Wer fastet, kann auf positive Effekte auf die Gesundheit hoffen. Eine Studie findet Hinweise darauf, dass man dafür gar nicht komplett verzichten muss.
ScheinfastenFasten und trotzdem essen? Was der zeitweise Verzicht im Körper bewirkt

Es gibt verschiedene Methoden des Fastens, eine für viele Menschen gut umsetzbare könnte das „Scheinfasten“ sein.
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Für viele Menschen beginnt 40 Tage vor Ostern die Fastenzeit. Der Ansporn zum Fasten ist oft religiöser oder spiritueller Natur. Manche wollen Gewicht reduzieren. Der zeitweise Verzicht auf Nahrung kann aber auch einen positiven Einfluss auf die Gesundheit haben. „Das Fasten ist ein sehr altes Wissen und wird heute wieder neu entdeckt“, sagt dazu der Ernährungsmediziner Thomas Platzer.
Platzer ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Anti-Aging Medizin. Er arbeitete im Laufe seiner Karriere unter anderem in einer Fastenklinik. „Das Fasten ist wie ein Reset Button im Körper“, erklärt Platzer. In der modernen Gesellschaft könne der zeitweise Verzicht Großes bewirken.
Zwar fehlen bis heute groß angelegte repräsentative, klinische Studien über Langzeiteffekte des Fastens, sprich wissenschaftliche Ergebnisse von Fastenden, die mit einer Kontrollgruppe nicht fastender Personen verglichen werden. Zahlreiche kleinere Untersuchungen liefern allerdings Hinweise darauf, dass Fasten positive gesundheitliche Effekte auf den Körper haben kann. Etwa das Risiko verringern kann, an bestimmten Krankheiten zu erkranken, oder kurzfristig Entzündungswerte im Körper senken kann.
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Essen im Überfluss - nicht in der Steinzeit
„Fasten existiert im eigentlichen Sinne schon immer“, erklärt Ernährungsmediziner Platzer. Wenn auch über sehr lange Zeit eher aus der Not heraus. Denn: „Es gab niemals Futtergarantie in langen Teilen der Evolution, so wie wir es jetzt als Durchschnittsbürger erleben. Denken Sie an die Steinzeit.“ Heute sei das ganz anders. Essen sei im Übermaß vorhanden - ein Problem für den menschlichen Körper. „Wir haben immer noch die alte Hardware in uns“, sagt Platzer. Unser Stoffwechsel habe sich der ständigen Verfügbarkeit von Essen nicht angepasst.
„Die Energie, welche von der Nahrungsaufnahme nicht direkt gebraucht wird, wird gespeichert“, macht der Mediziner deutlich. Mit Folgen: Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) sind in Deutschland über 60 Prozent der Männer und rund 46 Prozent der Frauen übergewichtig. Heute weit verbreitete Volkskrankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck hängen ebenfalls eng mit unserer veränderten Ernährungsweise zusammen.
Beim Fasten verändert sich der Stoffwechsel
Buchinger, Heilfasten, Intervall: Beim Fasten gibt es verschiedene Methoden, sich im Verzicht zu üben. Klar ist: Wer das Nahrungsangebot reduziert, kann damit besondere Prozesse im Körper auslösen. Ein wichtiges Element dabei sei die Veränderung des Stoffwechsels, erklärt Platzer. „Wenn der Körper nicht mehr Neues an Nahrung bekommt, schaltet der Stoffwechsel in jeder Zelle um in die sogenannte Autophagie“. Das sei eine Art Recycling-Modus in den Zellen. Der Körper räumt quasi auf. „Es wird in der Zelle geschaut, wo noch etwas Brauchbares an Energie zu finden ist, dies wird dann verwertet“. Das körpereigene Fett wird irgendwann abgebaut.
