Unsere Kolumne „Wofür ich Köln liebe“ widmet sich den schönen Seiten der Stadt. Unser Autor sagt, warum es dafür keine besonderen Gebäude braucht.
„Wofür ich Köln liebe“Die Schönheit dieser Stadt erschließt sich nicht durch eine Stadtrundfahrt


„En unserem Veedel“: Hier in Sülz fühlen sich viele Menschen wohl, auch wenn es schönere Ecken als die Luxemburger Straße/Sülzburgstraße gibt.
Copyright: Martina Goyert
Vielleicht erinnert sich Uwe noch. Der war damals Wirt im „Tafelwasser“ in Sülz, Mitte der 1990er. Ich war noch recht neu in Köln, musste in eine Studentenwohnung umziehen, und an der Theke sagte man mir für den darauffolgenden Tag Unterstützung zu. Diese wuchs schnell zur „größtmöglichen“ an, nachdem ich eine Runde Kölsch ausgegeben hatte.
Am nächsten Morgen war keiner da.
„Wofür ich Köln liebe“: Lässig leben
Sie fragen sich jetzt sicherlich, wie es da noch zu einer Köln-Liebe kommen konnte. In der Tat war ich zunächst mächtig „sickig“ auf all diese Schwadlappen, aber nur kurz: Ihre Ausreden beim nächsten Thekenbesuch waren herzergreifend – typisch kölsch eben. So bestand etwa Bernd darauf, dass das gar nicht sein könne, dass er zugesagt habe. Weil: „Su jet sage ich nie!“
Viel reden, wenig machen: Die Eigenart, dass man in der Geburtsstadt von Konrad Adenauer, Heinrich Böll oder Willi Herren eher lässig lebt und kaum ein Projekt zeitnah umzusetzen vermag, habe ich schnell begriffen. Nicht nur ich. Fragen Sie mal die Preußen nach der Domvollendung.
Schriftsteller Frank Goosen ist sich ja sicher: „Woanders ist auch scheiße.“ Wozu dann aufregen? Meine Wurzeln liegen mitten in Westfalen. Wer in der Soester Börde in eine Kneipe kommt, findet auch keine Umzugshelfer, sondern stößt auf ein eher wortkarges Klientel – falls nicht gerade Allerheiligenkirmes ist.
Keine Anonymität der Großstadt im Veedel
Köln ist wirklich spürbar anders. Eine Millionenmetropole am Rhein, deren Bewohner aber das Kleinräumliche so feiern und lieben: „unser Veedel“. Wenn das zu später Stunde besungen wird, fließen oft Tränen – im Bewusstsein dieses Außergewöhnlichen. Von der Anonymität einer Großstadt ist hier keine Spur, nicht am Büdchen oder beim Klaaf und Tratsch an der Theke. Es ist ein Ort der Verlässlichkeit im immer schneller werdenden Alltag. Pitter, Heinz und Angelika – es sind fast immer dieselben Gestalten – mutieren zu einer Konstante, die jeder KI trotzt. „Denn he stonn mer zesamme, ejal was och passet…“
Wenn das Leben voll von Widersprüchen ist, wie es heißt, dann ist Köln die richtige Stadt für ein Zuhause. Es ist vielmehr das Gefühl und nicht eine Stadtrundfahrt, die Köln ausmacht. Gelungene Stadtplanung, schöne Plätze – das gibt es woanders. Aber dieses Empfinden, für das es kein Wort gibt, wenn ich an Kölle denk – das gibt es nur hier.
Wie viel Lebensfreude in dieser Stadt steckt, zeigt sich alljährlich, wenn das Ventil Karneval geöffnet wird. Zum Brauchtum gehört auch der 1. FC Köln: Seit 1983 chronisch titellos, aber im Rhein-Energie-Stadion mit einer Stimmung, die meisterhaft ist. Wir sind sicherlich nicht die „Weltmeister vum Rhing“, aber vorbildlich, wenn es um Toleranz oder andere Werte im Leben geht. Diese sind im kölschen Grundgesetz verankert worden. Tenor der elf Artikel: Heul nicht herum, wegen Dingen, die Du nicht ändern kannst. Bleib locker und sei offen für das, was kommt. Alaaf!