Kommentar zum KlimawandelKeine Klimagerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit
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Leonie Bremer engagiert sich als Pressesprecherin für Fridays for Future.
Sie studiert in Köln und setzt sich besonders für Klimaziele in Zusammenhang mit Geschlechtergerechtigkeit ein.
Sowohl Klimawandel als auch Sexismus oder Rassismus sind strukturen, die man nicht isoliert betrachten sollte, findet sie.
Köln – Wir alle stehen vor derselben größten Herausforderung, die es jemals gab – der Klimakrise. Gleichzeitig haben wir diese Krise aber nicht gleichermaßen verursacht. Die Klimakrise entsteht im Geflecht jahrhundertelang aufgebauter Strukturen, durch die sich Rassismus, Sexismus, Kapitalismus und Kolonialismus wie mal mehr, mal weniger sichtbarer roter Faden ziehen. Es sind die gleichen Machtverhältnisse, die der Ausbeutung von Menschen und des Planeten zugrunde liegen.
Um der Klimakrise entgegenzuwirken müssen alte, bestehende Strukturen durchbrochen und Platz für Alternativen geschaffen werden. Der Fokus liegt auf Ländern im globalen Norden, die diese Strukturen besonders geprägt haben, aber weltweit zum Beispiel durch ihre Handelspolitik ausweiten und zementieren.
Es ist ein strukturelles Problem, keine Schuldzuweisung
Der globale Norden ist Hauptemittent der Treibhausgase und der globale Süden Hauptleidtragender. Ebenso ist Fakt, dass auch in Deutschland Frauen noch immer schlechter gestellt sind, wenn es um Einkommen oder Verteilung der Familienarbeit und politische Entscheidungsmacht geht.
Obwohl es keinen intuitiven Zusammenhang zu geben scheint: Diese vorherrschenden Rollenbilder dominieren ausweglos den Umgang mit der Klimakrise. Das Umweltbundesamt bestätigt alle zwei Jahre, in der Studie Umweltbewusstsein, dass sich Männer klimaschädlicher verhalten. Auch international wird das beispielsweise von der Studie “Energy Policy“ bestätigt. Wie wir wissen, wird die Verkehrspolitik von Männern für Männer gemacht.
Fatale Folgen der sogenannten Verkehrswende
Die Ergebnisse von Planung und Entscheidungen im Verkehrsbereich spiegeln genau das Mobilitätsverhalten von Männern wieder. Im Vergleich zu allen anderen Personengruppen sind Männer im berufstätigen Alter am stärksten aufs Auto fokussiert und legen kaum Wege zu Fuß, mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad zurück.
Da ist es nicht überraschend, dass zum Beispiel in Berlin 58 Prozent der Verkehrsfläche für den Autoverkehr genutzt wird und nur drei Prozent für den Fahrradverkehr zur Verfügung steht. Fatalerweise ist die Folge eine sogenannte Verkehrswende, die nur geflügeltes Wort im politischen Berlin aber ohne Folgen für die tatsächliche Verkehrspolitik bleibt, obwohl der Verkehrssektor dem Klima gewaltig einheizt und die Verkehrswende umso dringender ist.
Es gibt keine Klimagerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit
Die Klimakrise hat ein weibliches Gesicht. Die Schäden, die die Klimakrise anrichtet, werden hauptsächlich durch den patriarchal regierten Globalen Norden angerichtet. Hingegen müssen die Frauen im Globalen Süden an vorderster Front gegen die Klimakrise kämpfen, da 80 Prozent der hierdurch vertriebenen Menschen Frauen sind, wie die Vereinten Nationen erklären.
Hilda Flavia Nakabuye ist Klima-Aktivistin von Fridays for Future in Uganda. “Irgendwann konnte ich nicht mehr zur Schule gehen, da ich meiner Oma auf dem Feld helfen musste“, erzählt sie. Die Klimakrise hat unseren Garten zerstört, als starker Regen unsere Pflanzen weggespülte, als immer wiederkehrende Dürren die Bäche austrocknen ließen und starke Winde zu Schädlingsbefall führten.“ In Hildas Umfeld wird ein Großteil der Nutzpflanzen von Frauen angebaut und versorgt.
Intersektionale Diskriminierung und Klimakrise
Die Klimakrise gefährdet die Existenzgrundlage dieser Frauen direkt, erzeugt Hunger, gesundheitliche Schäden und hat einen großen Einfluss auf die gesamte Familie. Dürren und Überschwemmungen haben Ernteausfälle zur Folge, aber Großgrundbesitzer haben die Chance ihre Verluste durch Zahlungen von staatlichen Entschädigungen zu kompensieren. “Frauen hingegen wird traditionell das Recht auf Grundbesitz verwehrt, was zur Folge hat, dass solche Ereignisse ihre grundlegende Existenz gefährden“, erzählt Nakabuye.
Als eine Frau aus Afrika ist Nakabuye häufig durch Rassismus und Sexismus unterdrückt, was unweigerlich mit der Klimakrise im Zusammenhang steht. Das Zusammenspiel bestehender diskriminierender Strukturen mit der Klimakrise, ihr sich gegenseitiges Bedingen und Verstärken verlangt eine neue solidarische Gesellschaft. Dieses Unterdrückungssystem muss ein Ende haben. Der Kampf für Klimagerechtigkeit muss immer feministisch sein und die Machtverhältnisse der Geschlechter infrage stellen.