Prozess gegen Kölner Rizin-BomberSief Allah H. glorifiziert Kampf für den Islam
Köln – Im Prozess gegen den Tunesier Sief Allah H. und seine deutschen Ehefrau Yasmin H., die in Köln an einer Bombe mit dem hochgiftigen Biokampfstoff Rizin gebaut haben sollen, ist am Donnerstag erneut deutlich geworden, wie stark sich der 30-jährige Angeklagte offenbar mit der radikalislamistischen Ideologie identifiziert hat.
Im Hochsicherheitsgebäude des Düsseldorfer Landgerichts sagte eine Kriminalhauptkommissarin des Bundeskriminalamts im Zeugenstand, ein Islamwissenschaftler habe zwei Facebook-Profile, die Sief Allah H. zuzuordnen seien, „gesichtet und bewertet“ und sei zu folgendem Ergebnis gekommen: Ein Account habe beim Nutzer einen „religiös salafistischen Charakter erkennen lassen“, und der andere Account zeuge von einer extremen „dschihadistischen Geisteshaltung“: Der Dschihad, das heißt der Kampf zur Verbreitung und Verteidigung des Islams, werde dort „glorifiziert“, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als „gerecht und gottgefällig“ definiert, und alle Nicht-Muslime würden als „Ungläubige“ abgewertet. Letzteren Account habe der Angeklagte bis kurz vor seiner Festnahme Mitte Juni 2018 genutzt.
Die Bundesstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass Sief Allah H. und seine 13 Jahre ältere Frau, die zum Islam konvertiert ist, von Herbst 2017 an einen islamistischen Terroranschlag vorbereiteten, mit dem sie an einem belebten Ort so viele „Ungläubige“ wie möglich umbringen wollten.
Testsprengung auf der Wiese
Für den Bau einer Splitterbombe hätten sie in ihre Wohnung an der Osloer Straße in Chorweiler aus mehr als 3000 Riznuss-Samen das hochtoxische Rizin hergestellt; außerdem habe das Paar 250 Stahlkugeln bestellt und sich bei einem polnischen Online-Anbieter Feuerwerkskörper, die in Deutschland nicht zugelassen sind, beschafft. Sief Allah H. soll auf einer Wiese eine Testsprengung vorgenommen und die Wirkung des Gifts an einem Hamster ausprobiert haben, der allerdings überlebte. Yasmin H. sei aktiv in die Vorbereitung eingebunden gewesen. Der Anklage zufolge wurde das Ehepaar wahrscheinlich von IS-Kontaktleuten über den Messenger-Dienst Telegram angeleitet.
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Soziale Medien scheinen überhaupt eine große Rolle gespielt zu haben. Zum Beispiel auch Twitter. Zur Auswertung von entsprechenden Nachrichten, die man zwar nicht unmittelbar auf einem Mobiltelefon des Angeklagten, aber in der „Cloud“ genannten Datenwolke gefunden habe, sagte die Beamtin des BKA, Themen seien unter anderem die Zerstörung eines Militärfahrzeugs der ägyptischen Armee, Selbstmordanschläge und der IS gewesen.
In der Zeugenaussage kam ebenso wieder zur Sprache, dass es um die Ehe der Angeklagten, die sich über Facebook kennengelernt hatten, im Herbst 2015 in Tunesien geheiratet und zwei gemeinsame Kinder haben, nicht gut bestellt war. Von „vermehrten Familienstreitigkeiten“ im Jahr 2017 war am Donnerstag die Rede. Der Tunesier sei nicht damit zurechtgekommen, dass seine Frau mehrere Kinder aus früheren Verbindungen mit in die Ehe gebracht habe. Nach der Geburt der gemeinsamen Tochter habe Sief Allah H., der zweimal vergeblich versucht haben soll, nach Syrien zu gelangen, gedroht, er werde das Kind "mit nach Syrien zum IS nehmen“. Darauf habe Yasmin H. nach ihrer Darstellung seinen Reisepass versteckt, um die Ausreise zu verhindern.
Der Prozess vor dem Strafschutzsenat wird an diesem Freitag fortgesetzt.