Kölner Corona-Protokolle„Eine Café-Kundin hat mir einen zinslosen Kredit angeboten“
- „Die Krise macht etwas mit uns“ heißt es oft. Was das ist, erfahren wir am besten, wenn wir Menschen begleiten.
- In der Serie „Kölner Corona-Protokolle“ erzählen regelmäßig fünf Menschen, was die Pandemie mit ihnen macht: Sie gefährdet ihre Gesundheit, ihre Freiheit, ihren Beruf und ihre Träume.
- In dieser Folge gewährt Dieter Edling zum zweiten Mal einen Einblick in sein Leben als Gastronom in der Pandemie.
Köln – In den Weihnachtstagen war ich noch kurz davor, den Rat meiner Steuerberaterin zu befolgen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende – Insolvenz anmelden, den Traum vom eigenen Café nach sechs Jahren coronabedingt beenden. Im Moment sieht es anders aus, ich habe neuen Mut und neue Motivation geschöpft. Als ich das Café nach zweieinhalb Wochen Pause Mitte Januar wieder für den To-Go-Betrieb an vier Tagen in der Woche geöffnet habe, war es erstmal ziemlich voll – das lag wohl vor allem an dem Artikel im „Kölner Stadt-Anzeiger“. Hier das erste Corona-Protokoll von Dieter Edling lesen.
Eine Frau, die sich in Kerpen gerade selbstständig macht, hat mir für den Fall, dass ich pleitegehe, einen Job angeboten – für den Valentinstag hat sie bei mir Torten und Kuchen bestellt. Eine Stammkundin hat mir einen zinslosen Kredit angeboten.
Tränen in der Küche
Ein Mann schickte mir eine nette Karte, dazu hatte er einen Geldschein gelegt – das wollte ich so nicht annehmen, ich habe ihm dann einen Korb mit Törtchen, Limonaden und Marmeladen zusammengestellt und bin bei ihm vorbeigefahren. Auf Abstand und mit Maske hat er mir in seiner Küche erzählt, dass ihn meine Geschichte sehr an seine eigene erinnert habe: Wie ich hatte er in seinem früheren Job erfahren, dass man von seinem Arbeitgeber sehr schnell fallengelassen werden kann, wenn man für ihn nichts mehr wert ist. Wie ich hatte er Jahrzehnte für ein Unternehmen gearbeitet, um dann bei einer längeren Krankheitsphase festzustellen, nur noch als lästiger Kostenfaktor betrachtet zu werden. Die Begegnung war sehr emotional, wir haben beide geweint.
Und dann gab es so viele Menschen, die mir Mut zugesprochen haben, in Mails, Briefen, auf Facebook und persönlich: Manche haben erzählt, dass es ihnen ähnlich ergangen ist in den vergangenen zwölf Monaten, manche haben einfach nur gesagt: Lass dich nicht unterkriegen! Kämpf‘ weiter! Ich habe stärker als in der Phase des einsamen Grübelns über Weihnachten gemerkt: Du bist nicht allein. Es geht gerade vielen ganz ähnlich. Wenn man diese Gemeinschaft erfährt, die Solidarität spürt, dann denkt man sich: Komm, raff dich auf! Mach weiter!
„Das lässt mich schlecht schlafen“
Der Zuspruch war wie eine Energiespritze – aber ich weiß, dass das nicht reicht. Gerade hat die Regierung die Verlängerung des Shutdowns verkündet – es ist ja völlig offen, wie es weitergeht, ein normaler Cafébetrieb liegt in weiter Ferne. Das lässt mich schlecht schlafen, in den vergangenen Tagen war ich sehr, sehr müde.
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Trotzdem muss es weiter gehen: Für Karneval haben wir Apfelberliner, Muzen und Quarkbällchen gebacken, für den Valentinstag Namens-Kekse – wir versuchen, weiter kreativ zu bleiben. Inzwischen hilft beim Backen auch eine Nachbarin.
An meine fortschreitende Sehbehinderung werde ich mich wohl gewöhnen müssen: Nach sechs Operationen und sich ständig ablösender Netzhaut sagte mir jetzt ein Augenarzt, dass eine weitere OP wohl kaum dazu beitragen würde, mir auf dem rechten Auge, wo ich nur noch hell und dunkel unterscheiden kann, das Sehvermögen zurückzugeben. Die Netzhaut sei einfach zu kaputt.
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Eine Stammkundin, die den Artikel im Stadt-Anzeiger gelesen hat, bietet mir an, mich nochmal von ihrem Chef, der auch Augenarzt ist, untersuchen zu lassen. Vielleicht nehme ich das in Anspruch. Auch solche netten Angebote helfen, Mut zu schöpfen und weiterzumachen. Die Solidarität ist rührend, wie lange sie mich weiter trägt, kann ich nicht sagen.