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Druck für Kölner Hausärzte extrem„Die zweite Corona-Welle ist ein Tsunami“

Lesezeit 6 Minuten
Kölner Hausarzt Tim Knoop

Tim Knoop in seiner Praxis in Köln-Nippes

Köln – Vor der Praxis stehen die Patienten Schlange und drinnen klingelt pausenlos das Telefon – so sieht der Alltag in vielen Hausarzt-Praxen aus. Die Hausärzte? Arbeiten schon seit Monaten am Limit. Der Herbst der zweiten Corona-Welle ist selbst für große, moderne Praxen eine Herausforderung. Aber die kleinen droht er zu zerstören. „Wir stehen hier kurz vor dem Zusammenbruch“, sagt Leonhard Altreuther. „Wenn das so weitergeht, muss ich meine Praxis in spätestens drei Wochen schließen.“

Ein Kratzen im Hals, die Corona-Warn-App schlägt Alarm – für alle Fragen und Sorgen sind die Hausärzte die erste Anlaufstelle. „Eine Mitarbeiterin hat alleine in den ersten 90 Minuten des Tages 70 Telefonate gezählt. Das ist nicht mehr zu managen“, sagt der Allgemeinmediziner. Mit dem Ansturm der Patienten fühlt er sich allein gelassen. Die Warteschlange vor seiner Tür wird immer länger, die Stimmung ist teilweise aggressiv.

Hier lesen Sie mehr: So verteilen sich die Corona-Fälle auf die jeweiligen Postleitzahlen

Aber den Job als Türsteher kann der Arzt nicht auch noch übernehmen. Vor jeder Praxis müssten eigentlich Soldaten stehen und in den Schlangen für Ordnung sorgen, überlegt er. Oder – noch besser – die Bundeswehr sorge gleich dafür, dass die Menschen nicht alle in die überlasteten Hausarztpraxen kommen: „Warum gibt es nicht beispielsweise im Stadion ein großes Zelt, in dem die Bundeswehr Abstriche organisiert?“ Dass es im Moment so viele Infizierte gibt, sei schließlich keine Überraschung: „Jedem, der rechnen kann, war klar, dass es so kommen musste. Die zweite Welle ist ein Tsunami. In den vergangenen drei Monaten hatte ich unter meinen etwa tausend Patienten drei Erkrankte. Jetzt sind es jeden Tag zwei.“

Arzt aus Köln-Nippes ist ausgelastet

Dass die Zahlen in den vergangenen Wochen „total explodiert“ sind, erlebt auch Tim Knoop. Der Arzt hat eine große Praxis in Nippes mit mehreren Angestellten. Aber auch er kommt mit seinem Team kaum noch hinterher: „Wir arbeiten am Anschlag.“ Auf einer großen Tafel in der Praxis notieren er und seine Mitarbeiter die aktuellen Corona-Fälle. „Im gesamten September waren das um die 20. Und jetzt sind es 20 am Tag.“ Darunter sind einige mit leichten Symptomen. Aber es sind auch Patienten von ihm an Corona verstorben, erzählt er.

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Umso ratloser machen ihn Leute, die Covid-19 für vollkommen harmlos halten. Auf die Facebook-Seite seiner Praxis stellt Tim Knoop regelmäßig Videos – „um zu informieren und um den Menschen die Angst zu nehmen“. Zehntausende schauen sich das an. Doch immer öfter toben sich in den Kommentarspalten aggressive Corona-Leugner aus. „Es ist zwar nur eine kleine Minderheit, die so denkt“, sagt er. „Aber die macht ziemlich viel kaputt.“

Wo Kölner einen Corona-Test machen können

Corona-Teststellen in Köln

Personen mit Covid-19-Symptomen sollen ihren Hausarzt oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst (Nummer: 116117) kontaktieren. Wer akute Atemnot hat, soll sofort den Notruf 112 wählen.

Bei Hausärzten kann sich jeder testen lassen, ob man nun zur Risikogruppe gehört, aus einem Risikogebiet eingereist ist, eine rote Warnung über die Corona-App erhalten hat oder sich ohne triftigen Grund auf das Coronavirus untersuchen lassen möchte. Es gelten die Öffnungszeiten des jeweiligen Arzts.

Im Infektionsschutzzentrum Uniklinik können sich montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr Einreisende aus Risikogebieten, Angehörige einer Risikogruppe und Menschen mit roter App-Meldung testen lassen.

