Das Versagen der Stadt am 11.11. fügt sich in einen bitteren Gesamtbefund: Köln wird zu schwach geführt und verwaltet. Die Folge: Stagnation auf vielen Ebenen.
Kommentar zur Lage KölnsLähmung und Stillstand – Köln braucht eine Initialzündung
Eine Woche ist der Elfte im Elften her. Der Kater, der Köln danach erfasst hat, ist gewaltig. Der Massenansturm der Jecken wirkt nach. Die Stadt hat nun auch bei einer ihrer vermeintlichen Kernkompetenzen in weiten Teilen versagt: dem organisierten Feiern. Das Sicherheitskonzept für die Zülpicher Straße war unzulänglich und lückenhaft, der KVB-Lockdown, der die gesamte Innenstadt lahmlegte, war inakzeptabel.
Die Zustände rund um den 11.11. waren für viele Menschen in der Stadt untragbar. Sie sind auch der jüngste Beleg für einen bitteren Gesamtbefund: Köln kommt nicht voran, die Stadt wirkt oft kraftlos, erschöpft, überfordert. Der Rat und die Verwaltung vermitteln den Eindruck, als rängen sie sich – wenn überhaupt – nur halbherzig oder gar widerwillig zu wichtigen Entscheidungen durch. Vorangehen, Lösungswege aufzeigen, das will in der viertgrößten Stadt Deutschlands ganz offensichtlich niemand.
Stattdessen Lähmungserscheinungen allenthalben. Es gäbe so viel zu bewegen, doch die Stadt rührt sich nicht vom Fleck, und schon geht wieder der alte Ungeist der organisierten Verantwortungslosigkeit um in Köln.
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Großbaustellen, Ost-West-Achse, Neumarkt: Köln kommt nicht voran
Da sind die vielen Großbaustellen in der Innenstadt, die einfach zu keinem Abschluss kommen: Oper und Schauspiel, die Erweiterung des Wallraf-Richartz-Museums, die Sanierung des Römisch-Germanischen Museums, Historische Mitte und Miqua – die Liste der unvollendeten Mega-Projekte ist lang und ließe sich erweitern: Ein neues Hochhauskonzept, die Umgestaltung des Ebertplatzes oder auch und vor allem mehr Wohnraum – das sind dringliche, unerledigte Aufgaben. Umso unverständlicher ist, wenn die Stadt dann helfend ausgestreckte Hände nicht ergreifen will, aus der freien Wirtschaft wie bei der verrottenden Bastei oder aus der Zivilgesellschaft wie bei der Sanierung der Römermauer.
Hinzu kommen nicht eingehaltene Zusagen: Der Zustand am Neumarkt etwa verschlechtert sich weiter, obwohl die Stadt das Gegenteil versprochen hat.
Die Verwaltungsreform, von Oberbürgermeisterin Henriette Reker ebenfalls groß angekündigt, ist für die Bürgerinnen und Bürgern bislang kaum spürbar. Sie müssen immer noch inakzeptabel lange Wartezeiten beim Bürgerservice oder bei den Baugenehmigungen in Kauf nehmen.
Sinnbild des Stillstands ist auch Kölns wichtigstes Verkehrsprojekt: Eine Entscheidung darüber, ob auf der Ost-West-Achse ein Tunnel gebaut werden soll oder nicht, wird nun wohl wieder um ein weiteres Jahr verschoben.
Die Kölner Misere, so viel steht fest, kennt keinen Alleinschuldigen. Sie hat viele Ursachen und viele Verantwortliche. Dennoch richtet sich der Blick zuallererst auf die Oberbürgermeisterin. Qua Amt müsste und könnte Henriette Reker Projekten den nötigen Wumms verleihen, sie zu ihrer Sache machen und beharrlich dafür streiten. Doch aus der OB, „die Dinge zu Ende bringt“, droht nun die OB zu werden, die sie immer nur anstößt. Mit auch nur einem einzigen vollendeten Leuchtturmprojekt wird sie nach derzeitigem Stand nicht in die Annalen der Stadt eingehen.
