Theater am SachsenringWie sich die freien Bühnen Kölns für die Kunst selbst ausbeuten
- Das Kölner Theater am Sachsenring schließt zum Jahresende.
- Theaterregisseur Joe Knipp sagt, dass sein Haus seit 2005 keine Förderung mehr erhalten hat – trotz Auszeichnung.
- Doch wie geht es den anderen freien Bühnen? Die Analyse zeigt: Von der Landes- und Stadtförderung profitieren nur wenige, ausgewählte Theater.
Köln – Joe Knipp hat noch lange nicht verwunden, dass er sein Theater am Sachsenring zum Jahresende schließen wird. Wie viele andere freie Theater hat seine Spielstätte über Jahre ums Überleben gekämpft – und war dabei abhängig von städtischen Förderungen. Seit 2005 habe sein Haus keinen Basiszuschuss der Stadt mehr erhalten; und das, obwohl das Theater erst zwei Jahre zuvor den Preis für die beste Inszenierung des Jahres erhalten hatte. Damals, erinnert sich Knipp, habe er „zum ersten und einzigen Mal“ eine Begründung erhalten, warum der Theaterbeirat seine Spielstätte nicht für förderungswürdig hielt: Die Zielrichtung des Theaters sei „eher konventionell, was angesichts der innovativen Entwicklung der Kölner Theaterszene nicht in erster Priorität zu sehen“ sei. Seitdem vermisse er Begründungen zur Ablehnung seiner Anträge, sagt Knipp. „In anderen Städten begründen Theaterbeiräte ausführlich, warum eine Bezuschussung erfolgt. In Köln – natürlich nicht.“
„Das kann niemand verstehen“
Wieso Theatern in der Nachbarschaft politische Relevanz zugeschrieben werde und Zuschüsse bis zu 250.000 Euro im Jahr erhielten, sein Haus aber leer ausgehe, so Knipp,„kann niemand verstehen“. Barbara Foerster, Leiterin des Kulturamtes, „bedauert selbstverständlich sehr, wenn ein Theaterbetreiber sich entschließt, sein Theater zu schließen“. Im Falle des Theaters am Sachsenring sieht sie allerdings keine Mitschuld ihres Amtes. Das Kulturamt habe 2018 einen Mietkostenzuschuss und Projektkostenzuschüsse gewährt. 2019 sei ein Liquiditätszuschuss dazugekommen; und das „sogar, obwohl nicht alle Auflagen vom Theater am Sachsenring erfüllt wurden“.
Die Überprüfung der Gesamtsituation anhand der eingereichten Unterlagen des Theaters habe jedoch „mehrere beunruhigende Ergebnisse“ ergeben, „die an einer ordnungsgemäßen, den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Hauses angepassten, planvollen Lenkung des Theaters zweifeln lassen“.
Der Gedanke einer Zwei-Klassen-Gesellschaft– hier die üppig finanzierten städtischen Bühnen, da die darbenden freien Theater – greift zu kurz. Das Kulturamt gewährt in 2019 insgesamt 14 Freien Theater eine institutionelle Förderung in der Gesamthöhe von 1,92 Millionen Euro, ein Plus von 20 Prozent gegenüber 2018 . Innerhalb der freien Szene gibt es jene Bühnen, die von zuletzt gestiegenen Zuschüssen von Stadt und Land profitieren – und jene, die leer ausgehen.
