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„Sie war eine Seele“Kölner Autor stellt Roman über Auguste Amalie Julie Adenauer vor

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Männer sitzen auf Stühlen, einer liest aus einem Buch.

Christoph Wortberg (l.) mit Konrad Adenauer, Stief-Enkel von Gussie Adenauer.

Sein Roman über die zweite Frau Konrad Adenauers sei auch ein Buch zum Thema Widerstand geworden, so Autor Christoph Wortberg.

Sie hätte Deutschlands erste First Lady nach dem Zweiten Weltkrieg werden können. Doch kurz bevor ihr Mann Konrad Adenauer 1949 zum ersten Bundeskanzler gewählt wurde, starb Auguste Amalie Julie Adenauer, geborene Zinsser, mit nur 52 Jahren. Sie war die zweite Frau des „Alten“, Mutter von vier gemeinsamen Kindern (ein fünftes Kind starb früh) – und 19 Jahre jünger als er.

Das Leben der Gussie, wie die Tochter eines Dermatologen nur genannt wurde, hat der Kölner Autor Christoph Wortberg nun in einem Roman verarbeitet. Darin erinnert sich die Sterbenskranke an ihre Zeit an der Seite des Kölner Oberbürgermeisters, der an der Lindenthaler Max-Bruch-Straße mit seiner ersten Frau Emma und den drei Kindern nur einen Steinwurf von ihrem Elternhaus entfernt wohnte. Die Familien sind befreundet. Adenauer, ab 1915 bereits Witwer, bewundert Gussies Geigenspiel, unterhält sich mit ihr immer ausgiebiger über Gartenarbeit, schreibt ihr Briefe. Dann erscheint Konrad eines Tages mit einem Blumenstrauß im Haus der Zinssers und hält um die Hand der 23-jährigen Tochter an. „Dass er drei Kinder hatte von seiner verstorbenen Frau, war ihr egal“, heißt es im Roman: „Ob sie verliebt war, fragte sie sich nicht. Es hätte nichts geändert. Er war ihre Zukunft.“

Konrad Adenauer und seine Ehefrau seien „sehr, sehr unterschiedlich“ gewesen

Sein Buch mit dem Titel „Gussie“ stellte Wortberg jetzt dort vor, wo sich die guten Tage dieser Ehe abspielten: In der Villa der Adenauers an der Max-Bruch-Straße, die seit den 1980-er Jahren nicht mehr der Familie gehört. Rein zufällig sei er auf sein Thema gestoßen, erzählt der 60-Jährige, der auch als Drehbuchautor arbeitet. Beim Spazierengehen sei ihm die Info-Plakette am Grundstück des Baudenkmals aufgefallen. Dann habe er sich ins Thema eingelesen, den Namen Gussie „fantastisch“ gefunden und sofort gewusst: „Über diese Frau würde ich einen Roman schreiben.“ An die historischen Fakten habe er sich dabei gehalten, die Figur aber durch eigenes Zutun ausgestaltet. Herausgekommen ist eine handwerklich professionell komponierte und gut lesbare Geschichte mit einem Hauch Rosamunde-Pilcher-Anmutung, die sich am Schluss zunehmend mit anrührender Tragik mischt. Sorgen und Angst waren in den späten Lebensjahren treue Wegbegleiter der Gussie.

Wortbergs Gesprächspartner bei der Buchpremiere war Konrad Adenauer, der als Enkel des Bundeskanzlers und seiner ersten Frau als Kind auch Gussie noch miterlebte. Vor allem jedoch habe er sie durch die Schilderungen seiner Mutter gekannt: „Die hat immer geschwärmt von der „Mutter Gussie“. Für seinen Vater sei es nicht einfach gewesen, eine neue Mutter zu bekommen, die nur zehn Jahre älter war als er. Doch anders als seine eigene Großmutter sei Gussie eine warmherzige Frau gewesen: „Sie war für uns eine liebe Großmutter“, so der 79-Jährige. „Sie war eine Seele.“ Und dabei durchaus eine eigenständige Persönlichkeit: „Man könnte denken, sie sei verheiratet worden, aber dazu war sie zu selbstbewusst.“ Konrad und Gussie seien zwar „sehr, sehr unterschiedlich“ gewesen, erläuterte Christoph Wortberg, hätten aber gerade deshalb gut zueinander gepasst: „Bei allen Zweifeln hat sie am Ende nicht grundsätzlich in Frage gestellt, das Leben mit Adenauer zu teilen.“

Cover des Romans „Gussie“ von Christoph Wortberg

Das Cover des Romans „Gussie“ von Christoph Wortberg

Während der Nazi-Zeit war dieses Leben allerdings alles andere als leicht. 1933 wird Adenauer als Oberbürgermeister abgesetzt, flieht aus Köln und versteckt sich in der Abtei Maria Laach. Als er im Zusammenhang des missglückten Attentatsversuchs auf Adolf Hitler 1944 in das Internierungslager auf dem Deutzer Messegelände gebracht wird, organisiert seine Frau eine Befreiungsaktion, sieht sich aber unter dem Druck der Gestapo gezwungen, das Versteck ihres Mannes zu verraten. Gussie wird in das Gefängnis Brauweiler gebracht, wo sie einen Selbstmordversuch unternimmt. Am 3. März 1948 stirbt sie, womöglich an den Folgen dieses Selbstmordversuchs.

Es sei auch ein Buch zum Thema Widerstand geworden, so Christoph Wortberg – „in einer Zeit, in der die Demokratie zunehmend gefährdet ist“. Damals sei es nicht um Meinungen gegangen, sondern um Haltungen. „Mir ist klar geworden, was es wirklich bedeutet, Widerstand zu leisten.“ Auch die Zeitumstände, in denen der Roman spielt, hätten ihn interessiert. Gussie sei gestorben, als das „Dritte Reich“ noch nicht bewältigt war und die neue Zeit noch nicht begonnen habe. Konrad Adenauer fand lobende Worte für den Autor: „Sie haben unserer Stief-Großmutter ein hervorragendes Denkmal gesetzt.“

„Gussie“ von Christoph Wortberg erscheint am 18. April im dtv-Verlag, 288 Seiten, 24 Euro.