Kölner Apotheker zieht Bilanz„Menschen brauchen jetzt weniger Medikamente“
- Drei Monate nach dem Ausbruch der Corona-Krise in Deutschland haben wir Kölner, die außergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt waren, gebeten, Bilanz zu ziehen.
- Der Kölner Apotheker Thomas Preis erzählt von unglaublicher Anspannung und extremen Arbeitszeiten. Er erklärt aber auch, warum Apotheken, anders als gemeinhin angenommen, nicht von der Krise profitieren.
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Köln – Als Ende Februar die ersten Fälle in Italien bekannt wurden, habe ich die Entwicklungen sehr genau verfolgt. Ich war gerade erst von einer Reise aus Südtirol zurückgekehrt. Mir war sofort klar: Das Virus kommt auch nach Deutschland. Und auch hier werden die Infektionszahlen ansteigen.
Für die Apotheken war das eine große Herausforderung. Wir wurden extrem gefordert. Zum einen gab es einen unglaublichen Aufklärungsbedarf, zum anderen einen stark erhöhten Bedarf an Arzneimitteln und weiteren Produkten. Direkt zu Beginn der Pandemie waren Desinfektionsmittel ausverkauft. Wir haben innerhalb weniger Tage so viel verkauft wie sonst in einem Jahr. Wir haben nach Alternativen gesucht und Desinfektionsmittel in der Apotheke selbst hergestellt. Aber auch das war schwierig. Wir konnten zwar Inhaltsstoffe aufbringen, es fehlten aber die Gefäße. Es hakte an allen Ecken und Enden in der Lieferkette. Aber die wesentlichen Nachfrager wie Ärzte, Pflegedienste und chronisch Kranke konnten wir immer versorgen. Diese extreme Ausnahmesituation ist Gott sei Dank vorbei. Nach den Desinfektionsmitteln stieg der Bedarf an Mund- und Nasen-Schutz. Die anfänglichen großen Lieferprobleme konnten quasi pünktlich mit der Einführung der Maskenpflicht überwunden werden. Aktuell sind sie in jeder Apotheke erhältlich.
Viele Patienten, die regelmäßig Medikamente einnehmen müssen, haben sich diese zu Beginn der Pandemie vom Arzt verordnen lassen, um auch dort im Falle von Lieferengpässen vorbeugend versorgt zu sein. Auch Medikamente wie Schmerz- und Fiebermittel wurden auf Vorrat gekauft. Letztlich konnten die Apotheken aber immer liefern. Wir sind froh, dass wir keinen Patienten unversorgt nach Hause schicken mussten.
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Nach dem Boom tritt gerade das Gegenteil ein. Die Menschen sind mit Medikamenten versorgt. Bereits im April sind 15 Prozent weniger Rezepte eingereicht worden. Ich gehe davon aus, dass dieser Trend weiter anhalten wird. Die Menschen haben Reserven in den Hausapotheken und es gehen aktuell weniger Patienten aus Angst vor Ansteckung zum Arzt. Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass sich die meisten Menschen in den letzten Wochen hervorragend an Abstandhalten, Maskentragen und Händewaschen gehalten haben.
So haben wir nicht nur die Infektionen mit dem Coronavirus zurückdrängen können. Auch Grippe- und Erkältungsviren wurden nicht mehr so häufig übertragen. So war fast schlagartig die Grippewelle beendet – viel früher als gewöhnlich. Normale Erkältungskrankheiten sind zur Rarität geworden. Auch deshalb brauchen die Menschen jetzt weniger Medikamente.
Ich bin davon überzeugt, dass wir uns in Zukunft im täglichen Umgang anders verhalten werden und vielleicht nicht mehr mit einem starken Husten zur Arbeit gehen oder Kinder in die Kita schicken. Dadurch werden wir viele Erkrankungen vermeiden können.
Im Moment haben wir wieder mehr Zeit für intensivere Beratungen und um Liegengebliebenes aufzuarbeiten. Die Apotheken sind ganz sicher keine Gewinner der Krise. Gerade zu Beginn der Pandemie waren die Anstrengungen groß – organisatorisch und finanziell.
Teure Schutzmaßnahmen
Apotheken haben umfangreiche Schutzmaßnahmen ergriffen, wie Plexiglas in den Verkaufsräumen, Masken und Visiere, den Botendienst verstärkt sowie Schulungen für Mitarbeiter durchgeführt. Ohne diese Investitionen zu berücksichtigen, könnten die meisten Apotheken nach dem Boom und dem nun folgenden Rückgang im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr vom Umsatz und Ertrag her bei Plus/Minus Null herauskommen.
Die zweite Jahreshälfte wird zeigen, ob die Apotheken mit den veränderten Rahmenbedingungen wirtschaftlich klarkommen.Die vergangenen Wochen waren geprägt von unglaublicher Anspannung und extremen Arbeitszeiten, um immer präsent zu sein und Sicherheitsvorkehrungen anzupassen. Doch all das hat sich gelohnt.
Durch die Sicherheitskonzepte musste im Apothekerverband Nordrhein keine Apotheke wegen Corona schließen, obwohl Apotheken von den meisten Kunden und Patienten frequentiert wird. Wir sind erreichbar rund um die Uhr – nachts und am Wochenende.
Aufgezeichnet von Katharina Hensel