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Versuchter Giftmord an MutterKölner Schöffin landet selbst auf der Anklagebank – den Richter kennt sie gut

Lesezeit 4 Minuten
Ein Insulin-Pen gilt als Tatwerkzeug im aktuellen Fall vor dem Kölner Landgericht.

Ein Insulin-Pen gilt als Tatwerkzeug im aktuellen Fall vor dem Kölner Landgericht.

Eine 62-jährige Krankenpflegerin soll versucht haben, ihre Mutter zu töten. Der Vorsitzende Richter muss nun über seine ehrenamtliche Kollegin urteilen.

Es ist der nächste versuchte Insulinmord, den der Vorsitzende Richter Peter Koerfers ab kommenden Montag vor dem Kölner Landgericht verhandeln muss. Eine Krankenpflegerin soll ihrer dementen Mutter eine Überdosis verabreicht haben, um sie zu töten. Es wird ein außergewöhnlicher Fall für Richter Koerfers, denn es gibt ein ganz pikantes Detail: Die Angeklagte ist ihm sehr gut bekannt. Sie war Schöffin, ausgerechnet in derselben Schwurgerichtskammer, die ihr nun den Prozess macht.

Köln: Seniorin erlitt lebensbedrohliche Unterzuckerung

Heimtückisch habe die 62-jährige Beschuldigte gehandelt, als sie ihrer in einem Altenzentrum in Ehrenfeld lebenden Mutter bei zwei Gelegenheiten, Anfang September 2023 und Mitte Januar 2024, eine größere Menge an Insulin zugefügt habe. Dem Vernehmen nach soll die Staatsanwaltschaft davon ausgehen, dass die Angeklagte die genutzten Pens zur Injektion des Insulins aus ihrem beruflichen Alltag abgezweigt hat. Als Krankenpflegerin habe sie Zugriff auf Medikamente gehabt.

02.09.2021, Köln: Prozess um den vergifteten Arzt vor dem Landgericht Köln. Im Bild der Richter Peter Koerfers. copyright by Michael Bause

Der Kölner Richter Peter Koerfers leitet die Hauptverhandlung gegen seine frühere Schöffin.

In beiden Fällen soll die zu dem Zeitpunkt 88-jährige Geschädigte eine lebensbedrohliche Unterzuckerung und Krampfanfälle erlitten haben. Auch soll jeweils eine Bewusstseinseintrübung vorgelegen haben. Für das Pflegepersonal war die alte Dame nicht mehr ansprechbar. Beide Male kam die Seniorin danach ins Krankenhaus, zuletzt in die Kölner Uniklinik. Hier schlugen die Ärzte Alarm. Ein paar Tage später wurde die Tochter verhaftet. Der Vorwurf lautet: versuchter Mord.

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Köln: Fall erinnert an vergifteten Schwiegervater

Der Fall erinnert an die Kölner Immobilienmaklerin, die ihren verhassten Schwiegervater mit Insulin töten wollte. Auch hier wurde das Opfer in die Uniklinik eingeliefert. Der angesehene Arzt aus dem Kölner Westen überlebte ebenfalls, war aber fortan ein Pflegefall. Die Schwiegertochter hatte die Tat trotz erdrückender Indizien bis zuletzt bestritten. Aufgrund der Nähe zur Vollendung – das Opfer ist mittlerweile verstorben – setzte Richter Peter Koerfers hier eine lebenslange Gefängnisstrafe fest.

Im aktuellen Fall um die Krankenpflegerin soll nicht Hass das handlungsleitende Motiv gewesen sein, sondern Mitleid mit der demenzkranken Mutter, die angeblich mehrfach einen Todeswunsch für den Fall des Eintretens einer ihr als lebensunwürdig erscheinenden Situation geäußert haben soll. Auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wollte Verteidiger Christoph Grabitz der Hauptverhandlung nicht vorweggreifen. Grabitz kündigte eine ausführliche Einlassung seiner Mandantin zum Prozessauftakt an und sagt: „Darin sollen auch die besonderen Herausforderungen an ein humanes Sterben bei Demenzerkrankten angesprochen werden.“

Köln: Krankenpflegerin droht lebenslange Freiheitsstrafe

Das Ziel der Verteidigung scheint es zu sein, den Vorwurf des versuchten Mordes abzuwehren. Das wäre der Fall, wenn keine für eine Heimtücke erforderliche „feindliche Willensrichtung“ vorliegt und die Täterin im Sinne des Opfers gehandelt hat. Dann blieben etwa die Straftatbestände des versuchten Totschlags oder einer versuchten Tötung auf Verlangen. Letzteres wäre mit maximal fünf Jahren Haft belegt. Beim jetzigen Anklagevorwurf droht eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Das Landgericht hat den Prozess auf acht Verhandlungstage angesetzt. Als Zeugen gehört werden etwa die Pfleger des Opfers, auch soll ein Sachverständiger Auskunft darüber geben, wie es um den geistigen Zustand der Seniorin zum Tatzeitpunkt bestellt war. Bei jeder Hauptverhandlung wird auch der Charakter eines Angeklagten beleuchtet. Dazu werden regelmäßig Verwandte, Freunde und Bekannte gehört. Und zur letzten Gruppe gehört auch der Vorsitzende Richter Koerfers selbst.

Köln: Richter urteilt über seine frühere Schöffin

Als Schöffin war die Angeklagte auch in der Kammer von Koerfers tätig. Im Oktober vergangenen Jahres verurteilte sie als gleichberechtigte ehrenamtliche Richterin einen Mann, der an einem Taxistand drei Personen mit einem Messer schwer verletzt hatte, zu sechs Jahren Gefängnis. Das ergangene Hafturteil, so bestätigt es Verteidiger Thomas Gros, wurde kürzlich rechtskräftig. Der Prozess hatte im August des Jahres 2023 begonnen, rund zehn Tage vor dem ersten nun angeklagten Mordversuch.

Die Zusammenarbeit zwischen Schöffen und Berufsrichtern gilt als sehr vertrauensvoll. Beratungen sind streng vertraulich. Dass sich daraus im aktuellen Fall eine mögliche Befangenheit für Koerfers ergeben könnte, sieht das Landgericht allerdings nicht. „Ein Richter kann nicht einfach ausgetauscht werden, hier gelten strenge Vorgaben“, erklärt der bekannte Strafverteidiger Sebastian Schölzel. Im Fall der Krankenpflegerin hätte der Jurist aufgrund der früheren Nähe aber „ein erhebliches Störgefühl“.