Aber auch an anderen Orten in der Stadt mehren sich die Fälle von sexueller Gewalt.
KriminalstatistikFast doppelt so viele Sexualstraftaten in Kölner Bussen und Bahnen wie vor vier Jahren
Die Frau wehrte sich nach allen Kräften, dennoch ließ der Täter zunächst nicht von ihr ab. Seit mehr als einem halben Jahr fahndet die Polizei nun schon nach einem 15 bis 20 Jahre alten Jugendlichen oder Heranwachsenden. Am Abend des 13. Mai, einem Samstag, soll er eine 58 Jahre alte Frau in einer Straßenbahn der Linie 9 in Richtung Königsforst sexuell belästigt und angegriffen haben. Laut Polizei fasste der Täter ihr an die Brust und entblößte sich vor ihr. An der Haltestelle Rath-Heumar zerrte er die Frau aus der Bahn und in Richtung eines Parkplatzes. Erst als Zeugen aufmerksam wurden und dem Opfer zur Hilfe eilten, ließ der Täter von der 58-Jährigen ab und flüchtete. Bis heute ist der Fall nicht geklärt.
Es ist nur einer von mehreren sexuellen Übergriffen in Bussen, Bahnen und an KVB-Haltestellen in Köln im vorigen Jahr. Zwar sind diese körperlichen Angriffe nur sehr selten, die Zahl war in den vergangenen Jahren stets einstellig. Jedoch stieg zuletzt die Zahl der sexuellen Belästigungen im ÖPNV stark an – also etwa Beleidigungen, herabwürdigende Bemerkungen und unerwünschte Annäherungen. Das berichtet die Polizei auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Köln: Die meisten Sexualstraftaten werden im häuslichen Umfeld begangen
Demnach wurden im Jahr 2018 insgesamt 89 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Bussen und Bahnen der KVB angezeigt. Zwei Jahre später waren es schon 124 und 2022 insgesamt 171. Im Corona-Jahr 2021 sank die Zahl wohl auch bedingt durch die Lockdowns und die geringere Mobilität in der Stadt auf 79. Die Zahlen für das vorige Jahr werden demnächst bei der Vorstellung der Kriminalstatistik bekannt gegeben.
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Die womöglich naheliegende Schlussfolgerung, in Bussen und Bahnen sei es in dieser Hinsicht besonders gefährlich, greift dennoch zu kurz. Zwar ist der Anstieg hier besonders deutlich, die Zahl hat sich seit 2018 immerhin fast verdoppelt. Aber auch insgesamt steigt die Zahl der angezeigten Fälle sexueller Gewalt in Köln seit vier Jahren, nicht nur in öffentlichen Verkehrsmitteln, auch zum Beispiel in Schwimmbädern, auf der Straße oder – und dies vor allem – im häuslichen Umfeld.
Köln: Neun von zehn Sexualstraftätern sind männlich
Laut Polizeistatistik wurden 2022 in Köln 28 Prozent aller Taten in einem Wohnhaus begangen. In Bussen, Zügen und Bahnen waren es acht Prozent. Die meisten Fälle wurden aus dem Bereich der Polizeiinspektion 1 (Innenstadt) gemeldet. Dahinter folgt die Inspektion 6, zuständig für den Südosten der Stadt mit unter anderem Kalk, Ostheim, Poll und Porz. Die wenigsten Taten wurden aus der Polizeiinspektion 2 im Südwesten gemeldet, also etwa in Meschenich, Lindenthal, Sülz, Hahnwald oder Rodenkirchen. Neun von zehn Tatverdächtigen waren laut Statistik männlich. 61 Prozent hatten die deutsche Staatsangehörigkeit. Unter den Opfern war ein knappes Drittel jünger als 18 Jahre.
Allein von Januar bis August 2023 erfuhr die Polizei täglich von ungefähr sechs Sexualstraftaten in Köln, insgesamt waren es mehr als 1500. In den meisten Fällen ging es um die Verbreitung von pornografischen Bildern oder Videos, häufig auch kinderpornografisches Material. Etwa ein Viertel aller Anzeigen bezieht sich auf sexuellen Missbrauch, oft geht es hierbei um exhibitionistische Handlungen. Hinzu kommen Fälle von Vergewaltigung, Nötigung und sexuellen Übergriffen.
Die Gründe für den Anstieg der Zahlen sind nicht eindeutig zu klären. Folgt man der Polizei, erstatten die Opfer öfter als noch vor einigen Jahren Strafanzeige. Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von einer Aufhellung des Dunkelfeldes. „Sexualdelikte, darunter auch Nötigungen und Beleidigungen auf sexueller Basis, werden offensichtlich häufiger, frühzeitiger und niedrigschwelliger zur Anzeige gebracht“, sagt ein Polizeisprecher. Vor allem seit der Kölner Silvesternacht 2015 mit massenhaften Übergriffen auf Frauen vor dem Hauptbahnhof sind die Anzeigenzahlen im Bereich sexueller Gewalt deutlich gestiegen.