Köln verkauft sich unter Wert – das wird schon seit sehr langer Zeit beklagt. Viele sehen den Grund dafür in der Politik und der Verwaltung. Und ihrem gestörten Umgang miteinander.
Kritik an Stagnation in der Stadt Köln„Es passiert einfach nichts. Das ist dramatisch“
Wenn irgendeine Zustandsbeschreibung Kölns die Bezeichnung „Mantra“ verdient, dann diese: Die Stadt hat alle Möglichkeiten, nutzt sie aber nicht. Die chronische Unterperformanz ist seit Jahrzehnten Merkmal und Makel. Und der vielleicht noch größere Makel ist, dass es einfach so bleibt. Wichtige Akteure der Stadtgesellschaft sehen Politik, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger erstarrt in Blockade, Resignation und Selbstzufriedenheit. Sie haben klare Vorstellungen, wie der Stillstand durchbrochen werden muss.
„Über Jahre passiert einfach nichts. Das ist dramatisch“, sagt Garrelt Duin, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. Zwischen Verwaltung und Politik herrsche „ein ziemliches Durcheinander, weil es keine klaren Botschaften gibt.“ Der Stadtvorstand, also Oberbürgermeisterin Henriette und die Dezernentinnen und Dezernenten, müsse eine Führung vorgeben. „Ich weiß um ihre individuellen Bemühungen, aber sie sind Einzelkämpfer“, bilanziert Duin. Die Politik wiederum sei mit kleinteiligen Vorhaben befasst als mit umfassenden Visionen.
Die wirtschaftspolitische Kompetenz im engagierten, aber dennoch fast ausschließlich ehrenamtlich tätigen Stadtrat sei „mäßig“. „Oft stehen parteipolitische Interessen vor dem Gemeinwohl.“ Die Parteien würden der Handwerkskammer und anderen Institutionen immer zuhören. „Aber entschieden wird dann, ohne uns zu fragen“, sagt Duin. Und auch die Bürgerinnen und Bürger seien „zu schnell zufrieden: Conference League reicht ihnen, dabei gibt es noch zwei Ligen darüber“, bemüht er ein Bild aus dem Fußball. Köln brauche ein langfristiges Gesamtbild, hinter dem sich auch die Bürger versammeln könnten. Beginnen würde er mit den schmuddeligen Ecken in der Stadt. Wenn sie verschwänden, schaffe das Identität und Motivation in allen Ebenen.
„Es muss ein Ruck durch die Stadt gehen, und den sehe ich in der Politik nicht im Ansatz“, urteilt Hans Jörg Depel vom Mieterverein Köln. Die Politik müsse erkennen, wo die Verwaltung Probleme habe, und Möglichkeiten zur Lösung gewähren. Etwa mehr Mittel, um den Personalnotstand zu beheben. Das wiederum würde Verwaltungsvorgänge beschleunigen. „Ich erwarte eine bessere Verknüpfung von der Verwaltung und der Politik“, sagt Depel. „Das bunte Bild der Stadt ist nur noch Folklore“, da für viele, etwa Familien, das Leben in Köln zu teuer sei. Hier brauche es eine Solidarität unter den Bürgern, die etwa neuen Wohnraum auch vor der eigenen Haustür gestatten müssten.
„Wir hatten noch nie so eine politisierte Verwaltung“, befindet Thomas Tewes, Hauptgeschäftsführer des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins. Wichtige Posten würden nach Parteibuch vergeben, „jeder kocht sein eigenes Süppchen, einige Dezernenten arbeiten gegeneinander.“ Oberbürgermeisterin Henriette Reker müsse „Führung zeigen und die Reihen ihrer Dezernenten schließen.“ Dazu komme das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt, das sich „gegenseitig blockiert“. Deshalb würden wichtige Projekte wie im Schul- und Wohnungsbau oder in der Verkehrspolitik nicht beschlossen, sondern immer weiter von Ratssitzung zu Ratssitzung geschoben. Über allem schwebe die Klimaneutralität Köln bis 2035, Visionen in anderen Bereichen blieben auf der Strecke. Dabei sei es Aufgabe der Politik, klar zu sagen, „wo steht Köln in 40 Jahren“ und der Verwaltung alle Möglichkeiten zu geben, Visionen auch umzusetzen. „Die Blockade zwischen Verwaltung und Politik muss aufgelöst werden“, sagt Tewes.
„Das Gestaltungsbündnis vergisst zu gestalten“, sagt auch Frank Deja von der Bürgerinitiative „Köln kann auch anders“ über die grün-schwarz-lila Zusammenarbeit im Stadtrat. Das sei erstaunlich, weil nach der vergangenen Kommunalwahl 2020 das Gremium mit vielen neuen Gesichtern besetzt wurde, die aber offenbar in alte Lethargien verfielen. „Die Politik macht viel Verwaltung und die Verwaltung viel Politik.“ Zudem müsse der Rat pragmatischer Politik machen. Die Parteien sollten bei inhaltlichen Differenzen wie in der Sozialpolitik durchaus streiten. In Bereichen, in denen es zumindest im Grundsatz Konsens gibt, soll jedoch „ohne Parteitaktik“ abgestimmt werden. „Der Stadtrat muss seine eigene Lähmung und die in der Verwaltung erkennen und Mut zur Veränderung haben“, fordert Deja. Zumal auch aus der Bürgerschaft Druck käme, etwa bei Großbauprojekten. Doch trotz dieses Drucks passiere wenig bis nichts, weil die Politik um sich selbst kreise und die Verwaltung in komplizierten Zuständigkeitsstrukturen hänge. „Köln hat unglaublich viel Potenzial, und es geht einfach nichts voran“, sagt Deja.