Kölner Corona-Protokolle„Viele junge Leute wünschen sich harten Lockdown“
- „Die Krise macht etwas mit uns“ heißt es oft. Was das ist, erfahren wir am besten, wenn wir Menschen begleiten.
- In der Serie „Kölner Corona-Protokolle“ erzählen regelmäßig fünf Menschen, was die Pandemie mit ihnen macht: Sie gefährdet ihre Gesundheit, ihre Freiheit, ihren Beruf und ihre Träume.
- In dieser Folge gewährt Rapper Goldroger zum zweiten Mal einen Einblick in sein Leben.
Köln – Einerseits geht es mir schon ziemlich okay gerade: Ich bin fast jeden Tag im Studio, meine neue Platte, „Diskman Antishok 3“, der Abschluss einer Trilogie, ist so gut wie im Kasten und könnte in diesem Jahr noch erscheinen. Andererseits bin ich müde wie fast jeder gerade und immer unzufriedener damit, wie die Politik mit der Pandemie umgeht. Wenn ich die „Tagesschau“ gucke wird der Eindruck vermittelt, dass viele Menschen Lockerungen fordern würden, weil sie nicht mehr können – und die Regierungen dem nachgeben, obwohl die Zahlen hochgehen.
„Junge Leute wünschen sich harten Lockdown“
In meiner Bubble nehm ich das jedoch ganz anders wahr: Viele der jungen Leute wünschen sich schon seit Monaten einen harten Lockdown, um die Pandemie endlich in den Griff zu kriegen, weil sie dann im Ergebnis halt auch schneller vorbei wäre als mit diesem Hin und Her. In meinem Umkreis ist jeder total vorsichtig – andererseits versteht man dann halt nicht, warum weiter Autos produziert werden, weiter in den Urlaub geflogen wird, der Profifußball weiterläuft, während ambitionierte Jugendsportler kaum eine Möglichkeit haben, sich in Form zu halten und Studenten nur Online-Vorlesungen haben.
Ein Fünftel der Reise als Musiker ist futsch
Es ist, als würde eine ganze Generation um ein paar ihrer wertvollsten Jahre gebracht: Mein Tontechniker wird jetzt immer wieder von der Arbeitsagentur angeschrieben, er solle doch eine Umschulung machen – aber er hatte vor der Pandemie gerade erst seine Ausbildung abgeschlossen und die erste Tour mit uns gemacht! Was ist mit den 17-, 18-jährigen, die Profifußballer werden wollen, aber nicht trainieren dürfen? Den Schauspielerinnen? Studenten? Veranstaltungsleuten? Auch für junge Musiker ist es beschissen: Es gibt keine Perspektive – und wenn normale Konzerte wieder möglich sind, gibt es von Donnerstag bis Sonntag ein Überangebot, dass vielen Talenten den Durchbruch erschwert.
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Ich bin relativ etabliert und habe zum Glück eine super Fanbase – aber am Ende ist Rap auch irgendwie eine Jugendkultur, ziemlich schnelllebig. Wie lange kann ich auf der Bühne stehen? Wären es zum Beispiel zehn Jahre, dann würde die Pandemie mir ein Fünftel meiner Reise als Musiker nehmen.
Rap-Konzerte mit Maske im Sitzen
Im Sommer werde ich – wenn es nach Plan läuft – wieder ein paar coronakonforme Konzerte spielen. Im vergangenen Sommer bin ich in Dortmund vor 300 Zuschauern aufgetreten, alle mussten sitzen und Masken tragen, aber der Veranstalter hat ein Auge zugedrückt, als die Leute auf meine Aufforderung hin aufstanden und ein bisschen tanzten. Die Stimmung war dann schon ziemlich nah an einem „normalen“ Konzert. In Oldenburg aber hat es geregnet, es war kalt, und der Veranstalter hat streng darauf geachtet, dass niemand aufstand – da wurde es schwierig.
Ich bin keine übermäßige Rampensau, keiner, der einseitig animiert, für mich muss eine Interaktion stattfinden, ich muss spüren, dass etwas zurückkommt um mich wirklich in dem Moment zu verlieren. Das ist bei Sitzkonzerten mit Masken schwierig.
„Ich war schon vor Corona Corona-Musiker“
Über Corona gerappt habe ich bislang nicht – in meinen Texten geht es ohnehin oft um Themen wie Einsamkeit, ich bin also sozusagen schon vor Corona ein Corona-Musiker gewesen. Will ich aber auch nicht – man redet ja so schon von nix anderem und hört von nix anderem. Ich glaube, dass die Menschen Kunst, Musik und Kultur brauchen, auch, um mit so einer Krise klarzukommen. Es könnte sein, dass die Szenen total ausdünnen, obwohl die Leute nach der Pandemie ausgehungert sein werden. Ein reiches Land wie Deutschland könnte und müsste das verhindern.
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Nicht den Industrien mit der stärksten Lobby am meisten helfen, sondern allen gleich. Da fehlen mir gerade irgendwie die Bemühungen der Politik.Hoffentlich wird es ab Herbst ein Impfangebot für alle und damit wieder normale Konzerte und Partys geben. Mit Menschen, die dicht gedrängt und verschwitzt vor der Bühne feiern, ohne Masken. Ich kann mir das leider noch nicht so ganz vorstellen. Kann ja auch sein, dass das Feiern, nachdem alle sich so sehnen, gar nicht mehr so wird wie früher.
Meine Tour haben wir auf Januar 2022 verlegt. Viele schreiben mir: Klar! Egal wie lange das noch dauert – wir warten! Mach weiter! Dieser Support macht mich total dankbar. Ich hoffe, dass wir im Januar alle zusammen feiern können. Also richtig feiern, wie früher.