb von Privatschulen“, heißt es. Der deutsche Ableger der türkischen Stiftung hat den Anspruch, auf sämtlichen Feldern der Bildung mitzuspielen einschließlich der Vergabe von Stipendien „bis zur universitären Ausbildungsphase“.
Doch wie realistisch ist es, dass es der deutschen Schulaufsicht gelingt, die Kontrolle über die Lehrmethoden und das Personal möglicher türkischer Auslandsschulen in privater Trägerschaft beispielsweise der Maarif-Stiftung zu behalten? Als sogenannte Ersatzschulen sind sie verpflichtet, Lerninhalte zu ermitteln, die mit öffentlichen Schulen zu vergleichen sind. Sie brauchen eine staatliche Genehmigung und unterliegen der Schulaufsicht. Das Auswärtige Amt hält die Rechtsform der Ersatzschule daher für ausreichend, um türkeistämmige Kinder und Jugendliche vor ideologischer Einflussnahme zu schützen.
Volker Beck bezweifelt das. „Die Schulpolitik sollte eher den tatsächlichen Bedarf an Türkisch-Unterricht erheben und entsprechend ein Sprachangebot in den staatlichen Schulen bereit halten“, sagt der Religionswissenschaftler. „Dass das Beherrschen der türkischen neben der deutschen Sprache eine zusätzliche Qualifikation ist, kommt bisher gesellschaftlich zu wenig zum Ausdruck.“