Mit seinem Schallplattenladen „Kontrapunkt Vinyl“ trotzt ein Kölner der digitalen Musikwelt. Aber wie geht das, in Zeiten von Spotify und Co?
„Kontrapunkt Vinyl“ in DeutzWie sich ein Kölner Plattenhändler gegen Spotify behauptet
„Schallplatte hören ist ein multimodaler Prozess“, erklärt Sebastian Koschmieder, als würde es sich um eine Wissenschaft handeln. Die Schallplatte ist für den 42-Jährigen mehr als nur ein Trägermedium: „Vom Anfassen der Platte über den Geruch der Hülle bis zum einzigartigen Sound“, beschreibt er seine Faszination.
Kölner Plattenladen in Deutz: Mutiges Geschäftsmodell in digitalen Zeiten
Für ihn sind Schallplatten ein Abenteuer. Das Abenteuer war es auch, das Koschmieder 2017 dazu bewog, sich mit seinem eigenen Plattenladen „Kontrapunkt Vinyl“ in Deutz selbstständig zu machen. Auch sein Geschäftsmodell beschreibt der ausgebildete Therapeut als ein Abenteuer.
An den Vormittagen, vor Ladenöffnung, durchforstet der Plattenliebhaber Flohmärkte und besucht Plattensammler, auf der Suche nach ganz besonderen Platten, seinem eigenen Musikgeschmack entsprechend – zwischen Jazz und Hip-Hop. Aber auch Techno-, House- und Rockkisten stehen in seinem Laden.
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Wichtig ist, dass es sich nicht um Neuware handelt. „Ich stehe auf alte Pressungen und Sammlerpressungen. Ich schwöre auf den Sound“, stellt Koschmieder klar. Er selbst beschreibt sein Konzept als „Buy-Sell-Trade“, also ein An- und Verkaufsmodell, das um das Tauschgeschäft von besonders hochwertigen Platten erweitert wird.
Gegen den Trend: Kundenberatung oder Spotify-Algorithmus?
Ein Plattenladen in Zeiten von Musik-Streaming-Diensten verwundert auf den ersten Blick erst einmal. Aber für den 42-Jährigen war die Platte nie weg. Das lässt sich auch an seinem Spotify-Jahresrückblick erkennen: „Ich habe genau 38 Minuten Hörzeit – und das auch nur, weil Freunde von mir ihre Musik nur bei Spotify hochladen“, erzählt er.
Seinen ersten Berührungspunkt mit Platten hatte Koschmieder in seiner Kindheit, damals noch in der DDR, mit Hörspiel-Schallplatten. Als er mit seinen Eltern vor der Wende in den Westen floh, lernte er durch ältere Freunde beim Skaten und Basketball Punk, Hip-Hop und Jazz-Musik kennen, und so war es um ihn geschehen.
Heute sieht er sich – auch wenn ihm das Medium fremd ist – als der „Spotify-Algorithmus der Plattenliebhaber“. Der intensive Kundenkontakt ist dem Plattenliebhaber besonders wichtig und wird auch von seiner Kundschaft geschätzt. „Die Leute sollen hier eine gute Zeit haben“, sagt er - und im besten Fall nach einer ausgiebigen Beratung und Hörproben den Laden mit einer Platte unter dem Arm verlassen, die sie vorher nie angerührt hätten.
„Kontrapunkt Vinyl“-Ladenbesitzer über Deutz: „Lebensqualität pur“
Wer die Türschwelle von „Kontrapunkt Vinyl“ übertritt, der muss also Zeit mitbringen. „Hier kann ich all meine Erfahrungen in einen Topf werfen“, sagt der Ladenbesitzer und zieht Referenzen zu seiner Zeit als Therapeut. „Manche kommen auch einfach her, um mit mir zu reden“, sagt er.
Die Anonymität des Veedels löst sich in seinem Laden auf. Dieses Veedel, das der zugezogene Kölner mittlerweile sein Zuhause nennt, ist Deutz. Wenn er von seinem „geliebten Stadtteil“ spricht, verfällt Koschmieder regelrecht ins Schwärmen. „Man ist sofort am Rhein, bei den Poller Wiesen, einfach in der Natur. Das ist Lebensqualität pur“, beschreibt er sein Veedel.
Vor allem aus geschäftlicher Sicht ist Deutz ein wichtiger Standort. „Hier habe ich das internationale Messepublikum und da ich länger als die anderen Geschäfte geöffnet habe, zieht es die Leute zu mir“, erklärt der Koschmieder.
Und wenn die Messebesucher nicht den Weg in den Laden finden, können sie bei der Verschenkkiste zugreifen, die Koschmieder vor dem Laden abstellt. Es spielt für ihn keine Rolle, wie die Leute ein Faible für Platten entwickeln, „Hauptsache sie werden irgendwie an das Medium ran geführt und bleiben da“.