Kölner BrillengeschäftEin Laden, in den man sich kaum traut
Köln – Gibt es noch jemanden, der ein Telefon mit Wählscheibe Zuhause hat? Und die komplette Brockhaus-Enzyklopädie im Bücherregal? Außerdem einen Zeitungsständer in Wiener Geflecht, einen Gong an der Wand und eine mechanische Schreibmaschine auf dem Beistelltisch? – Natürlich werden Kölnerinnen und Kölner hier und da noch solche Dinge besitzen. Aber man wird in der ganzen Stadt kein Geschäft finden, das so konsequent wie ein Wohnzimmer gestaltet ist – beziehungsweise wie ein Salon aus der guten alten Zeit.
Was auf der einen Seite eine Menge Charme entfaltet, birgt auf der anderen Seite allerdings auch ein Problem: Passanten oder potenzielle Kunden trauen sich bei „Piano Optik“ kaum rein, „weil sie glauben, sie würden hier jemandem in seiner Privatsphäre stören“, sagt Jamal Hakim und lacht. Daran sieht man, dass der 43-Jährige bei der Einrichtung seines Ladens wirklich ganze Arbeit geleistet hat.
Chippendale-Sitzgruppe im Verkaufsraum
Schaut man durch das Schaufenster des Hauses, in dem lange Zeit die Filiale eines Geldinstituts untergebracht war, sieht man einen Kristalllüster, schwere blaue Samtvorhänge, ein Klavier. Auf einem handgeknüpften Nain-Teppich steht eine bildschöne Chippendale-Sitzgruppe. Auch der Wandschrank und die Vitrine sind aus dieser Epoche. Nirgendwo ist auf Anhieb zu erkennen, dass dies der Verkaufsraum eines Geschäftes ist.
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Na gut, er ist ja auch mehr als das. Es ist auch ein Ort, wo Nachbarn auf einen Kaffee hereinschneien, ab und zu Kinder spielen oder wo schon mal jemand in die Tasten haut. Weil die Hunde aus der Nachbarschaft längst wissen, dass man hier nicht nur Belgische Trüffel abstauben kann, werden die Halter mitunter auch gegen ihren Willen in den Laden gezogen. Jamal Hakim hat eine Tierhaarallergie und kann trotzdem an keinem Vierbeiner vorbei, ohne ihn zu kraulen.
„Tausend Stunden im Internet gesucht“
Er habe „sicher tausend Stunden im Internet“ nach Inventar gesucht, berichtet der Optikermeister und schildert, wie er den Sekretär aus Hannover, den Leuchter aus Koblenz, die eine Wanduhr aus Bayern und den Spiegelschrank an Kiel holte. „Eigentlich sammele er bereits seit 2017. Doch dann habe das Hochwasser im vergangenen Sommer auch ein Großteil seiner Schätze ramponiert, da der Keller, wo er die Möbelstücke gelagert hatte, vollgelaufen war.
Während Hakim erzählt, sind im Hintergrund Klänge von „Hoffmanns Erzählungen“ zu vernehmen. Die klassische Musik, die den ganzen Tag über läuft, gehört bei Piano Optik genauso zu den Selbstverständlichkeiten wie die Tasse Kaffee oder der Konfekt. Alles, was er kenne, sei ihm irgendwie „zu eng, zu hart oder zu klein“ erschienen, betont der Mann, der einer kurdischen Familie im Iran entstammt und vor seinem Umzug nach Köln 16 Jahre in den Niederlanden – hauptsächlich in Rotterdam – gelebt und gearbeitet hat.Dann kam er auf den Köln-Geschmack und fühlt sich total wohl in dieser Stadt.
Modelle von kleinen Herstellern
Um sehen zu können, womit Hakim sein Geld verdient, muss man das Wohnzimmer passieren und gelangt von dort in den Salon mit den Brillen. Auch hier gibt es eine Besonderheit: Modelle, auf denen zentimetergroß die bekannten Labels zu erkennen sind, fehlen komplett. Er beziehe seine Ware fast ausschließlich über kleine Firmen oder Manufakturen, betont der Optikermeister, der neben Fassungen aus Bio-Acetat auch welche aus Holz, Horn oder Schiefer anbietet, aber immer erst mit seinen Kunden ins Gespräch kommen möchte, um herauszufinden: was passt am besten zu diesem Menschen und zu seinem Gesicht.
Die Bestimmung der Sehschärfe findet in einem angrenzenden Raum statt, der ebenfalls mit schönem alten Mobiliar bestückt ist. Und weil die modernen Messgeräte mit ihren schnöden Kunststoffgehäusen nicht zum Interieur des Geschäfts passen, hat Hakim die Technik ebenfalls antik umkleidet.
Piano Optik, Luxemburger Straße 234, Sülz. Telefon: 0221-42333977 Öffnungszeiten: Montags bis freitags 10-20, samstags 10-18 Uhr