Die Unzufriedenheit über den Verkehrsversuch auf der Deutzer Freiheit wächst. Nun könnte der Stadt eine Klage drohen.
Umstrittener Verkehrsversuch in DeutzAutofreie Einkaufsstraße – Kölner Händler wollen die Stadt verklagen
Der Stadt könnte eine Klage gegen den Verkehrsversuch auf Deutzer Freiheit drohen. Dies plant ein Unternehmer vor Ort, der sich in Abstimmung mit einem Anwalt befindet. Die Stimmung auf der rechtsrheinischen Einkaufsmeile, seit dem 10. Juni 2022 weitgehend autofrei, ist angespannt. Vormittags stellt die Stadt neuerdings Sperrungen auf, um die Radfahrer zur Entschleunigung zu zwingen.
In den vergangenen Wochen wurden schnelle Radfahrer, die an den Fußgängern vorbeifahren, zum Problem. Zwar hat die Stadt die Regelungen zwischen Neuhöfferstraße und Gotenring etwas gelockert, sodass es wieder mehr Parkflächen für Anwohner und den Lieferverkehr gibt. Die inhabergeführten Betriebe merken davon wenig. Und kämpfen im Hintergrund für einen Abbruch des Verkehrsversuches. Viele wollen eine Verlängerung der zunächst auf ein Jahr angelegten Maßnahmen unbedingt verhindern. Seit einigen Monaten loten die Betreiber mit einem Anwalt aus, in welcher Form eine Klage gegen die Stadt Erfolg haben könnte.
Köln-Deutz: Händler wollen die Stadt verklagen
In der politischen Diskussion spielen die Sorgen der Gewerbetreibenden in Deutz aktuell keine große Rolle, der Fokus beim Thema Verkehrsversuche liegt hier auf der Venloer Straße in Ehrenfeld, die in Teilen in eine Tempo-20-Zone umgewandelt wurde. Dort kam es zuletzt immer wieder zu chaotischen Szenen. Anwohner, Passanten und Gewerbetreibende fühlten sich schlecht informiert und von den neuen Regelungen benachteiligt. Auf Druck der SPD kündigte die Verwaltung nun an, für den weiteren Verlauf des Verkehrsversuchs auf der Venloer Straße ein neues Teilprojekt zu starten: Die „begleitende Kommunikation“ im Rahmen der bevorstehenden Umwandlung in eine Einbahnstraße.
In der Sitzung des Verkehrsausschusses am Dienstag sagte Thosten Siggelkow, Amtsleiter für nachhaltige Mobilitätsentwicklung: „Wir haben eine Lernkurve gemacht.“ Er räumte ein, dass die Absprachen mit den Menschen vor Ort in Ehrenfeld bislang nicht optimal liefen. „Wir haben gelernt, dass wir mit der Kommunikation nicht alle erreichen“, sagte er in der Sitzung des Verkehrsausschusses am Dienstag. „Wir bearbeiten und beackern die Teilprozesse jetzt in einer anderen Form als wir es bislang gemacht haben“, so sein Versprechen. Eine intensive Beteiligung von Menschen vor Ort habe die Stadt bereits begonnen, auch mit Verbänden wie der IHK und der Handwerkskammer.
Kassenbericht 1,5 Stunden nach Öffnung: „Das ist nichts.“
„Auch mit der Poliik vor Ort haben wir darüber diskutiert, wie wir einzelne Händler mit ins Boot nehmen können.“ Doch der neue Fokus auf die Kommunikation der Maßnahmen gilt vorerst nur für den Ehrenfelder Verkehrsversuch. „Ob es am Ende eine Möglichkeit gibt auch bei anderen Verkehrsversuchen so vorzugehen, müssen wir abwarten“, sagte Siggelkow. Für die Inhaber der Geschäfte in Deutz ist das Vorgehen der Verwaltung weiterhin unbefriedigend. Viele von ihnen sprechen zwar offen über ihre Ablehnung des Versuchs, über mehrere 1000 Kunden, die der Straße pro Monat fehlen würden.
Über Rentner, die am anderen Ende von Deutz parken, sich mühsam bis zu ihren Stammgeschäften quälen und Strafzettel in Kauf nehmen bis es eben nicht mehr gehe. Über drohende Insolvenzen. Ein Geschäftsinhaber erzählt, dass er überlegt, später in Rente zu gehen – weil der Verkauf seines Ladens in der aktuellen Situation deutlich weniger Geld einbringen würde. In der Zeitung wollen sie ihre Zitate aber nicht lesen, zu angespannt ist die Diskussion. Die Inhaberin eines Blumengeschäfts präsentiert gegen 11.30 Uhr, anderthalb Stunden nach der Öffnung, ihren Kassenbericht: zehn Euro steht da. „Das ist nichts.“
Blumenkübel steht auf Fläche von Gastronom
Vor dem Verkehrsversuch habe es so etwas nicht gegeben. Gastronomen sprechen etwas offener über die Situation, einige von ihnen sind weniger abhängig von Kunden, die mit dem Auto auf die Deutzer Freiheit fahren. Die neuen Blumenkübel der Stadt sollten die Straße aufwerten und auch die Außengastro attraktiver machen. Die Maßnahme wird eher als übergriffig wahrgenommen. „Wir wurden da nicht gefragt. Ein Kübel steht auf einer Fläche, für die ich selbst bezahle, der muss weg“, sagt Stefan Getzke, Geschäftsführer des „Sion Bräues“. Auf seinen Betrieb habe der Versuch ansonsten keine großen Auswirkungen, „die Gäste kommen sowieso ohne Auto.“
Er finde die Maßnahmen aber nicht richtig, er bekomme mit, wie die kleinen Betriebe drumherum leiden. Die Öffnung des Teilabschnitts in Richtung Gotenring bringe nichts. Außerdem sei die Fußgängerzone de facto keine. „Man sieht täglich, wie viele Autos hier durchfahren, die von nichts wissen.“ Am Dienstagvormittag ist tatsächlich zu beobachten, wie sich alle paar Minuten Autos in die Fußgängerzone verirren – oder sie trotz der neuen Regeln bewusst ansteuern. „Für uns ist der Verkehrsversuch eine Katastrophe“, sagt Massimo Biasi von der „Kaffebar“.
Kölner Gastronom: „So werden wir den nächsten Winter nicht überleben.“
„Für uns als kleiner Laden war der letzte Winter eine Katastrophe.“ Hat sich durch die Fußgängerzone nicht auch etwas verbessert? „Raussetzen ist eine schöne Sache, aber hier ist es nicht schön. Fahrräder knallen hier in einem hohen Tempo durch und wir schauen auf eine Barrikade.“ Er sei nicht gegen die Autofreiheit. Aber man müsse Parkmöglichkeiten für Kunden einrichten. Er setzt auf die Klage, die noch in Planung ist. „Ich hoffe, da kommt etwas Gutes bei raus. Denn so werden wir den nächsten Winter nicht überleben.“