Kölner Comedian Dave Davis„Ich bin ein Terrorist der rheinischen Lebensfreude"
Köln – Dave Davis, 1973 in Köln geboren, ist Kabarettist, Musikproduzent, Komiker und lebt in Bonn. Bekannt wurde er als Toilettenmann Motombo Umbokko. Die Kunstfigur stammt aus dem fiktiven Land Nfuddu und lebt als Flüchtling von der Abschiebung bedroht in Deutschland. Die Komik ergibt sich vor allem aus den scheinbaren Problemen mit der deutschen Sprache. So werden Begriffe wie Hartz IV zu „Hass-Vier“ und bekannte Redewendungen satirisch verfremdet, wie z. B. „Deutschland muss den Strick enger schnallen“. Seit 2014 tritt er fernab der Rolle des Toilettenmannes unter seinem Namen Dave Davis auf. Gerade hatte er seinen ersten Auftritt bei den „Mitternachtsspitzen“ im WDR und am 27. April gastiert er mit seinem aktuellen Soloprogramm „Ruhig, Brauner!“ im Kölner Gloria Theater. Dort haben wir ihn zum Gespräch getroffen.
Herr Davis, wie geht es Ihnen nach zwei Jahren Corona?
Aktuell sehr gut, weil ich wieder auf die Bühne kann. Mein Thema ist ja Lebensfreude. Frieden – nicht zwingend kriegsbezogen, aber das ist aktuell natürlich ein guter Aufhänger. Eher innerer Frieden, Frieden in widrigen Umständen. Ich gehe rein in die Frage, warum man trotz allen Reichtums in Deutschland oft diesen Jammermodus hat.
Ein Beispiel?
Nimm Facebook: das ist mittlerweile eine Plattform für die Empörung älterer Menschen. Finde auf Facebook mal was Positives, da musst du schon lange suchen. Da wird immer das Negative gefiltert. Und bei Tiktok, wo ich in letzter Zeit öfter unterwegs bin, um Spaß zu haben und Spaß zu verbreiten, fängt das seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine auch an. Pro Russland. Ich hab mich erst gewundert, warum ich das kriege, aber die streuen das so brutal. Putin hat ja seine Trollfabriken. Es gibt tatsächlich hohe Bürogebäude, wo nichts anderes gemacht wird, als gegen den Westen zu schießen. Auf Tiktok habe ich neulich eine Frau gefunden, so um die 30, die sich beim Thema Wehrpflicht drüber aufregt, dass sie in einem Land, dass sie zum Impfen zwinge, dienen solle. Da frag ich mich schon: Was hast du für ein Panorama am Laufen? Das ist mein Kernpunkt: den Menschen sagen, dass sie allen Grund zur Freude haben, eben weil sie alles haben. Selbst wenn du Hartz IV kriegst, du verreckst hier nicht. Geh nach Afrika und sag AOK – die denken bestenfalls, das hieße Afrikaner ohne Kleingeld. Dieser Trend, alles Scheiße zu finden, nervt. Dieses ständige „Ja, aber…“ auch im Bekanntenkreis. Deshalb ist mein Programm wichtig.
Aber Sie sind eher der deeskalierende Typ – ihr Programm heißt „Ruhig, Brauner!"
Untertitel „Demokratie ist nichts für Lappen“. Ich bin schon aggressiv. Der Titel bezieht sich auf die Rechtsexkremente im Parlament, wie ich sie nenne. Mein Eindruck ist, die teilen aus wie King Kong, aber stecken ein wie ‚ne Sissi. Die arbeiten bewusst mit Fehlinformationen und streuen sie im Netz. Wer will einem Rechten widersprechen, wenn er was gegen Pädophile sagt? Aber du musst dir klar sein, dass du das Gesamtpaket kaufst. Aber Demokratie heißt, ich muss gewisse Sachen aushalten, ob sie mir passen oder nicht.
Warum darf ich heute nicht mehr Negerkuss sagen? Oder Zigeunerschnitzel?
Ich bin auch mit diesen Wörtern aufgewachsen. Das ist ganz simpel. Zwei Dinge beflügeln weiße Menschen zu diesen Fragen: Zum einen mangelnde Selbstbetroffenheit, zum anderen mangelnde Empathie. Wenn du nicht selbst schwarz bist, wirst du nicht mitbekommen, wie oft dieser Alltagsrassismus vorkommt. Deshalb wirst du auch anders darüber urteilen. Würdest du deine Kinder auf die Magda-Goebbels-Schule schicken? Nein, würdest du nicht. Die Schule gibt es auch nicht, genauso wenig wie die Adolf-Hitler-Straße. Warum? Weil wir Deutschen betroffen sind. Deshalb haben wir Begriffe aus dieser Zeit und Hinweise darauf aus dem öffentlichen Raum entfernt. So fühlt sich jeder Schwarze oder jeder Sinti und Roma auch, wenn er Begriffe hört. Das ist doch nachvollziehbar. Zumal dieser Kolonialismus ja nach wie vor existiert. Das macht Corona deutlich. Dass wir nicht in der Lage sind, für die Zeit der Pandemie die Impfpatente für Afrika frei zu geben, ist ein Armutszeugnis.
