„Bisschen Seelenbalsam“Wie die Buchhändler in Köln von der Corona-Krise profitieren
Köln – In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Toilettenpapier kann darauf keine Antwort geben. Seit Beginn der Corona-Pandemie findet deswegen noch ein anderer Artikel reißenden Absatz: Bücher. Vor allem Sachbücher über große gesellschaftliche Fragen wie Maja Göpels Bestseller „Unsere Welt neu denken“. Aber natürlich auch Romane und ganz viele Kinderbücher. Von 25 bis 30 Prozent mehr Umsatz berichten Kölner Buchhändler. Und das hat auch damit zu tun, dass Buchhandlungen ein Ort des Austauschs sind. Ein öffentliches Wohnzimmer sozusagen.
Die „Agnes-Buchhandlung“ von Uli Ormanns ist so ein Ort – eine liebevoll sortierte, gemütliche Veedels-Buchhandlung, dekoriert mit alten Schreibmaschinen. Weil die Kunden seit Ausbruch der Pandemie so viele Bücher wie noch nie kaufen, hat der Buchhändler sogar noch eine zusätzliche Auszubildende eingestellt. Ein anderer Mitarbeiter kommt jetzt für 30 Stunden in den Laden – früher hatte er nur einen Minijob. Und trotzdem kommen sie mit der Arbeit manchmal kaum hinterher.
Kölner Buchhändler: „Existenzielle Situation war für mich sehr lehrreich“
Dabei hatte Uli Ormanns zu Beginn der Krise viele schlaflose Nächte. Schließlich hängt das Familien-Einkommen von der Buchhandlung ab. Und niemand konnte ahnen, dass die Leute ausgerechnet jetzt ihre Liebe zum Lesen entdecken würden. „Diese existenzielle Situation war für mich sehr lehrreich und wertvoll. Denn jetzt weiß ich viel mehr zu schätzen, was ich hier habe.“ Und damit meint er nicht nur die schwarzen Zahlen auf dem Konto: „Die Verbindung zu meinen Mitarbeitern funktioniert so wunderbar. Da bin ich immer dankbar, dass wir zusammen durch diese Zeit gehen. Und dass wir uns da gegenseitig unterstützen.“
Die Menschen fühlen sich durch Corona viel stärker mit ihrem Viertel verbunden, erzählt Esther Giese, der der „Buchladen Sülzburgstraße“ gehört. Irgendwie auch zwangsläufig, weil sie ansonsten nicht mehr so viel raus kommen. „Ein bisschen Seelenbalsam“ sei das Geschäft für die Kunden in dieser schwierigen Zeit, sagt die Buchhändlerin: „Wir sind von Anfang an überrannt worden“. Sie hat jetzt noch ein neues, mobiles EC-Cash-Gerät angeschafft, damit sie im Zweifelsfall schon mal in der Schlange draußen vor der Tür kassieren kann. Denn es dürfen wegen der Corona-Auflagen nur wenige Kunden in den kleinen Laden. Und darauf achtet Esther Giese penibel. „Besonders toll finde ich, dass so viele Kinder Bücher für sich entdeckt haben“, sagt sie.
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Nach mehr als einem halben Jahr Corona haben selbst die härtesten Netflix-Junkies alle Serien durch, glaubt Dorothee Junck. Und dann kommen sie in die Buchhandlung, zum Beispiel in ihre. Bei Social Media war der „Buchladen Neusser Straße“ schon immer ganz weit vorne. Das hat sich in der Krise ausgezahlt, ist sich die Buchhändlerin sicher.
Genauso wie der Fahrrad-Lieferdienst. „Wir haben nachweislich auch Kunden von Amazon wegbekommen“, freut sie sich. „Ich glaube, dass der stationäre Handel im Viertel der Gewinner dieser Corona-Krise sein kann.“ Denn genau auch sie beobachtet, „dass vielen wieder klar geworden ist, wie wichtig ein funktionierendes Umfeld vor der Haustür ist“. Dieses Viertels-Gefühl könne kein Paketbote ersetzen.