Weil die Flächen der städtischen Parks und Wiesen begrenzt sind, könnte mehr Grün auf Dächern und Fassaden die Folgen des Klimawandels abfedern.
In Köln-Mülheim entsteht daher nun ein Bürokomplex, der mit Bäumen und Pflanzen gestaltet werden soll.
Aber es gibt auch kleinere Projekte in Köln, mit denen durch begrünte Fassaden ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden soll.
Köln – Will man Deutschlands grünstes Einkaufszentrum sehen, muss man nach Düsseldorf fahren. Dort ist in den vergangenen Monaten der „Kö-Bogen II“ entstanden, ein 27 Meter hohes und 120 Meter langes Büro- und Geschäftsgebäude in direkter Nachbarschaft zum Schauspielhaus. Hier hat Architekt Christoph Ingenhoven mit seinem Büro dem gesamten Bau einen grünen Mantel übergeworfen. Acht Kilometer Hainbuchenhecken zieren Fassaden und Dach, 30.000 Pflanzen wurden dafür angebracht. Da sieht nicht nur schön aus, sondern ist auch klimafreundlich.
„Die Hecken verbessern das Mikroklima der Stadt“, sagt die Sprecherin des Büros Ingenhoven, Nadin Heinich. Sie speichern Regenwasser, binden Kohlendioxid und Staub, dämpfen Lärm, fördern die Biodiversität und stärken das allgemeine menschliche Wohlbefinden. Der ökologische Effekt sei so groß wie der von 80 Laubbäumen.
Grüner müssen die Städte werden, da sind sich die Experten einig. Denn der Klimawandel ist bereits im Gange, und er wird vor Köln nicht Halt machen. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) schätzt, dass die Temperaturen in Köln bis 2050 um 0,7 bis 1,7 Grad Celsius und bis 2100 um 1,5 bis 4,4 Grad Celsius ansteigen werden. Die Anzahl der Sonnentage soll um 38 Prozent, die Anzahl der Hitzetage um 57 Prozent zunehmen. Besonders die Innenstädte werden sich aufheizen. Thomas Delschen vom Lanuv geht von Temperaturunterschieden von bis zu zehn Grad Celsius in den kühleren Außenbezirken und den hoch versiegelten Innenstädten aus. Unter den Folgen werden vor allem Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen leiden. Als mögliche Folgen nenen Experten Kreislaufprobleme, Herzrhythmusstörungen, Kopfschmerzen oder Erschöpfung.
Grüne Fassaden filtern Feinstaub aus der Luft
Weil die Flächen der städtischen Parks und Wiesen begrenzt sind, könnte mehr Grün auf Dächern und Fassaden die Folgen des Klimawandels abfedern. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Universität Köln und des Forschungszentrums Jülich haben herausgefunden, dass grüne Fassaden nicht nur das Hausklima verbessern, sondern auch gesundheitsschädliche Stickoxide und Feinstaub aus der Luft filtern. So konnten die Forschenden an einer grünen Fassade im Sommer Temperaturschwankungen von lediglich zehn bis 13 Grad Celsius am Tag messen, während die Temperatur einer blanken Hausfassade um bis zu 35 Grad schwankte. „Fassadenbepflanzung verbessert sowohl das Stadt- als auch das Raumklima, mindert Überhitzung und Smog, sie produziert Sauerstoff und trägt zur Erhaltung und Erhöhung der Artenvielfalt in der Stadt als Lebensraum für Fauna und Flora bei“, bilanziert Hans Georg Edelmann vom Institut für Biologiedidaktik der Uni Köln.
Kölns größte Dach- und Fassadenbegrünung wird in Mülheim wachsen. Dort ziehen derzeit ein halbes Dutzend Kräne ihre Kreise, schaufeln wuchtige Bagger Erdreich weg, löten, schweißen und mauern Bauarbeiter unentwegt. Auf 160.000 Quadratmetern Geschossfläche errichten die Investoren von Art Invest und Osmab den Bürokomplex „I/D Cologne“. Entstehen soll an der Peter-Huppertz-Straße nahe der Schanzenstraße ein Standort für den Tech-Konzern Siemens, ein Design-Hotel und die Zentrale der Industrie- und Handelskammer. Die ersten Mieter sollen im April 2021 einziehen. Insgesamt sollen 7000 Menschen ab 2026 hier arbeiten.
Drei Millionen Euro Fördergeld
Der Clou: Die Entwickler des ehemaligen Güterbahnhof-Areals haben nicht nur an zwei Wasserflächen und 150 Bäume gedacht, die im Viertel gepflanzt werden sollen. 10.000 Quadratmeter der Dächer sowie 2000 Quadratmeter der Fassaden eines Parkhauses sollen mit Pflanzen versehen werden. Arbeiter hängen bereits Efeuranken in riesigen Blumenkästen an den Fassadenteilen auf. „Wir wollten den Autos etwas entgegensetzen“, sagt I/D-Cologne-Geschäftsführer Holger Kirchhof.
Es geht auch eine Nummer kleiner. Wann die Familie Thurn ihr Haus an der Nippeser Simon-Meister-Straße mit Wildem Wein bepflanzt hat, weiß Willi Thurn nicht mehr so genau. Es muss Anfang der 60er Jahre gewesen sein, als sein Großvater und Vater die Fassaden begrünten, sagt der 58-jährige Schreiner. Der Klimawandel war damals kein Thema. „Der Wilde Wein sollte einfach eine Zierde sein“, sagt Thurn. Heute sieht er Vor- und Nachteile durch die begrünten Wände. „Das Zeug wächst wie Unkraut, und es nisten sich Insekten und Tauben ein“, sagt er. Andererseits kämen manchmal auch andere Vögel, denen sein Haus ein Heim bieten könne.
Damit mehr Kölner ihre Dächer und Fassaden begrünen, hat die Stadt das Förderkonzept „Grün Hoch 3“ mit einem Volumen von drei Millionen Euro aufgelegt. Es gilt bis 2023, der Höchstförderbetrag pro Objekt und Jahr liegt bei 20.000 Euro. Yvonne Wieczorrek und Boris Grob vom Umwelt- und Verbraucherschutzamt hoffen auf einen Schneeballeffekt. „Wenn einer anfängt, kommt auch der nächste“, so Wieczorrek. Grob räumt mit einem Missverständnis auf: Dach- und Fassadengrün schadeten keinesfalls dem Mauerwerk, sie schützten es sogar. Allenfalls auf die Statik müsse man achten. Bei einem Substrat von zehn Zentimetern trage ein Dach in der Regel 110 Kilogramm pro Quadratmeter.