Wie würden Sie sich selbst bezeichnen?
Mein Tool ist: Ich arbeite mit dem Gegenteilsprinzip. Wenn du sagst, dass ich farbig bin, dann bist du im Gegenteil farblos. Auf der Bühne sage ich dann: „Farblos stimmt nicht, ich sehe viele Menschen im gedämpften Ferkelrosa…“ Maximalpigmentierter ist auch lustig, dann wärst du nämlich minderpigmentiert. Wenn ich dann meiner Mutter sage, ich habe gestern vor 500 Minderpigmentierten gespielt, dann sagt sie: „Junge, ich bin stolz auf dich, die haben es auch schwer.“ (lacht) Und wenn du sagst, du bist ein Weißer, bin ich ein Schwarzer. Ich spiele damit. Neulich hat mich nach einem Auftritt im Hotel ein deutscher Angestellter nicht auf Deutsch, sondern in schlechtem Englisch angesprochen. Ich habe dann neckend gesagt: „Ihr Deutsch ist gut, aber Ihr Englisch ist schlecht.“ Ich mache immer ein Angebot, wir wollen doch kommunizieren. Man muss positiv drangehen, offen.
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Ihr Programm steht seit zwei Jahren. Wegen Corona können Sie jetzt erst spielen. Wird das aktualisiert?
Der Titel ist aktueller denn je. Das wird nie einfach abgespult. Ich habe Module, die ich ganz variabel einsetzen kann. Du kannst gerade nicht auf die Bühne gehen, und nicht über Krieg reden. Ich muss da nicht historisch dran, mein Job ist eher, Zuversicht zu verbreiten. Ich breche es runter auf den Kern, dass du wissen musst, wer du bist.
Wer sind Sie?
Ich nenne mich einen Terroristen der rheinischen Lebensfreude. Der Kern ist, dass du alles, was du für ein erfülltes Leben brauchst, schon hast, wenn du auf die Welt kommst. Das klingt banal, aber das macht alles aus. Weil du dich nicht glücklich botoxen musst, nicht glücklich studieren. Du musst nicht ins Ahrtal fahren, um Menschen zu helfen. Natürlich sollst du helfen, aber aus einer anderen Motivation heraus. Wenn du dich selber liebst, bist du der beste Partner, den man haben kann. Wenn du jemand in die Augen schaust, sieht du die gleiche Königlichkeit, die du auch hast, und schätzt die Menschen entsprechend. Es ist schade, wenn du durchs Leben gehst und nicht weißt, dass du eine Krone aufhast.
Sie treten auch im Karneval aus. Da sind sie immer noch Motombo Umbokko, ein Toilettenmann. Die Rolle haben sie in ihrem Kabarettprogramm abgelegt.
Ich habe ihn für den Karneval reaktiviert. Das tolle ist, wenn ich im Karneval auftrete, erwartet mich keiner. Ich erreiche das Volk. Nicht, dass ich eine Mission hätte, aber ich finde es super, mit Gags Leute zu erreichen, an die ich sonst nicht ran käme. Wir Deutschen waren nie der Ausbruch der Freude, die aufstehen und sagen: „Juchhee, ein neuer Tag!“ Wir hadern morgens erstmal mit der Schwerkraft. Diese negative Energie umwandeln in was Positives wäre prima. Ich bin seit 2015 im Karneval. Das war mitten in der Flüchtlingskrise. Es war gut, zu sehen, wie viele Menschen damals helfen wollten. Wie Könige eben. Es gab aber auch viele, die den verbalen Schuttrutschen der extremen Rechten teilweise Glauben schenkten. Solche Leute wären damals nie in ein Motombo-Programm gekommen. Und im Karneval kann ich auch diese Menschen erreichen. Ganz anderes Beispiel, warum mir Motombo Spaß macht: Ich erinnere mich, als Motombo vor 1500 Polizisten gespielt zu haben. Mein erster Satz war: „Hallo, bevor ich anfange, folgende Info: Ich bin schwarz. Bitte nicht aus Reflex schießen!“
Dave Davis ist mit seinem Soloprogramm "Ruhig, Brauner! Demokratie ist nichts für Lappen" am 27. April, 20 Uhr, zu Gast im Gloria Theater, Apostelnstr. 11, Köln-Innenstadt. Tickets kosten 27,50 Euro.