Kommentar zu türkischen SchulenDie Aufsicht wird schwierig
Köln – Wer Kredit verspielt hat, bekommt nur ungern Vorschuss gewährt. Was beim Geld der Fall ist, gilt fast noch mehr noch für das Vertrauen – unter Menschen wie zwischen Institutionen und Staaten. Das macht es so schwer, das Ansinnen der Türkei zur Errichtung von Auslandsschulen in Deutschland als Bereicherung des Angebots zu verstehen oder gar als Ausdruck jener Vielfalt im Bildungssektor zu begrüßen, die das Grundgesetz ausdrücklich gewährleistet.
Auch wenn der türkische Staat solche Schulen nicht selbst betreiben kann, wird Ankara mühelos private Vereine finden oder gründen lassen, die dann als (gemeinnützige) freie Träger auftreten. Was sich übrigens praktisch nicht von der Organisationsform unterscheidet, in der Deutschland seine 140 Auslandsschulen in allen Teilen der Welt unterhält – auch in der Türkei. Und da greift im zwischenstaatlichen Miteinander neben der Rechtsstaatlichkeit auch das Reziprozitätsprinzip. Einfacher gesagt: Was du von anderen erwartest, das musst du ihnen auch gewähren.
Allerdings hat gerade die Türkei unter der autokratischen Führung von Präsident Recep Tayyip Erdogan in der jüngeren Vergangenheit viel dafür getan, das Vertrauen in die Lauterkeit ihres Agierens auf deutschem Boden zu erschüttern. Wiederholt beanspruchten Vertreter der Regierung der herrschenden AK-Partei demokratische Standards wie Rede-, Meinungs- oder Religionsfreiheit, die sie Oppositionellen, Kritikern, ethnischen oder religiösen Minderheiten im eigenen Land nicht zugestehen – im Gegenteil.
Und auch mit der Staatsferne scheinbar zivilgesellschaftlicher Institutionen wie der Türkisch-Islamischen Union Ditib ist es nicht weit her. Das hat nicht nur der Skandal um türkische Imame der Ditib bewiesen, die für Ankara Spitzeldienste leisteten, sondern vor allem auch die offizielle Eröffnung der Ditib-Zentralmoschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld vor etwas mehr als einem Jahr. Rücksichtslos funktionierte Erdogan den Bau, der als Symbol der Integrationswilligkeit und -fähigkeit türkischstämmiger Bürger islamischen Glaubens gedacht gewesen war, zu einer Demonstration nationaler Selbstbehauptung um. Assimilation sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, hatte Erdogan schon vor zehn Jahren in Köln seine „verehrten Mitbürger“ als „unsere verehrten Botschafter“ gewarnt, „die ihr den Duft der anatolischen Erde bis nach Deutschland getragen habt“.
Wer wollte da glauben, dass türkische Schulen auf deutschem Boden heute andere Duftmarken setzen wollen – solche etwa, die hiesige Lehrpläne für die Vermittlung von Grundwerten, Gleichheitsrechten, politischer, weltanschaulicher, sexueller Vielfalt setzen? In türkischen Schulen als Orten der geistigen Abschottung würde die Werteordnung des Grundgesetzes unter dem Deckmantel einer formalen Legalität unterlaufen.
Das mit den Mitteln der Schulaufsicht zu verhindern wird sich in der Praxis als sehr viel schwieriger erweisen, als Außenminister Heiko Maas es in einer Stellungnahme zum Stand der Verhandlungen nahelegt. Aber anders wird es nicht gehen. Auf Vertrauensbasis schon gar nicht.