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Kölner Ernährungsberaterin„Detox führt zu teils beängstigend radikalen Anwendungen“

Lesezeit 4 Minuten
Sooni Kind

Ernährungsberaterin Sooni Kind 

  1. Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?
  2. Dieser Frage geht Susanne Hengesbach regelmäßig nach. Heute geht es um das Gefühl für „richtiges“ Essen, das offenbar immer mehr verloren geht.
  3. Ernährungsberaterin Sooni Kind befürchtet eine Zunahme an Essstörungen infolge neuer Ernährungstrends.

Köln – Auf dem Weg durch die Apostelnstraße treffe ich heute auf eine Frau, die sich zum Kaffee gerne auch etwas Süßes gönnen möchte und deshalb das „Törtchen,Törtchen“ als Ort unserer Unterhaltung vorschlägt. Als wir uns dort gegenübersitzen, wird sehr schnell deutlich, dass Sooni Kind nichts mit dem Damenkränzchen gemein hat, das Udo Jürgens seinerzeit in „Aber bitte mit Sahne!“ besang.

„Wenn ich mal etwas mit Zucker esse, sollte es klein aber fein sein“, sagt die 66-Jährige. Damit sind wir eigentlich schon mitten im Thema, und ich freue mich sehr, eine erfahrene Ernährungsberaterin vor mir zu haben, deren Beobachtungen ich gerade zur jetzigen Zeit, in der die einen noch fasten und die anderen bereits am opulenten Ostermenü tüfteln, besonders wertvoll finde.

Zunächst erzählt Sooni Kind, dass sie aufgrund einer schweren, aus schulmedizinischer Sicht sogar unheilbaren Nierenerkrankung vor vielen Jahren zwangsläufig mit dem Thema Nahrungsveränderung in Berührung kam. Seit langem ist sie überzeugt, dass ihr die Ernährung nach dem Prinzip der fünf Elemente das Leben gerettet hat. Fünfzehn Jahre lang habe sie konsequent auf Zucker verzichtet, berichtet sie. Inzwischen sei sie nicht mehr so streng mit sich. Kleine Sünden – wie den Kuchen heute – kann sie sogar sehr genießen, und trotzdem achtet sie im Grundsatz weiterhin jenes System, „das auf einem Ausgleich zwischen Aufbau und Ausscheidung“ fußt.

Ernährung ist zum Statussymbol geworden

Was die Expertin beunruhigt, ist eine Entwicklung, die sie nicht nur in ihrer eigenen Praxis feststellt: „Ernährung ist zum Statussymbol geworden. Man drückt damit aus, wer man ist." Wenn beispielsweise jemand sage, „ich ernähre mich vegan“, dann schwinge da nicht selten dieser Ton mit: „Ich bin etwas besseres“. Kritisch betrachtet es Kind außerdem, dass neue Ernährungstrends wie eine Ideologie verbreitet werden und dass geradezu dogmatisch und starr daran festgehalten werde.

Eines der neuen Zauberwörter etwa laute „Detox“ und führt aus ihrer Sicht zu teilweise beängstigend radikalen Anwendungen, weil der Erfolg vieler dieser Entgiftungsmaßnahmen ausschließlich daran gemessen werde, wie viel jemand im Einzelnen ausscheide und nicht darauf geschaut werde, wie es dem Menschen insgesamt geht. „Detox ist nicht falsch. Es ist nur gefährlich, wenn man keine ernährungstherapeutische Begleitung hat", betont Kind, die seit mehr als 25 Jahren über Ernährung berät, schult und schreibt.

Die Intuition fürs Essen geht verloren

Obwohl ihre eigene Nahrung in großem Maße aus gekochtem Getreide und Gemüse besteht, betrachtet die Expertin auch den veganen Trend kritisch. Dass Menschen dadurch „etwas für das Tierwohl tun und unser Ökosystem unterstützen“ möchten, findet sie gut. „Aber die Nahrung, die ich aufnehme, muss auch zu mir passen. Und sie muss mich satt machen. Gerade Letzteres ist ihrer Einschätzung nach oft nicht gegeben, weswegen viele dann zu „sehr viel Zucker“ greifen würden.

Als sie unlängst in Hamburg bei einem ihrer Vorträge davon gesprochen habe, dass „gute Ernährung auch vital mache“, hätten plötzlich einige angefangen zu weinen. Die Kehrseite der Ernährungs-Ideologien sei nämlich die, dass die Intuition fürs Essen verloren gehe. „Ernährung ist etwas, was mich näher in Kontakt bringt mit mir selbst und nicht von mir entfernt.“ Aber wenn man „nur mit dem Kopf esse“, entfremde man sich von sich selber und merke gar nicht mehr, was einem gut tue.

„Man entwickelt eine Angst vorm Essen“

Die Folge sei, dass man Angst vor dem Essen entwickele, betont Kind und sagt einen Satz, der mich wirklich erschreckt: „Ich habe viele Mütter in der Ausbildung, deren Töchter kotzen.“ – „Mit anderen Worten“, sage ich, „trägt diese ganz Health-Food-Bewegung und die neuen Ernährungstrends in einer radikalen Umsetzung auch wieder zu einer Fortentwicklung von Essstörungen bei?“

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Sooni Kind nickt und erklärt, dass sich der Körper nach der Umstellung auf vegane Ernährung „erstmal bombig“ anfühle, aber dann gehe das rückwärts. „Und das wollen viele nicht wahrhaben.“ Das Problem sei, „dass man nicht mehr merkt, was man braucht“. Gute Ernährung müsse satt machen. „Und wenn jemand stets müde ist, stimmt wahrscheinlich etwas mit der Ernährung nicht!“