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„Skandalös“Student auf Flucht von der Ukraine nach Köln diskriminiert – Harte Kritik

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Wisdom Edwards aus Nigeria studierte in der Ukraine. Auf seiner Flucht nach Köln erlebte er Diskriminierung.

Köln – Wisdom Edwards hält in seinen Träumen manchmal Waffen in der Hand. Um ihn herum fallen Bomben. Aber nicht nur seine Nachtruhe leidet: In seinem neuen Alltag in Köln kann ihn schon das Martinshorn eines Krankenwagens triggern – dann muss der 28-Jährige an die ständigen Alarm-Sirenen im ukrainischen Charkiw denken. Edwards harrt dort zwei Tage in einer U-Bahn-Station aus, als er sich entschließt, vor dem Krieg zu fliehen. Der 28. Februar ist der Beginn seiner 14-tägigen Flucht, die ihm gezeigt hat: Selbst angesichts einer Katastrophe sind nicht alle Menschen gleich. „Ich möchte es nicht Rassismus nennen, weil ich den Begriff nicht mag, ich nenne es Ignoranz“, sagt Edwards. Wir treffen ihn in einer Nippeser Wohnung, wo er bei Karl Rössel und Christa Aretz erst einmal bleiben kann.

Von der Ukraine nach Köln: Unklarer Aufenthaltsstatus nach dem 23. Mai

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Widsom Edwards in einer Nippeser Wohnung, wo er bei einem  Kölner Paar unterkommt.

Edwards stammt aus Nigeria. Als Russland die Ukraine angegriffen hat, befindet er sich seit sieben Monaten zum Studium dort. Vier Jahre hätte er in der Ukraine bleiben dürfen. In Köln endet seine Aufenthaltsfrist erst einmal am 23. Mai. Die Ansage bisher lautet: Er habe die Wahl zwischen Asylantrag und Ausreise. Einen Weg zurück nach Nigeria komme für ihn jedoch nicht in Frage: „Ich habe Nigeria verlassen, um ein besseres Leben in Europa zu haben. Ich habe dort alles verkauft, was ich hatte: sogar mein Auto.“ Allein der Bewerbungsprozess an der Uni in Charkiw habe ihn 8000 Dollar gekostet, die er sich mühsam zusammengespart habe.

Die russischen Bomben treffen bald schon U-Bahn-Stationen in Charkiw. Edwards verspürt Todesangst. Er will nicht riskieren, die nächste Zielscheibe zu werden. Er hat einen Rucksack, seinen Laptop und ein Ladekabel dabei – alles andere liegt noch in seiner Wohnung dort. „Das Rote Kreuz kam zur Evakuierung, dann habe ich einen Zug nach Poltawa genommen.“ Zwei Tage lang wartet er auf einen Zug nach Lviv. „Das Militär ließ ukrainische Frauen und Kinder den Vorrang, ich durfte nicht einsteigen“.

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Menschen aus Drittstaaten an ukrainisch-polnischer Grenzen nicht durchgelassen

In der westukrainischen Stadt, Sammelpunkt Tausender Geflüchteter, sei es noch schlimmer gewesen. „Die Tickets kosteten fünfmal mehr als normal, und hier wurden selbst iranische Kinder und Frauen nicht mehr durchgelassen zu den Zügen, nur Ukrainer.“ Edwards schafft es, einen Bus zur polnischen Grenze zu bekommen.

Für Menschen aus den sogenannten Drittstaaten gibt es kaum ein Durchkommen, in einer Schlange warten ukrainische Staatsbürger, in einer anderen reihen sich Menschen aus Indien, Iran oder afrikanischen Ländern ein. Einen Bus zurück gibt es nicht. Also läuft Edwards 16 Stunden zu Fuß nach Lviv zurück. Er will es nun an der ungarischen Grenze versuchen. „In Uschgorod war deutlich weniger los, weil der Fokus so auf Polen liegt“, erzählt er. Eine Stunde, dann ist er endlich drüben. „Da war der Stress zu Ende.“ Von Budapest über Dresden macht er sich schließlich auf den Weg nach Köln. Dass er die Stadt am Rhein wählt, hat einen einzigen Grund: den 1. FC Köln. „Seit 2015 ist der FC meine Lieblingsmannschaft der Bundesliga, nachdem ich ein Spiel gegen Leverkusen gesehen habe.“

