Der Ursprung des Corona-Virus bleibt ungeklärt. SZ und Zeit liegen neue Erkenntnisse darüber vor, was der BND damals wusste.
Medienbericht sorgt für AufsehenBND hatte Indizien zu Corona-Herkunft – Kanzleramt hielt sie unter Verschluss

Menschen schauen die TV-Ansprache der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Wohnzimmer. Die Bundeskanzlerin redet über die Coronavirus-Pandemie. Was wusste die damalige Kanzlerin über den Ursprung der Pandemie? Ein Bericht von SZ und Die Zeit liefert dazu neue Erkenntnisse.
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Der Bundesnachrichtendienst (BND) hält es einem Medienbericht zufolge bereits seit 2020 für wahrscheinlich, dass das Corona-Virus versehentlich aus einem Labor im chinesischen Wuhan entwichen ist. Der BND habe 2020 die damalige Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über seine Einschätzung informiert, berichteten die „Süddeutsche Zeitung“ und die Wochenzeitung „Die Zeit“ gemeinsam. Die Einschätzung fußt danach auf einer Wahrscheinlichkeitsrechnung, über endgültige Belege verfüge der BND nicht. In Merkels Regierung seien die Informationen überwiegend skeptisch betrachtet worden, weshalb der gesamte Vorgang als geheim eingestuft worden sei. Auch das Kontrollgremium der Geheimdienste im Bundestag sei nicht informiert worden.
Scholz-Regierung von BND ins Bild gesetzt
Die Nachfolgeregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) wurde dem Bericht zufolge ebenfalls vom Geheimdienst ins Bild gesetzt. Aber auch sie habe entschieden, die Berichte unter Verschluss zu halten. Laut SZ und Zeit war das von Wolfgang Schmidt (SPD) geführte Kanzleramt nicht davon überzeugt, dass die Schlussfolgerungen des BND tatsächlich stichhaltig sind. Offen blieb, ob Scholz persönlich von dem Verdacht des BND informiert wurde. Merkel wusste demnach Bescheid.
Die Bundesregierung wollte am Mittwoch keine Stellung zu dem Bericht nehmen. Man äußere sich grundsätzlich nicht öffentlich zu „nachrichtendienstlichen Erkenntnissen“, sagte eine Regierungssprecherin. Trotz mehrfacher Nachfragen in der Bundespressekonferenz blieb sie bei dieser Aussage.
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Theorie des natürlichen Ursprungs weltweit anerkannt – Umdenken bei Trump
Die Debatte darüber, ob das Virus aus einem Labor stammt oder zunächst in Wildtieren entstanden und dann auf einem Markt im chinesischen Wuhan auf Menschen übertragen wurde, wird seit dem Ausbruch der Pandemie geführt. Die Mehrheit der Wissenschaftler weltweit hält die Theorie eines natürlichen Ursprungs für wahrscheinlich. Diese Haltung hatte bisher auch der amerikanische Geheimdienst CIA vertreten. Mit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump im Januar wurde die Einschätzung aber geändert: Die Behörde hält nunmehr einen „forschungsbedingten Ursprung“ für wahrscheinlicher. Allerdings wird auch ein natürlicher Ursprung weiter als plausibel eingestuft. China hat die Laborthese von Anfang an zurückgewiesen.
BND stuft Laborthese als „wahrscheinlich“ ein – finaler Beweis fehlt
Den Medienberichten zufolge konnten deutsche Agenten 2020 in China Messreihen zu Corona-Viren und wissenschaftliche Untersuchungen, darunter unveröffentlichte Dissertationen aus den Jahren 2019 und 2020, ausfindig machen. Der Vorgang sei unter dem Decknamen „Projekt Saaremaa“ gelaufen. Nach einer Analyse stufte der BND die Laborthese als „wahrscheinlich“ ein – mit einer Sicherheit von „80 bis 95 Prozent“.
Einen finalen Beweis habe der BND aber nicht geliefert. Die Geheimdienstler gingen laut Bericht davon aus, dass es sich um einen Unfall gehandelt habe, da die Sicherheitsvorkehrungen in dem Institut für Virologie in Wuhan nur nachlässig gehandhabt worden seien.
Zur Regierungszeit Merkels sei das Kanzleramt unter der Leitung von Helge Braun (CDU) aber von der These nicht überzeugt gewesen, heißt es weiter. Man habe eine Blamage befürchtet. Außerdem habe es Bedenken gegeben, sich in den entsprechenden Streit zwischen den Großmächten China und USA einzumischen – in seiner ersten Amtszeit hatte US-Präsident Trump die Laborthese für so gut wie bewiesen erklärt. Deshalb habe sich die Bundesregierung zur Geheimhaltung entschlossen.
Scholz-Regierung hielt an Merkel-Linie fest
Die Scholz-Regierung habe dann zunächst an dieser Linie festgehalten, weil auch hier überwiegend Skepsis geherrscht habe. Erst Ende 2024 sei dem BND vom Kanzleramt erlaubt worden, die Erkenntnisse mit der CIA sowie einer „handverlesenen und zur Geheimhaltung verpflichteten Gruppe von Wissenschaftlern“ zu teilen.
Dazu habe der Virologe Christian Drosten und der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lars Schade, gehört. Insgesamt habe es drei Gesprächsrunden gegeben: kurz vor Weihnachten 2024, im Januar und im Februar 2025. Zweck sei gewesen, Schwachstellen in der BND-Argumentation aufzudecken. Die Ergebnisse der Treffen blieben in dem Medienbericht offen.
Drosten: Für beide Theorien fehlen die Beweise
Interessant ist, dass sich Drosten Ende Januar in einem Interview mit der „Tageszeitung“ (taz) sehr vorsichtig zur Herkunft äußerte. Er nehme wie fast alle Wissenschaftler weiter an, dass das Virus eines natürlichen Ursprungs sei, sagte er. „Annehmen heißt aber nicht wissen“, fügte er hinzu. Für beide Theorien fehle der Beweis.
Dabei könne der Beweis für den natürlichen Ursprung „eigentlich erbracht werden“, betont Drosten. So hätten chinesische Wissenschaftler alle technischen Möglichkeiten dazu. Dass dies bisher nicht passiert sei, mache ihn immer skeptischer. „Verbietet die Staatsräson, dass daran gearbeitet wird? Mag sein. Die andere Erklärung wäre aber, dass da gar kein natürliches Virus war“, so der Wissenschaftler in dem Interview. (RND)