Die Geschichte hat etwas von einem Krimi. Es geht um einen „Künstler zwischen Diktatur und Demokratie“, so der Titel in der Kunst- und Museumsbibliothek (KMB) der Stadt Köln. „Wir haben auch überlegt, sie »Der Adlermacher« zu nennen“, sagt Elke Purpus, Leiterin der KMB, die sich in einem Projekt intensiv mit dem Kölner Bildhauer Willy Meller (1887-1974) befasst hat. Er gehörte zu den meistbeschäftigten Bildhauern in der NS-Zeit, war maßgeblich an der Ausstattung der NS-Ordensburgen Krössinsee (im heutigen Polen) und Vogelsang in der Eifel beteiligt. Und er schuf Adler, darunter 1936 fürs Eingangsportal des Kölner Flughafens Butzweilerhof, 1945 für das Palais Schaumburg in Bonn.
Auch an der Rodenkirchener Autobahnbrücke prangt einer seiner Adler, das Hakenkreuz darunter wurde bis auf kleinere Spuren entfernt, „aber es gibt keine erklärenden Hinweise“. Denn das ist eine der Hoffnungen, die Purpus mit dieser ungewöhnlichen Ausstellung verbindet: Dass Mellers Arbeiten im öffentlichen Raum diskutiert und erläutert werden, sie sollen nicht entfernt, sondern in den richtigen Kontext gesetzt werden.
Bei Fremden geklingelt
Kunst und Museumsbibliothek der Stadt Köln
Heinrich-Böll-Platz
Eröffnung am Donnerstag, 26. Juni, 19 Uhr
geöffnet Mo. 14 bis 21 Uhr, Di.-Do. 10 bis 21 Uhr, Fr-So. 10 bis 18 Uhr
Kunst- und Museumsbibliothek
Elke Purpus hatte gelesen, dass Mellers letztes Atelier in Köln-Weiß war, und machte sich auf zu einem Spaziergang, um zu sehen, ob es das Haus noch gibt. Es gab nicht nur das Haus, im Garten standen auch zwei Skulpturen des Bildhauers. „Und ich habe dann geklingelt, was ich sonst nie machen würde“, erzählt sie. Die neuen Besitzer, das Ehepaar Bischoff, hatte das arg heruntergekommene Haus in den 1970er Jahren gekauft, inklusive komplett ausgestattetem Atelier und jeder Menge biografischen Materials. In Zusammenarbeit mit der KBM wurden Aufzeichnungen und Fotografien gesichtet und in die Datenbank der Bibliothek eingespeist, insgesamt rund 3000 Dokumente.
Vieles ist jetzt in den Vitrinen zu sehen, Entwürfe für ein monströses Portalrelief für die Ordensburg Vogelsang, Fotos und Zeitungsberichte über die Skulpturengruppe „Die Opfer“, 1961 von den Frechener Quarzwerken in Auftrag gegeben und das bedeutendste Nachkriegswerk Mellers. Purpus kann aber auch nachweisen, dass Meller seine nationalsozialistische Ideologie nicht abgelegt hatte, er zeigt lediglich deutsche Opfer, es sind keine Erinnerungen an die Menschen in den Konzentrationslagern oder die Toten in anderen Ländern.
Willy Meller war Mitglied der NSDAP und wurde 1939 von Adolf Hitler zum Professor ernannt. Auf den Titel hat er auch nach dem Krieg bestanden, verwies darauf auch bei Bewerbungen um Aufträge. Und die bekam er reichlich, allein die Deutsche Bundespost hat ihm fünf Großaufträge erteilt, darunter eine Bauplastik für die Hauptpost in Bochum.
Bei der Entnazifizierung wurde er als „Mitläufer“ eingestuft, nicht zuletzt weil er angab, nur 290 000 Reichsmark verdient zu haben. in seinem in Weiß entdeckten Kontobuch dagegen sind Einnahmen in Höhe von 751 096, 54 Reichsmark notiert. Für seine Arbeiten an der Ordensburg verschickte er noch Rechnungen, als diese schon längst von den Briten besetzt war.
Der Nachlass Willy Mellers ist arg „bereinigt worden“, erzählt Elke Purpus, trotzdem fragt sie sich, weshalb die Auftraggeber nach dem Krieg nicht gründlicher recherchiert hätten und warum viele seiner Werke immer noch „unkommentiert im öffentlichen Raum stehen“.