Im Infektionsschutzzentrum Neumarkt (Gesundheitsamt) können sich montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr Einreisende aus Risikogebieten und Menschen mit einer roten App-Warnung testen lassen.

Am Hauptbahnhof können sich täglich von 7 bis 23 Uhr Einreisende aus Risikogebieten und Menschen mit einer roten App-Warnung testen lassen. Ein Test ohne konkreten Anlass kostet 59 Euro.

Am Flughafen können sich jeden Tag 24 Stunden lang Einreisende aus Risikogebieten und Menschen mit einer roten App-Warnung testen lassen. Ein Test ohne konkreten Anlass kostet 59 Euro.

Mein Corona-Schnelltest in der Lintgasse 14 bietet Antigen-Schnelltests an. Das Angebot kostet 35,90 Euro, online muss ein Termin vereinbart werden. Menschen mit Symptomen dürfen nicht kommen.

Den „Corona Walk-in in der Bonner Straße 178 kann man ohne Termin aufsuchen. Der Test kostet 75 Euro.

Die Firma Medicare Logistic, bietet im Josef-Haubrich-Hof 5 Antigen-Schnelltests für 39,90 Euro einen mobilen Testservice für Unternehmen, Schulen und sonstige Einrichtungen an. Online-Termin erforderlich.

In der Schildergasse 24 hat die Firma Smart-med-Test ein Zentrum eröffnet. Antigen-Schnelltests kosten 37,80 Euro, PCR-Tests 87,98 Euro, Antikörpertests, mit denen eine durchgemachte Corona-Infektion nachgewiesen werden sollen, kosten 47,80 Euro. Online-Termin erforderlich.

In medizinischen Laboren können sich Einreisende aus Risikogebieten oder Angehörige einer Risikogruppe testen lassen – mit einer ärztlichen Überweisung oder als Selbstzahler (die Kosten variieren). Die Labore raten jedoch davon ab, direkt dort hin zu gehen, da die Einrichtungen derzeit stark überlastet sind.

In Rodenkirchen ist Anfang Dezember ein neues PCR-Testzentrum in der Ringstraße 44 eröffnet worden. Ein Test kostet 81 Euro, der Befund soll nach 24 Stunden vorliegen. (og)

Am Anfang der Pandemie hat Tim Knoop seine Corona-Patienten noch regelmäßig angerufen – um die Krankheit besser zu verstehen und die Patienten mit der Diagnose nicht allein zu lassen. „Das geht inzwischen nicht mehr. Wir haben um die hundert Patienten mit Corona, da haben wir den Überblick verloren und müssen darauf vertrauen, dass die sich bei uns melden, wenn es ihnen schlechter geht.“ Was, wenn die Zahlen weiter steigen, fragt er sich: „Da hat man schon Angst davor, noch mehr die Kontrolle zu verlieren.“

Wenn die Hausärzte an der Basis wegbrechen – dann kollabieren die Krankenhäuser. Das befürchtet der Allgemeinmediziner Guido Marx, der neben zwei Praxen auch ein Seniorenzentrum betreut. „Bisher ist der politische Fokus auf möglichst viele Intensivbetten gelegt worden. Die brauchen wir auch, ohne Frage. Aber wir brauchen auch eine funktionierende hausärztliche Versorgung. Ohne die werden wir sehr schnell handlungsunfähig werden – und das ist meine Sorge.“

Warn-App ist dauerrot

Selbst wenn die Praxen es schaffen, dem Corona-Stress weiter standzuhalten – es bleibt das hohe Risiko für Ärzte und die medizinischen Fachangestellten, selber zu erkranken. Das belastet: „Meine Warn-App ist dauerrot – das setzt einen unter Stress, und dieser Stress ist eigentlich seit einem halben Jahr da“, sagt Tim Knoop. Ein „Supergau“, wäre es für Guido Marx, wenn sich Mitarbeiter oder Ärzte bei Patienten anstecken. Er testet Patienten mit Corona-Verdacht deswegen morgens am offenen Fenster. „Aber mit dem Risiko einer Corona-Infektion müssen wir leben – wir sind ja nicht im Homeoffice, sondern an vorderster Front. Und am Ende sind es auch wir Ärzte, die bei den Sterbenden am Bett stehen.“