Henriette Reker scheitert an ihrer eigenen Verwaltung
Immer wieder scheitert Reker an ihrer eigenen Verwaltung. Oft hat sie dezidiert andere Vorstellungen als die Fachdezernate, kann sie am Ende aber nicht durchsetzen. Sie rackert sich bei Terminen ab, reibt sich auf im Mikromanagement, lässt aber auch in ihrer zweiten Amtszeit bislang zu oft den Blick für das Wesentliche vermissen.
Politisch ist es Rekers Bürde und Dilemma, dass sie es als Parteilose mit zwei Parteien zu tun hat, die keinerlei Interesse mehr daran haben, ihre Oberbürgermeisterin glänzen zu lassen. Schon jetzt nehmen CDU und Grüne die Kommunalwahl 2025 in den Blick, für die sie unbedingt wieder eigene Kandidaten aufstellen wollen. Diese Art des Umgangs mit Reker lässt Respekt vor dem Amt vermissen.
Wenig Konsens im Stadtrat
Aus dem angeblichen grün-schwarzen Projekt, das Reker getragen hat, ist ein brüchiges Zweckbündnis unter Beteiligung der wenig einflussreichen Partei Volt geworden. Gemeinsame Politik wird im Stadtrat kaum noch gemacht. In der Verkehrspolitik zeigt sich das überdeutlich.
An dieser Selbstblockade könnten die Granden der Parteien etwas ändern. Doch das wollen sie nicht. CDU-Chef Bernd Petelkau ist vor allem mit dem politischen Selbsterhalt beschäftigt. Da bleibt nicht viel Zeit und Energie für die großen Linien zum Wohle der Stadt.
Und die Grünen? Weder Fraktionschefin Christiane Martin noch die Partei-Doppelspitze mit Katja Trompeter und Stefan Wolters hat bisher erkennbar Gestaltungskraft bewiesen oder gar einen Masterplan für Köln entworfen. Seit mehr als 20 Jahren gehören die Grünen den jeweiligen regierenden Ratsbündnissen an. Derzeit stellen sie die stärkste Fraktion im Stadtrat, liefern dafür aber eine umso schwächere Leistung ab. Sicher, es gibt neue Radwege und Ansätze in Richtung Klimaneutralität. Aber das reicht nicht, um die Millionenstadt Köln fit für die Zukunft zu machen. Eine überzeugende Vorstellung davon, wie ein modernes, wirtschaftlich prosperierendes Köln aussehen soll, haben die Grünen nicht zu bieten.
Nun wäre die Schwäche des regierenden Bündnisses die Chance der Opposition, Projekte zu formulieren und dafür öffentlich Aufmerksamkeit zu bekommen. Doch leider präsentiert sich auch die Kölner SPD in so schwacher Form wie nie. Wildes Herumpoltern im Rat ist noch keine Politik, schon gar keine konstruktive.
Soll das bis zur Kommunalwahl 2025 so weitergehen? Es wäre nicht auszuhalten.
Köln braucht eine Initialzündung
Was Köln jetzt dringend braucht, ist eine Initialzündung, um den Stillstand zu überwinden. Wie wäre es mit einer Aufgabenkritik, die schonungslos den Sachstand der jeweiligen Projekte feststellt? Und danach eine Prioritätenliste mit Fristen und regelmäßiger Information über den Fortgang der Arbeiten.
Von entscheidender Bedeutung ist es, die wichtigsten Projekte klar den dafür Verantwortlichen zuzuordnen – auch der Oberbürgermeisterin selbst. Henriette Reker hat in ihrer zweiten und letzten Amtszeit nichts mehr zu verlieren. Gerade deshalb sollte sie sich auf die großen und sichtbaren „Baustellen“ konzentrieren. Den Neumarkt, die Oper, die Sauberkeit im Stadtbild und den von ihr schon aufgenommenen Kampf gegen den Schulnotstand sollte sie in ihren verbleibenden drei Jahren an der Spitze entschlossen zur Chefinnensache machen.
Rat und Verwaltung müssen ihrerseits endlich den Teufelskreis der Verantwortungsverschiebung durchbrechen. Sich vor Entscheidungen zu drücken, ist die schlechte Kehrseite der kölschen Gelassenheit und Toleranz.
Wer eine erfolgreiche Zukunft für Köln sicherstellen will, muss den Anspruch haben, auch die Gegenwart zu gestalten. Mit einer solchen Haltung wäre für die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger schon viel gewonnen.