Kölns oberster Denkmalschützer Thomas Werner hat eine klare Meinung zum Ebertplatz. Im Interview spricht er über die Bauten des Brutalismus und eine mögliche Neugestaltung des Platzes.
Herr Werner, das Amt für Denkmalpflege des Landschaftsverbands Rheinland wollte prüfen, ob der Ebertplatz unter Denkmalschutz gestellt werden soll. Was sagen Sie als zuständiger Stadtkonservator zu dieser Absicht?
Thomas Werner: Sicherlich ist der Ebertplatz ein typisches Beispiel für die Freiraumgestaltung der 1970er Jahre. Ob das allein für einen Denkmalwert spricht, hätte aber durch ein wissenschaftliches Gutachten dargestellt werden müssen.
Ulrich Krings – einer Ihrer Amtsvorgänger – hat argumentiert, dass sich der Ebertplatz zu 90 Prozent im Originalzustand befinde und deshalb denkmalwürdig sei. Was entgegnen Sie ihm?
Ich sehe den Ebertplatz zwar als Zeitdokument, der allerdings weitreichende Planungsfehler beinhaltet. Im Rückblick der vergangenen Jahrzehnte lässt sich das vor allem in Bezug auf seine Zugänglichkeit feststellen. Die Nord-Süd-Querung ist nur über Treppenanlagen oder Rolltreppen möglich. Das wichtige Thema der Barrierefreiheit spielte damals keine Rolle.
Zur Person
Thomas Werner, Jahrgang 1962, studierte Architektur an der Fachhochschule Köln sowie von 1993 bis 1997 Kunstgeschichte an den Universitäten in Köln und Bonn. In Köln promovierte er zum Thema der Differenzierbarkeit von Gestaltungsauffassungen romanischer Baumeister. Von 2004 bis 2007 übernahm er eine Professur an der Münster School of Architecture.
Von 2009 bis 2010 war er Gastprofessor an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle (Saale). Seit 2012 ist er Kölner Stadtkonservator.
Sie wollen den Platz also nicht als Denkmal eintragen?
Es stellt sich die Frage, ob eine kritische Denkmalpflege sehenden Auges Planungsfehler unter Schutz stellen kann und darf. Als Stadtkonservator sage ich dazu deutlich nein. Eine Integration des unveränderten Platzes mit seiner „autistischen Haltung“ in eine nachhaltig operierende Stadtentwicklung sehe ich nicht.
Aber können Planungsfehler denn überhaupt ein Kriterium für den Denkmalschutz sein?
Ja, im Gesetz heißt es, dass Denkmäler Sachen sind, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Die damals angestrebte Funktionalität des Ebertplatzes und seine Aufenthaltsqualität waren nicht nachhaltig. Seit mindestens zwei Jahrzehnten wird der Platz nicht mehr von den Anwohnern angenommen. In den 1970er Jahren gab es eine Verkehrs-Hörigkeit. Der Fußgänger wurde in den Untergrund gedrückt. Es gibt kaum Beispiele dafür, dass sich die unterirdischen Passagen der 1970er Jahre in der Praxis etablieren konnten. Selbst wenn eine Revitalisierung der Eberplatzpassage gelänge, würde doch dieser Ort nach Geschäftsschluss wieder Angsträume erzeugen, die besonders für Frauen eine Zumutung wären. Besonders im Bereich der Architektur muss ein Denkmal immer mit einem Gebrauch verbunden sein und kann für kommende Generationen nur überleben, wenn es auch funktioniert.
Stadtverwaltung und Politik haben sich bereits für eine Umgestaltung des Ebertplatz entschieden. Wie verträgt sich das mit einer Denkmalschutz-Prüfung?
Ich empfand die Frage nach dem Denkmalwert des Platzes zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall als unglücklich. Das passiert zwar des Öfteren im Bereich von Unterschutzstellungen und stellt so gesehen keinen Hinderungsgrund dar, aber als ab Mitte 2005 eine Diskussion über den Ebertplatz einsetzte, wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, die denkmalpflegerische Überlegungen in einen konstruktiven Planungsprozess einzubringen. Dieser Zeitpunkt wurde von unterschiedlicher Seite her verpasst. Manchmal kann man eben die Versäumnisse der Vergangenheit nicht mehr sinnvoll heilen. Nach meiner Ansicht ist es die Aufgabe des Denkmalschutzes und des Stadtkonservators, sinnvoll und verantwortungsbewusst mit dem Instrument der Unterschutzstellung umzugehen. Nur so lässt sich in unserer Gesellschaft eine positive Akzeptanz gegenüber Denkmälern erreichen.
Der Denkmalschutz darf also nicht zum Selbstzweck geraten?
Eine rein dogmatische Vorgehensweise, wie sie zurzeit kursiert, wird nicht dazu führen, dass die Bürger den Denkmalschutz akzeptieren. Das entspricht auch nicht meiner Auffassung einer modern ausgerichteten Denkmalpflege. Der Denkmalschutz muss und will ein positiver Baustein innerhalb der Stadtentwicklung sein.
Der Ebertplatz zählt zum Architekturstil des Brutalismus, was sich auf die Verwendung rohen Betons – auf Französisch béton brut – bezieht. Sind Bauwerke dieser Art generell nicht schützenswert?
Das ist differenzierter zu betrachten. Nicht jedes Gebäude ist automatisch schützenswert, weil es groß ist oder aus Sichtbeton besteht. Als Amt gehen wir hier bewusst exemplarisch vor. So haben wir bereits einige Perlen aus den 1960er und 1970er Jahren unter Schutz gestellt. Mir fallen da zum Beispiel das Hörsaalgebäude der Universität, die Kirche St. Gertrud auf der Krefelder Straße oder das Colonia-Hochhaus am Rheinufer ein. Wir reduzieren aber heute die Zahl der neuen Denkmäler. Es gibt in Köln zum Beispiel vier Schulbauten, die dem Reformtyp der 1970er Jahren entsprechen. Unter Denkmalschutz steht aber nur die Europaschule in Zollstock, weil sie diesen Stil am besten repräsentiert. Wir brauchen nicht vier Denkmäler, die dasselbe aussagen.
Kommen wir noch einmal zurück zum Ebertplatz. Welche Fehler der Vergangenheit können bei einer Neugestaltung behoben werden?
Die ursprüngliche städtebauliche Sichtachse, die zwischen der Eigelsteintorburg und der Kirche St. Agnes bestand und die römischen Ausfallstraße widerspiegelte, ging mit der über diese Achse herausgezogene Westseite des heutigen Ebertplatz atmosphärisch völlig verloren. Die Verbindung zwischen den beiden Stadtteilen ließ sich bei einer Umgestaltung wiederherstellen. Dazu gehört auch eine vernünftige fußläufige Erschließung von möglichst vielen Seiten aus.