Nur wenige profitieren von der Förderung
„Die Förderungen erfolgen nach einem nicht näher erläuterten Leuchtturmprinzip, so dass nur einige davon profitieren“, sagt Gregor Röttger, Ensemble- und Vorstandsmitglied des Horizont-Theaters. Die Spielstätte am Thürmchenswall, die dieses Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum feierte, erhielt bis vor zwölf Jahren die so genannte Konzeptionsförderung der Stadt. „Detailliert begründet wird es nicht, wenn man nicht berücksichtigt wird“, sagt Röttger. Macht die städtische Förderung bei freien Theatern, die den Zuschuss erhalten, gut 30 Prozent aus, „so sind es bei uns höchstens zehn Prozent. Wir hangeln uns von Projektförderung zu Projektförderung“, sagt der Schauspieler.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Situation sei „prekär. Es braucht ein hohes Maß an Selbstausbeutung“. Die Kulturförderung sei in Köln „sehr auf die öffentlichen Häuser ausgerichtet, auch wenn man mit der freien Szene gern angibt. In Düsseldorf gibt es nur fünf oder sechs freie Theater, in Köln sind es über 30. Trotzdem ist der Etat für die freie Szene in Düsseldorf höher.“
Volker Lippmann, Leiter des Theaters Tiefrot in der Dagobertstraße, hat lange und gut bezahlt am Hamburger Schauspielhaus und am Staatstheater Stuttgart gearbeitet. „Im Rückblick ist es eine große Ungerechtigkeit, wie viel Geld dort reinfließt und zum Teil verschwendet wird, und mit was für Beträgen wir auskommen müssen“, sagt er. Er mache weiter, obwohl er aktuell nur hie und da Projektförderungen für Inszenierungen erhalte. „Es ist Selbstausbeutung von vorne bis hinten, aber ich kann nicht anders.“
Experten im Umgang begrenzter Mittel
Während Gerhard Seidel vom Freien Werkstatt Theater in der Südstadt mit einer Förderung in Höhe von 245.000 Euro in 2019 „entspannt in die Zukunft sieht“ und die Erhöhung der städtischen Mittel als „ein Bekenntnis der Stadt zur freien Szene“ wertet, gibt man sich im Theater im Bauturm kritischer. „Grundsätzlich ist unsere Situation trotz erhöhter Förderung von Stadt und Land nicht entspannt“, sagt Geschäftsführer Bernd Schlenkrich.
„Wir müssen weiterhin große Experten sein, was den Umgang mit begrenzten Mitteln angeht.“ Die Konzeptionsförderung der Stadt mache „etwas mehr als ein Drittel des Etats“ aus, zusammen mit der Landesförderung könne das Theater im Bauturm die Hälfte seines Finanzbedarfs decken. „Die anderen 50 Prozent kommen aus Eigenleistung.“ Den größten Teil davon machten die Einnahmen aus der Spielzeit aus.
„Man muss bedenken, wo wir herkommen: Jeder in der freie Szene arbeitet unter prekären Bedingungen“, ergänzt Bauturm-Theaterleiter Laurenz Leky. „Im Gegensatz zum finanzierten Kulturbetrieb kann ein Flop bei uns sofort existenziell bedrohlich werden. Theater zu machen, das herausfordert und die aktuellen Diskurse der Gesellschaft reflektiert und zugleich an der Kasse erfolgreich ist, bleibt für uns ein ewiger Spagat.“
Die Hälfte der Theaterbesucher gehen zu freien Bühnen
Seit vielen Jahren erreichen die freien Kölner Spielstätten rund die Hälfte aller Theaterbesucher – seit der Sanierung der städtischen Bühnen sind es sogar etwas mehr. Genauso lange fordert Kölns freie Theaterszene, die Mittel auf mindestens zehn Prozent des Geldes für die Städtischen Bühnen zu erhöhen (Sanierungen wie jene des Schauspielhauses natürlich nicht inbegriffen). „Momentan liegen wir bei rund fünf Prozent“, sagt Schlenkrich. „Die Frage an die Politik lautet einfach: Was ist Euch die Kulturszene wert?“, so Leky. „Die Mittel reflektieren nicht annähernd, was wir für die Strahlkraft der Stadt leisten.“
Immerhin habe die schwarz-gelbe Landesregierung den Kulturetat um 50 Prozent erhöht, sagt Dietmar Kobboldt, Leiter der Studiobühne Köln und langjähriger Sprecher der freien Szene. „Dadurch schwimmen wir nicht im Geld und fangen nicht an, goldene Wasserhähne zu installieren, aber die Förderung verbessert sich auf niedrigem Niveau.“ Dennoch arbeiteten viele Bediensteten in der freien Szene weiterhin weit entfernt vom Mindestlohn. „Die Förderungen reichen bei weitem nicht aus, um alle Arbeiten eines Theaters abzudecken.“ Die Erhöhung der Zuschüsse sei „immerhin ein erster Schritt, das Personal halbwegs angemessen zu bezahlen und etwas gegen Altersarmut zu tun“. Für die Zukunft rechne er mit „moderat wachsenden Zuschüssen und einer ungebrochenen Lust am Theater“.
Sogar auf eine Verdoppelung der Förderung von Stadt und Land hofft Klaus Schweizer, Geschäftsführer der Comedia in der Südstadt (Förderung der Stadt in 2019: 528 000 Euro). Damit soll das Theater, wie schon vor 15 Jahren geplant, zu einem Zentrum der Jungen Kunst ausgebaut werden. „Entspannt schauen wir nicht in die Zukunft, aber mit Mut und Entschlossenheit“, sagt Schweizer. Theater, die auf steigende Zuschüsse des Staates bauen können, haben einigen Grund dazu. Die anderen nicht.