In den Zellen würde aber auch nach unbrauchbarem Material geschaut, so Platzer. „Es setzt ein Entgiftungsprozess ein, indem Zellschrott aussortiert und über die Galle oder Nieren ausgeschieden wird“, ergänzt der Mediziner. Entzündliche Prozesse würden unter anderem gemildert, was das Krankheitsrisiko verringern könne. Es gibt Hinweise darauf, dass der Nahrungsverzicht in den Zellen noch etwas Weiteres anstoßen könnte: eine Zellverjüngung. „Die Zellkraftwerke der Zellen, die Mitochondrien, werden nicht mehr belastet beim Fasten. Damit verlängert sich die Lebensdauer dieser und damit wird die Alterung abgebremst“, sagt Platzer.
So fand ein Forschungsteam um den US-Mediziner Valter Longo in einer im Februar 2024 im Fachmagazin „Nature” erschienenen Studie Hinweise darauf, dass sich nach drei Fastendurchgängen die Zelle biologisch verjüngen kann - im Durchschnitt um zweieinhalb Jahre. Dabei muss offenbar nicht komplett auf Nahrung verzichtet werden, um den Körper in den Fastenmodus zu versetzen. In ihrer Forschung nutzte das Team eine speziell entwickelte Fastenweise, „fasting-mimicking diet“ genannt, zu deutsch: Scheinfasten. Diese verspricht, besonders alltagstauglich zu sein. Ein Einfluss auf die Sterblichkeit wurde anhand dieser Forschungsarbeit allerdings nicht bewiesen.
Essen und trotzdem Fasten?
Beim Scheinfasten wird fünf Tage gefastet - und trotzdem gegessen. Was zunächst wie ein Widerspruch klingt, hat System. Denn wie das Wort schon vermuten lässt, wird im Körper nur vorgetäuscht, dass keine Nahrung aufgenommen wird. Durch eine bestimmte Ernährungsweise kommt der Körper trotzdem in den Fastenmodus.
Der entscheidende Faktor ist zum einen: „Der Körper bekommt für den Zeitraum nicht das an Kalorien, was er braucht und wird auf diese Weise gezwungen, aus den eigenen Depots heraus zu schöpfen“, sagt Platzer.
Zwei Mahlzeiten und ein Snack sind während der fünftägigen Fastenzeit täglich erlaubt. Jedoch mit deutlicher weniger Kalorien als normalerweise. Am ersten Tag werden dem Körper 1000 Kalorien zugeführt. Der Grundumsatz eines Menschen liegt im Durchschnitt bei 2000 bis 2500 Kalorien. Für die weiteren vier Tage werden die Kalorien noch einmal minimiert, auf 750 Kalorien.
Auf die Nahrungsmittel kommt es an
Mit der reinen Kalorienrestriktion ist es allerdings noch nicht getan. Der zweite wichtige Faktor ist, was gegessen wird. Nicht alles darf auf den Teller kommen. Auf die Zusammensetzung der Nahrung kommt es an. „Sie muss niedrig insulinotrop sein“, betont Ernährungsmediziner Platzer. Das bedeutet, dass möglichst wenig Lebensmittel verzehrt werden, die eine Insulinausschüttung hervorrufen. Kohlenhydrate und Proteine lassen den Insulinspiegel stark steigen. Gemüse und Fette hingegen kaum. Der Effekt auf den Blutzuckerspiegel ist bei letzteren minimal.
Dementsprechend besteht die Kost während des Scheinfastens hauptsächlich aus zuckerarmen Gemüsesorten wie Aubergine oder Gurke sowie Nüssen und Avocado. „Ein Gemüsesmoothie oder ein Gemüsecurry mit Kokosmilch sind zum Beispiel gute Gerichte beim Scheinfasten”, empfiehlt Platzer. Der Hunger bliebe zwar während der fünf Tage nicht aus. Platzer ist aber zuversichtlich: „Mit dem Scheinfasten bekommt jeder die fünf Tage hin.“ Der Ernährungsmediziner ermutigt, dem Fasten eine Chance zu geben: „Selbst wenn man das Fasten nur einmal im Jahr für fünf Tage durchführt, hat man dem Körper, den Mitochondrien und dem Mikrobiom bereits einen Jahresurlaub an Entlastung geschenkt“, sagt der Experte. (rnd)