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Kunstobjekte bis heute verschwundenWie ein „Meisterdieb“ das Kölnische Stadtmuseum beklaute

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Aus dem Stadtmuseum am Zeughaus stahl Stéphane Breitwieser 2001 wertvolles Kölner Silber.

Aus dem Stadtmuseum am Zeughaus stahl Stéphane Breitwieser 2001 wertvolles Kölner Silber.

Der französische Kunstdieb Stéphane Breitwieser stattete dem Kölnischen Stadtmuseum 2001 einen denkwürdigen Besuch ab.

Es ist ein später Nachmittag Ende November 2001, die Sonne geht gerade unter, als der Rentner James Lance im östlichen Elsass zu einem Spaziergang aufbricht. Was er kurz darauf im Rhein-Rhône-Kanal schwach durch die Wasseroberfläche glänzen sieht, lässt ihn am folgenden Tag neugierig mit einem Rechen samt Teleskopstange zurückkehren. Lance fischt einen silbernen Kelch aus dem schlammigen Wasser, dann einen Silberpokal und ein Jagdmesser mit dem eingravierten Porträt einer Frau.

Der Rentner ruft die Polizei, die mit Tauchern und 30 Beamten anrückt. Die Einsatzkräfte durchkämmen den Kanal auf fast einem Kilometer Länge bis zu einer Tiefe von drei Metern. Sie ziehen 107 Kunstobjekte an Land. Becher, Krüge, Schüsseln, ein Kriegsschiff, Vasen, Taschenuhren, ein Ölgemälde – und einen Kokosnusspokal von 1580, der vor fast acht Monaten aus dem Kölner Stadtmuseum gestohlen worden war.

Gestohlenes Kölner Silber tauchte im Rhein-Rhône-Kanal wieder auf

Wer die Gegenstände in dem Kanal versenkt hat, ist den Fahndern schnell klar: Mireille, die Mutter des vermutlich größten Kunstdiebs aller Zeiten, des damals 31 Jahre alten Stéphane Breitwieser. Zwei Tage zuvor war ihr Sohn beim Diebstahl eines Prunkhorns im Richard-Wagner-Museum in Luzern erwischt und verhaftet worden. Um ihn zu schützen, wollte sie seine Beute zerstören und verschwinden lassen.

Zwischen 1995 und 2001 hatte Stéphane Breitwieser 239 Kunstwerke aus Museen, Schlössern und Privathäusern in ganz Europa im Wert von mehr als einer Milliarde Euro gestohlen – allerdings nicht um sich zu bereichern. Stattdessen hängte und stellte der Franzose sich seine kostbare Beute in ein Dachboden-Zimmer im Haus seiner Mutter, in dem er mit ihr lebte. „Ich genieße Kunst. Ich liebe solche Kunstwerke. Ich sammelte sie und behielt sie zu Hause“, sagte Breitwieser bei seiner Gerichtsverhandlung 2005 in Straßburg.

US-Journalist traf den Kunstdieb zu Interviews

Jetzt ist eine lesenswerte, spannende Biografie über den „Meisterdieb“ (so der Titel) erschienen, verfasst vom US-Autor Michael Finkel. Als einem von wenigen Journalisten ist es dem Amerikaner gelungen, den Kellner und Gelegenheitsjobber zu Interviews zu bewegen. In seinem Buch nennt Finkel den heute 54-Jährigen Breitwieser den „vielleicht erfolgreichsten und produktivsten Kunstdieb, der je gelebt hat“. Sieben Jahre lang, hat Finkel ausgerechnet, habe der durchschnittlich alle zwölf Tage etwas gestohlen.

Der damalige Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, Werner Schäfke, mit dem wieder erlangten Kokosnusspokal und einem weiteren beschädigten Silberstück.

Der damalige Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, Werner Schäfke, mit dem wieder erlangten Kokosnusspokal und einem weiteren beschädigten Silberstück.

Im Kölner Stadtmuseum spricht man noch heute von einem „zweifelhaften Besuch“ des Meisterdiebs. Dabei hatte der eigentlich Respekt vor deutschen Museen, wie er in seiner bereits 2007 erschienen Autobiografie verriet. „Die sind am besten geschützt. Meine Ex-Freundin und ich waren zum Beispiel in Köln im Wallraff-Richartz-Museum. Als wir dort die Sicherheitsmaßnahmen gesehen haben, sind wir schnell wieder gegangen.“

Im Stadtmuseum dagegen fühlten sich die beiden offenbar unbeobachtet. Am 31. März oder 1. April 2001, einem Wochenende, zahlten Breitwieser und seine damalige Partnerin Anne-Catherine – wie immer bei ihren gemeinsamen Diebestouren – den Eintritt, schlenderten durch die Räume und blieben vor einer Vitrine mit „Kölner Silber“ stehen. Die Vitrinen waren seinerzeit lediglich mit Schlössern gesichert. Zwei Wachleute patrouillierten abwechselnd durchs Haus, ansonsten hatte nur die Frau an der Kasse einen Blick auf die Besucher, wie der damalige stellvertretende Museumsleiter Michael Euler-Schmidt berichtete.

Breitwieser hatte eine Zeitlang bei der französischen Eisenwarenkette Lapeyre gearbeitet, in der Abteilung für Türen und Schlösser. „Dort hat er gelernt, dass ein beträchtlicher Anteil an Schlössern nicht sachgemäß installiert wird“, schreibt Finkel in seinem Buch. Mit einem kleinen Werkzeug öffnete Breitwieser unbeobachtet die Vitrine und nahm elf Objekte im Wert von 300.000 Euro heraus, darunter den mit vergoldetem Silber gefassten Kokosnusspokal von 1580. Er verstaute die Gegenstände vermutlich unter einem Mantel, gruppierte die verbliebenen Objekte in der Vitrine um und drapierte eine Informationsfahne so vor dem Schloss, dass die Aufbruchspuren nicht zu sehen waren. Der Diebstahl fiel erst Tage später auf.

Neun der elf gestohlenen Kunstobjekte aus Köln fischten die französischen Ermittler fast acht Monate später aus dem Rhein-Rhone-Kanal. Manche waren beschädigt, eine Silber-Kaffeekanne und ein Doppelbecher sind bis heute verschwunden. Stéphane Breitwieser stand mehrfach wegen immer neuer Diebstähle vor Gericht, zuletzt 2021.

Michael Finkel, „Der Meisterdieb: Eine wahre Geschichte von Kunst, Obsession und Zerstörung“, Goldmann Verlag, 24 Euro