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„Beruf, der viel abverlangt“Erster Jahrgang der Kölner Hebammen-Schule schließt ab

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Zufrieden mit den ersten drei Jahren: Ausbilderin Dorothee Herrmann (r.) und Hebamme Nina Spiegel

  1. An der Uniklinik Köln schließt erstmal seit 100 Jahren ein Hebammen-Jahrgang ab
  2. In Köln gibt es viel zu wenig Hebammen
  3. Zwei Hebammen darüber, warum sie diesen Beruf ausüben, den nur wenige machen wollen

Köln – Nach der Geburt ist die Nabelschnur mehrfach um den Körper des Kindes gewickelt. Monitore zeigen an: Die Herztöne gehen runter. Eine Mutter, die ihr Kind in Lebensgefahr sieht, denkt, sie müsse es retten und gerät in Panik. „Dabei war alles in Ordnung, es wurde ihr nur nicht vermittelt“, sagt Nina Spiegel. „80 Prozent unserer Arbeit ist Kommunikation. Man muss erkennen, was die Frau braucht.“ Den Fall mit der umwickelten Nabelschnur hat die Hebamme in ihrem privaten Umfeld miterlebt.

Wenn die 23-Jährige über ihren Beruf spricht, dann erzählt sie fast nie von den Müttern, die sie betreut, sondern immer von den Frauen. „Die Herausforderung ist es, immer zuerst die Frau zu sehen und nicht nur die Schwangere im sechsten Monat mit der Beschwerde Übelkeit.“ Selbstverständlich ist das nicht. Denn für die Zahl der Geburten gibt viel zu wenige Hebammen, insbesondere in Köln.

Kölner Uniklinik hat einzige Hebammen-Schule der Stadt

Um dem Mangel entgegenzuwirken, hat die Uniklinik 2019 eine eigene Hebammenschule eröffnet. In den vergangenen hundert Jahren gab es eine solche Einrichtung in Köln überhaupt nicht, zuletzt mussten sogar gezielt Hebammen aus dem Umland nach Köln gelockt werden, teilweise mit Einmalzahlungen. Der erste Jahrgang hat seine Ausbildung nun abgeschlossen, Nina Spiegel gehört dazu.

„Bei vielen Hebammen gibt es den Wunsch schon lange, es gibt eine große Faszination für den Beruf“, sagt Spiegel. „Bei mir ist die Idee erst relativ spät entstanden. Ausschlaggebend war, dass ich festgestellt habe, über so etwas Elementares wie Schwangerschaft und Geburt so wenig zu wissen. Ich wollte dieses Wissen erweitern“, sagt die Hebamme weiter. „Und damit auch eine Hemmschwelle überwinden, die ich, wie so viele, bei diesen Themen hatte.“ Mit der Ausbildung hat sie sich gegen ein Medizin-Studium entschieden, das sie zuvor in Erwägung gezogen hatte. Weil es ihr zu abstrakt, zu weit weg von den Patientinnen und Patienten gewesen wäre.

„Bauchgefühl klingt bescheuert, es ist aber sehr wichtig“

Eine Geburt ist ihr besonders in Erinnerung geblieben. Spiegel war zuständig für eine Frau, die ihr zweites Kind bekommen hat. Ihre erste Geburt musste mit einem Notkaiserschnitt eingeleitet werden. „Das ist einer der größten geburtshilflichen Notfälle, die man sich vorstellen kann“, sagt Spiegel. „Das Kind kann nicht mehr versorgt werden und die Frau hat ein großes Verblutungsrisiko.“

Die Gebärmutter war vor der zweiten Geburt lädiert, die Frau hatte ein traumatisches Erlebnis hinter sich. „Es hat dann alles etwas länger gedauert, ich habe der Frau nach einem Gespräch Schmerzmittel gegeben, weil ich das Gefühl hatte, die Situation würde sie sonst überfordern“, sagt Spiegel. „Ich habe entschieden, dass wir das aufgrund der psychischen und medizinischen Risiken der ersten Geburt ganz langsam angehen.“ Am Ende lief alles nach Plan. „Bauchgefühl klingt bescheuert, es ist aber in unserem Beruf sehr wichtig. Man muss darauf hören, auch wenn man den Arzt um 3 Uhr nachts unnötig weckt.“

Kölner Hebamme will nach der Ausbildung studieren

Fast ausschließlich Frauen mit Abitur werden Hebammen. „Es ist ein Beruf, der viel abverlangt“, sagt Dorothee Herrmann, die Leiterin der Kölner Hebammenschule. Für den ersten Jahrgang gab es rund 600 Bewerbungen, zwei Bewerber waren Männer. Vergeben konnte Herrmann nur 24 Stellen. „Die Noten spielen eine Rolle. Aber auch die Fächerauswahl, die Lebenserfahrung und soziales Engagement“, so die 40-Jährige, die selbst ausgebildete Hebamme ist und sich inzwischen akademisch weitergebildet hat. Irgendwann „saß ich im Kreißsaal und dachte: Das machst du jetzt noch dreißig Jahre weiter? Auch, wenn es aus meiner Sicht weiterhin der schönste Beruf überhaupt ist“, so Herrmann.

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Doch es ist auch ein Beruf, in dem die Überlastung auf der Tagesordnung steht. Den Streik an der Uniklinik hat Nina Spiegel im Sommer mitorganisiert. „Leider hauen wir Hebammen nicht genug auf den Tisch. Denn anders geht es nicht, anders verbessert sich gar nichts“, sagt Spiegel.

Nun will sie studieren, soziale Arbeit oder Psychologie. Und parallel als Hebamme arbeiten. „Ich weiß, dass ich nicht mein Leben lang im Kreißsaal arbeiten will und werde“, sagt sie. „Es gibt keine Karriereleiter, alle haben ihre Nische. Ich gehe nach der Ausbildung auf eine Wochenbettstation. Die Erfahrungen dort kann ich hoffentlich irgendwann parallel zu einem Studium in der Freiberuflichkeit umsetzen“, so Spiegel, die mit ihrer Entscheidung für die Hebammen-Ausbildung als ersten Schritt in ihr Berufsleben glücklich ist.

Nach acht Wochen im Kreißsaal: „Natürlich hat mich das überfordert“

„Natürlich bilden wir mit dem Ziel aus, dass die Hebammen auch im Beruf bleiben. Aber ich kann verstehen, wenn man irgendwann etwas Neues probieren möchte“, sagt Dorothee Herrmann. Die Ausbildung wurde inzwischen gesetzlich umgewandelt in ein Studium, das künftig auch an ihrer Hebammenschule stattfinden wird. Herrmann freut sich über diese Entwicklung. Für einen Ausbildungsberuf seien die Anforderungen an Hebammen eigentlich zu vielseitig, zu komplex. „Durch die Akademisierung ist die Konkurrenz zu anderen Standorten größer geworden. Aber wir haben dennoch deutlich mehr Bewerbungen als Stellen“, erklärt sie.

Nina Spiegel spricht von der Ausbildung als der intensivsten Zeit ihres Lebens. „Nach acht Wochen Theorie stand ich direkt im Kreißsaal. Natürlich hat mich das überfordert“, sagt sie. Ihr habe es sehr geholfen, mit den Frauen auch über eigene Unsicherheiten zu sprechen. „Es passiert ganz viel auf Augenhöhe.“ Offene Kommunikation sei vor allem dann wichtig, wenn etwas nicht nach Plan läuft. „Mir ist es wichtig, der Frau nicht das Gefühl zu geben, mit ihr passiere etwas. Sie handelt selbst.“