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Kölner Corona-Protokolle„Ich habe Sorge, dass ich mich erneut infizieren könnte“

Lesezeit 4 Minuten
CP-Stier

Wolfgang Stier war schwer an Corona erkrankt.

  1. „Die Krise macht etwas mit uns“ heißt es oft. Was das ist, erfahren wir am besten, wenn wir Menschen begleiten.
  2. In der Serie „Kölner Corona-Protokolle“ erzählen ab sofort regelmäßig fünf Menschen, was die Pandemie mit ihnen macht: Sie gefährdet ihre Gesundheit, ihre Freiheit, ihren Beruf und ihre Träume.
  3. In dieser Folge gewährt Wolfgang Stier zum zweiten Mal einen Einblick in sein Leben, das nicht mehr so ist wie vor der Corona-Infektion.

Köln – Vor drei Monaten bin ich auf der Merheimer Lungenintensivstation aus dem künstlichen Koma erwacht. Jeden Tag bin ich dankbar dafür, die Covid-19-Infektion überlebt zu haben – von den Menschen, die wie ich künstlich beatmet wurden und an einer Herz-Lungen-Maschine angeschlossen waren, überleben die meisten nicht. Bis Mitte Februar war ich für drei Wochen in einer Reha-Klinik im Bergischen Land, wo momentan viele Covid-Patienten behandelt werden. Schon Mitte Dezember sollte die Reha eigentlich beginnen – als ich das erste Mal dort ankam, war ich erneut positiv getestet worden und musste wieder abreisen. Hier den ersten Teil der Corona-Protokolle von Wolfgang Stier lesen.

Und das, obwohl die Viruslast deutlich unter dem Wert lag, der vom Robert-Koch-Institut als infektiös bewertet wird. Als ich Mitte Januar erneut in die Klinik kam, bekam ich zur Begrüßung die Anweisung, ich solle bitte auf dem Zimmer bleiben zum Covid-19-Test. Gott sei Dank kam am nächsten Tag das negative Ergebnis.

„Meine Frau hatte Angst“

Die Station, auf der ich eigentlich untergebracht werden sollte, war geschlossen – wegen eines Corona-Ausbruchs. Meine Frau hatte große Sorge und fragte mich, ob ich nicht wieder abreisen wolle – weil sie wochenlang um mein Leben gebangt hatte, war die Nachricht, dass ich in einer Klinik in Quarantäne bin, ein Schock für sie. Auch ich habe Sorge, dass ich mich erneut infizieren könnte – solche Fälle gibt es ja, wenn auch bisher selten.

Die Situation in der Reha-Klinik war ein bisschen bedrückend – die Kantine wurde irgendwann geschlossen, wir haben das Essen auf die Zimmer bekommen, die Fitnessräume waren leer, einige Therapien konnten nicht stattfinden. Wegen der Pandemie war nur die Hälfte der Betten belegt. Anders als bei anderen Patienten fanden bei mir die meisten Anwendungen statt – ich war fast täglich im Kraftraum und auf dem Ergometer, es gab eine Atemgymnastikgruppe und regelmäßiges Koordinationstraining, Rückenübungen gehörten zum Programm, Massagen, Kneipkuren, Gespräche mit einer Psychologin, EKGs und neurologische Tests.

Nerven dauerhaft geschädigt

Festgestellt hat man, dass meine Nervenbahnen geschädigt sind und einige Verschaltungen nicht richtig funktionieren – das führt bei mir dazu, dass meine Schultern unbeweglich sind und weh tun. Besser geworden ist die Beweglichkeit meiner Finger, meine Fußgelenke fühlen sich nach wie vor steif an, die Füße manchmal taub – für Covid-Patienten, die wochenlang lagen, ist das wohl nicht ungewöhnlich.

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Ich lernte in der Reha viele andere Covid-Patienten kennen, manche hatte weniger Probleme, manche auch mehr. Einige sind schon seit dem Frühjahr 2020 krank und werden wohl nie wieder ganz gesund.

Arbeitgeber entspannt und empathisch

An das Arbeiten ist leider noch nicht zu denken, als Schlosser in einer Süßwarenfabrik muss ich körperlich fit sein. Autofahren kann ich inzwischen wieder. Die Ärzte sind optimistisch, dass ich in zwei oder drei Monaten wieder fit sein könnte. Zum Glück ist mein Arbeitgeber entspannt und empathisch: Ich solle mir alle Zeit lassen. Vom Kopf her bin ich schon wieder bereit – die Zeit mit Reha, Quarantäne und Lockdown zu Hause wird lang. Aber ich werde meinem Körper die Zeit geben, die er braucht.

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SMK-Brasack

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Optimistisch macht mich, dass ich mich körperlich durch das regelmäßige Training immer fitter fühle – und die Lunge scheint in Ordnung zu sein. Kurz nach der Reha, am 18. Februar, hatte ich nochmal einen Gesundheitscheck in Merheim, dort wurde festgestellt, dass meine Lungenfunktion altersgemäß normal ist – auch in der Reha hatten die Ärzte diagnostiziert, dass meine Lunge normal funktioniert. Für die Erholung der Nerven braucht es Zeit und regelmäßiges Training, sagen die Ärzte.

„Arbeitest Du wieder voll oder trittst Du kürzer?“

Das Thema Zeit ist präsenter geworden seit der schweren Erkrankung. Ich bin 57 und überlege intensiver als früher, was ich noch gern machen möchte – wie ich meine Zeit gestalten will. Arbeitest du wieder voll, sobald es geht, damit die Rente einigermaßen reicht? Oder trittst du kürzer, um Dich zu schonen und die Rente so vielleicht länger und gesünder genießen zu können? Antworten darauf habe ich noch nicht. Klar ist mir allerdings geworden, dass ich nicht viel brauche, um zufrieden zu sein: Kein eigenes Haus und auch sonst keinen Luxus. Wichtig ist die Familie, wichtig sind gute Freunde und Kollegen – und Gesundheit. Mehr braucht es eigentlich nicht.