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Eklat im Prozess um Rizin-BomberWutausbruch des Angeklagten im Gerichtssaal

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Hauptverhandlung im Strafverfahren gegen den tunesischen Staatsangehörigen Sief Allah H. (Archivbild)

Köln – Der Angeklagte Sief Allah H. geriet außer sich, als er am Freitag im „Rizinbomber-Prozess“ erfuhr, dass seine Frau Yasmin H. am Vortag beim Familiengericht im Köln einen Scheidungsantrag eingereicht hatte. Zuvor hatte die Verteidigerin der 43-Jährigen, die mit ihrem Mann in Chorweiler ein islamistisches Bombenattentat mit dem Biokampfstoff Rizin vorbereitet haben soll, dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf die Neuigkeit mitgeteilt.

„Ich kann nicht mehr“

In der anschließenden Pause versuchten die Anwälte Ralf Dalla Fini und Serkan Alkan, ihrem Mandanten in der Zelle zu erklären, welche Konsequenzen der Antrag seiner Frau habe, vor allem für den Umgang mit den beiden gemeinsamen Kindern. Erst da begriff der Angeklagte, welcher Schlag ihn kurz vor seinem 31. Geburtstag getroffen hatte. Zurück im Sitzungssaal, schimpfte er aufgebracht los, zum ersten Mal mehrfach auf Deutsch; den Rest übersetzte ein Dolmetscher. „Ich kann nicht mehr“, sagte er, „ich explodiere.“ Er wolle sofort zurück in seine Zelle.

Aufgebracht und mit bitterer Ironie wandte er sich an Yasmin H.: „Danke sehr für alles. Das hast du gut gemacht.“ Und weiter: „Ich bin Sief Allah H. Ich bin im vollständigen Besitz meiner mentalen Kräfte. Jeder muss Zeuge der Tatsache sein, dass ich dich religiös verstoßen habe. Nur dass die Sache damit geklärt ist und jeder anschließend seinen Weg geht.“ Dem Senat warf er vor: „ Es gibt keine Gerechtigkeit, keine Neutralität.“ Die Richter wollten „nur hören, was Ihnen passt“.

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In ruhigem Tonfall sagte Jan van Lessen, Vorsitzender des Senats, Yasmin H.s Scheidungsabsicht sei schon früher Thema gewesen. „Atmen Sie mal tief durch.“ Doch Sief Allah H. wiederholte: „Heute kann ich nicht mehr.“ Dabei blieb er auch nach einer Pause. Dalla Fini beantragte erneut, die Verhandlung zu unterbrechen und ein psychologisches Gutachten zur Verhandlungsfähigkeit seines Mandanten einzuholen.

Ihm und anderen Verteidigern reicht nicht, was bereits geschehen ist: Nachdem der Angeklagte tags zuvor behauptet hatte, er leide so sehr unter der Trennung von seinen Kindern, dass er nicht mehr fähig sei, dem Prozess zu folgen, hatte der Senat einen medizinischen Sachverständigen kommen lassen. Dieser hält Sief Allah H. für verhandlungsfähig, ebenso wie der Leiter des psychologischen Dienst der JVA Köln, der ihn ebenfalls untersucht hat.

Sief Allah H.s Anwälte wollen Mandat niederlegen

Die Verteidigung kritisiert, der Sachverständige sei nicht kompetent genug und die Untersuchung im Gefängnis mangelhaft gewesen. Mehr noch: Yasmin Hs. Rechtsvertreter, Seda Başay-Yıldız und Ali Aydin, haben beantragt, ihre Bestellung zu Pflichtverteidigern zu widerrufen. Immer wieder habe der Vorsitzende ihre Fragen, Beanstandungen und Anträge zurückgestellt und dies mit einer „zügigen und sachgerechten Durchführung des Verfahrens“ begründet. Ein fairer Prozess sei so nicht möglich.

Entschieden ist über den Antrag noch nicht. Der Vorsitzende verwahrte sich gegen die Kritik. Zum Schluss entschied der Senat, den Prozess zu unterbrechen, „aus reiner Rücksichtnahme auf die Befindlichkeit“ Sief Allah Hs., wie van Lessen sagte. Zugleich betonte er: „Der Senat hat keine Anhaltspunkte für eine Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten.“ Der Prozess wird am 8. August fortgesetzt.