In der Geflüchteten-Unterkunft am Luzerner Weg in Mülheim kommt er zunächst ein paar Tage unter. Dort sei er der einzige Schwarze gewesen, der einzige mit Englischkenntnissen. Auch wenn die Sammelunterkunft sauber gewesen sei und die Versorgung gut, habe er sich unwohl gefühlt. Er nimmt Kontakt zu der Organisation „Be your future“ auf, die sich um afrikanische Geflüchtete in Köln kümmert. Darüber finden schließlich Karl Rössel und Christa Aretz zu Edwards. Das Paar ist vom Verein Film Initiativ Köln und hat das Afrika Film Festival mitbegründet.

Kölner Paar: Diskriminierung während der Flucht setzt sich fort

„Es ist skandalös, dass bei der Flucht eine Unterscheidung nach Hautfarbe passiert. Die Diskriminierung während der Flucht setzt sich auch hier weiter fort“, sagt Aretz. Von den geschätzten rund 80 afrikanischen Studierenden in Köln, die von den Vereinen Pajoma Afrika und Be Your Future begleitet werden, habe nur Edwards einen Termin beim Sozialamt erhalten. Er bezieht damit finanzielle Hilfe und hat Zugang zur Gesundheitsversorgung. Eine Arbeitserlaubnis hat er jedoch nicht. „Er ist der einzige, weil ich einmal hingeschrieben und mit Journalist unterschrieben habe. Die anderen erhalten einfach keine Antwort“, sagt Rössel. Im Austausch mit anderen Gastgeberfamilien wird klar: „Über allem schwebt dieses Datum – der 23. Mai“, sagt Aretz. „Auf der Flucht sollte gleiches Recht für alle gelten.“

Struktureller Rassismus: Offener Brief von Be-Your-Future-Vorstand

Das fordert nun auch ein offener Brief der Vorsitzenden von „Be Your Future“ Gina Hitsch. In der Petition wird der strukturelle Rassismus der Behörden angeprangert. Die Vereinigung Mandatsträger:innen Afrikanischer Abstammung fordert daher „schnelle und unbürokratische, aufenthaltsrechtliche Lösungen für alle Geflüchteten aus der Ukraine, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit“ sowie „Gewährung eines vereinfachten Zugangs zu Studierenden- und Arbeitsvisa“.

Denn es gebe Studierende, erzählt Aretz, die seit Jahren in der Ukraine studieren und einen Semester vor ihrem Abschluss stünden. Da sei noch völlig unklar, wie und ob sie das hier beenden könnten. „Wenn ich den Arbeitsminister Hubertus Heil höre, wie er sagt, die Geflüchteten werden in den Arbeitsmarkt integriert, dann wird nicht gesagt, dass es hier nur um die weißen, blonden, blauäugigen Ukrainer geht und nicht um Menschen aus Drittstaaten“, so Rössel. Edwards jedoch sei auf einen Job angewiesen. Er habe in der Ukraine für ein Online-Call-Center gearbeitet, Teile seines Verdienstes seinen Eltern nach Nigeria geschickt. Nun hat er finanziellen und familiären Druck.

Nigerianischer Student kann sich Zukunft in Köln vorstellen

Eine Zukunft in Köln könne er sich gut vorstellen, sagt er. Er würde allerdings am liebsten Theater studieren und nicht Wirtschaft wie in der Ukraine, denn er ist kreativ, macht auch Musik. Bei einem Benefizkonzert im Club Bahnhof Ehrenfeld durfte er schon einmal auf der Bühne stehen.

Zur Zeit engagiert er sich zusammen mit Pajoma e. V. und unterstützt andere afrikanische Geflüchtete. Montags und dienstags lernt er zudem Deutsch in einem Online-Kurs. Mit einer Gruppe Kölner geht er samstags am Bonner Wall Fußball spielen. Langeweile kommt da nicht auf. „Ich versuche mich durch die Aktivitäten und das Engagement positiv zu stimmen, sonst wäre es zu deprimierend“, sagt der 28-Jährige.