Interview über CDU-Frauenquote„Stoßen schmerzhaft an die gläserne Decke“
Frau Manderla, der CDU-Vorstand will auf dem Parteitag im Dezember eine 50-Prozent-Quote für Frauen in allen Parteiämtern als Pflicht und bei den Listenaufstellungen als Soll-Bestimmung einführen. Ein Gleichstellungsgesetz der thüringischen Landesregierung mit dieser Regel hat das Verfassungsgericht des Freistaats für verfassungswidrig erklärt. Ein Schlag ins Kontor für das Vorhaben Ihrer Parteispitze?
Davon lassen wir uns nicht beirren. Das Gericht hat sich zu einem Gesetz des Freistaats Thüringen geäußert, nicht zur geplanten Änderung der CDU-Satzung. Es ist ja schon erstaunlich, dass die einzigen beiden Frauen im Senat das Gleichheitsprinzip durch eine Quotenregelung bei der Listenaufstellung nicht verletzt gesehen haben. Und wenn wir doch wissen, dass es mehr Frauen als Männer in Deutschland gibt und wir in einer Gesellschaft leben, die längst weiter ist als vor vielen Jahren geschriebene Parteisatzungen, dann ist der Wunsch nach einer Anpassung an die Realität doch nur natürlich: Gleicher Anteil von Männern und Frauen bei Ämtern und Mandaten.
Gegner in der Partei werden trotzdem mit großer Geste nach Erfurt zeigen.
Wir haben bis zum Parteitag ja noch Zeit für Überzeugungsarbeit. Ich verweise darauf, dass keine 28 Prozent der Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU Frauen sind. Das ist kein gutes Signal und noch weniger ein Beleg für die Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes.
Es sind aber auch nur 34 Prozent der CDU-Mitglieder weiblich.
Welche Frau geht denn in eine Partei, in der sie deutlich geringere Chancen hat als ein Mann?
Nur: Welche Frau will schon gerne Quotenfrau sein?
Die Quote öffnet nur den Einstieg in eine Position. Beweisen muss man sich, wenn man sie hat. Das geht Männern so, und das geht Frauen so. Über einen Verzicht auf Quoten können wir gerne sprechen, wenn einmal genau so viele mittelmäßig begabte Frauen in Führungspositionen, wie das heute bei mittelmäßig begabten Männern der Fall ist. Die Behauptung, es zähle allein die Qualität, ist durch die Realität doch längst widerlegt. Was die CDU betrifft, weiß ich aus langjähriger Erfahrung, wie viele hoch qualifizierte Frauen uns verloren gehen, weil sie keine Lust auf die Widerstände einer männerlastigen Partei und ihrer Strukturen haben. Wenn wir denen sagen könnten, „wir haben die Quote, du hast die Chance“, dann gäbe es garantiert eine höhere Bereitschaft, sich um ein Amt in der Partei oder um ein Mandat zu bewerben. Es hängt aber, das muss man schon auch zugeben, nicht nur an der Quote.
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Woran noch?
Zum Beispiel an einer familienfreundlicheren Organisation unserer Parteiarbeit. Sitzungen, die wie selbstverständlich bis tief in die Nacht ausgedehnt werden oder ganze Wochenenden blockieren – so etwas muss sich auch ändern.
Es ist bemerkenswert, dass der Widerstand gegen die Quote – auch in der CDU – insbesondere on Frauen kommt. Eine Vertreterin des CDU-Wirtschaftsrat hat den Quotenbeschluss des Parteivorstands kurz und trocken als überambitioniert und unrealistisch abgefertigt.
Sicher gibt es Frauen, die das so sehen und die Quote ablehnen. In einer Demokratie ist das völlig in Ordnung. Klar gibt es die jungen Frauen, die sagen: Wir sind gut, wir sind selbstbewusst, wir brauchen keine Quote. Aber mit dem Älterwerden, wenn es an die Karriere geht, stoßen sie dann doch schmerzhaft an die gläserne Decke und merken, dass die Männer an ihnen vorbeiziehen. Das ist schade – für diese Frauen, aber auch für unser Land, weil vorhandene Potenziale unzureichend genutzt werden.
Gegner der Frauenquote, etwa aus der Wirtschaft, sagen oft, es fänden sich nicht genügend Frauen, um alle Führungsposten gemäß einer hälftigen Quote zu besitzen. Und zwar nicht nur mangels Qualifikation, sondern auch mangels Bereitschaft zur Führung und auch mangels einer effizienten Förderung von Frauen durch Frauen.
Letzteres stimmt leider, und es wäre ganz falsch, es zu leugnen. Frauen müssen noch viel mehr lernen, in Netzwerken zu arbeiten und einander zu unterstützen. Der angebliche Mangel an Führungswille hat meines Erachtens viel mit der Fortschreibung überholter Rollenmuster zu tun. „Führung ist männlich“ und solche Dinge spuken immer noch durch die Köpfe. Das muss und wird sich auswachsen. Mehr als 50 Prozent derer, die in Deutschland erfolgreich eine Hochschulausbildung absolvieren, sind Frauen. Dass die alle studieren, um dann in ihrer beruflichen Laufbahn nichts daraus machen zu wollen, kann mir niemand erzählen.
Zur Person
Gisela Manderla, geb. 1958, ist Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der CDU Frauen-Union Nordrhein-Westfalen. Sie lebt in Köln, wo sie seit 2004 Vize-Vorsitzende ihrer Partei ist.
Ganz oben in Ihrer Partei steht – ganz egal, ob Quote oder ohne – der männliche Rollback bevor. Heute in einem Jahr wird der CDU-Vorsitzende ein Mann sein, und für die Nachfolge der Kanzlerin wird sich aus der Union ebenfalls ein Mann bewerben. Sieht nicht so gut aus für die Frauen, oder?
Ich halte fest, dass wir dann 16 Jahre eine super Kanzlerin gehabt haben werden, und mit Annegret Kramp-Karrenbauer auch eine – wie ich finde – sehr gute Vorsitzende, deren Rückzug ich sehr bedauere. Dass unter den Nachfolgekandidaten keine Frau ist, ist nicht zu leugnen. Aber weil ich nicht prinzipiell gegen Männer in Führungspositionen bin, sehe ich das für die Sache der Frauen in unserer Partei auch nicht als eine Katastrophe.
Das Gespräch führte Joachim Frank