Mit einer solchen plötzlichen Polizeipräsenz haben die Dealer offenbar nicht gerechnet. Ein mutmaßlich recht einträglicher, heißer Mittwochnachmittag auf dem Ebertplatz endet für sie abrupt um kurz vor halb sechs. Die Polizeibeamten von Streifendienst und einer Hundertschaft rücken von allen Seiten des Platzes in Richtung der U-Bahn-Station vor und kontrollieren und durchsuchen die etwa zehn Personen.
Kurze Zeit später werden noch Diensthunde hierhergebracht, um die umliegenden Büsche, Wiesen und die Zwischenebene der KVB zu durchsuchen. Fündig werden sie unter anderem in der Verkleidung einer Deckenlampe, unter einem Bodenrost und in Gebüschen. Insgesamt werden bei dieser Aktion 85 Päckchen Cannabis, Kokain und Amphetamine sichergestellt. Die Polizei zeigt Präsenz, die Leute schauen hin. Ein paar Meter weiter in Richtung Theodor-Heuss-Park sitzen zur selben Zeit zwei Männer mittleren Alters auf einem Mäuerchen und beobachten kiffend die Szenerie.
Eine halbe Stunde früher, die Polizei ist hier noch nicht zu sehen, laufen die Geschäfte noch prächtig. Immer wieder verschwinden die Dealer in den Büschen, um ihren Vorrat hervorzuholen und an den Mann oder an die Frau zu bringen. Wer durch den Park oder über den Platz läuft, muss sich fast wehren, nicht in Geschäfte verwickelt zu werden.
Mehrmals in der Minute werden die Fußgänger angesprochen. Zum Beispiel von einem jungen, in Unterhemd gekleideten, dunkelhäutigen Mann, der angibt „alles dazuhaben, was dich glücklich macht“. Gras, Kokain, Heroin, alles versteckt unter einem Baum.
Mindestens ein Dutzend anderer Männer – die meisten davon mittleren Alters und offenbar arabischer oder afrikanischer Abstammung – geht so vor. Die potentiellen Kunden werden nahezu bedrängt, selbst Mütter und Väter mit Kindern angesprochen, fast ohne körperliche Distanz, offenbar wahllos.
Nur der Brunnen auf dem Ebertplatz ist drogenfrei
Der Großteil der Geschäfte bahnt sich an den südlichen Aufgängen aus der U-Bahn an, abgehend sowohl zum Ebertplatz als auch zum Theodor-Heuss-Park. Ebenso auf und vor den dunklen, heruntergekommenen Treppen am westlichen Ende des Platzes.
Fast wie von einer Demarkationslinie getrennt, scheint ausschließlich die Platzmitte mit dem sprudelnden Brunnen eine No-Go-Area für die Dealer zu sein. Hier lassen die Eltern ihre Kinder im Wasser planschen, fünf bis zehn Meter entfernt von einem der größten Drogenhotspots der Stadt.
Während am Neumarkt und teilweise am Wiener Platz die Szene der Heroindealer und -junkies angewachsen ist, werden am Ebertplatz vor allem die „weicheren“ Drogen gehandelt, vor allem Cannabis. Alle genannten Plätze werden als „Schwerpunkte der Straßenkriminalität“ von der Polizei mit Videokameras beobachtet. Die Beamten in der Leitstelle können viele der Deals also auf ihren Monitoren sehen und die Einsatzkräfte dorthin schicken.
Außerdem kontrolliere die Polizei „täglich stichpunktartig durch zivile und uniformierte Kräfte sowie offene Präsenzmaßnahmen“, sagt ein Behördensprecher. Insgesamt sei die Zahl der Körperverletzungen, Taschendiebstähle, Drogen- und Raubdelikte im vergangenen Jahr zurückgegangen und inzwischen deutlich niedriger als im Rekordjahr 2018 – Hauptgrund hierfür sind Corona und die Lockdowns. 2021 zählte die Polizei bei den vier Delikten insgesamt 430 Fälle – der niedrigste Wert seit 2016. Im ersten Halbjahr 2022 hat die Polizei auf dem Ebertplatz knapp 300 Straftaten erfasst.
Zehn Euro pro Tüte
Seit Jahren gilt der Ebertplatz als Kriminalitätshotspot, zwischenzeitlich sorgten unter anderem die Instandsetzung des Brunnens und diverse Kunstaktionen für Entspannung. „Seit Frühjahr 2018 erarbeiten verschiedene Initiativen, Anwohner und Arbeitsgruppen gemeinsam mit der Stadt Projekte, Konzepte und Veranstaltungen, um den Ebertplatz wieder in einen beliebten und vielfältig genutzten öffentlichen Platz zu verwandeln“, sagt eine Stadtsprecherin. Unter anderem ein kleiner Biergarten direkt neben dem Brunnen scheint das zumindest für ein paar Quadratmeter geschafft zu haben.
Ein paar Meter weiter aber gehen die Deals unvermindert weiter. Zum Beispiel am Sonntagnachmittag. Ein Passant wird von einem schmächtigen Mann mit Umhängetasche angesprochen, ob er Gras brauche. „Wie viel hast du und was willst du haben?“, fragt der Fußgänger. „So viel, wie du brauchst, zehn Euro pro Tüte“, sagt der Mann und zeigt seinen in Alufolie eingepackten und in der Tat reichlichen Vorrat hinter einem Mäuerchen. Zum Geschäft kommt es nicht, dafür kommt auch heute kurze Zeit später die Polizei und durchsucht drei mutmaßliche Dealer. Sichergestellt werden erneut erhebliche Mengen Cannabis.
Dieser Text ist erstmals am 27. Juli 2022 auf ksta.de erschienen.